Joseph
Apweiler
Ein Stück Lebensweg mit Pater Hubert
Pauels
- persönliche Erinnerungen
-
Als ich im Jahre 1958
meine Gattin kennen lernte, wurde ich, wie damals üblich, von meiner
Schwiegermutter zunächst nach meiner Religion befragt. Mit meiner Antwort, ich
sei katholisch, war sie zunächst zufrieden, äußerte jedoch nach einiger Zeit den
Wunsch, dass mich „Onkel Hubert“ kennen lernen möchte.
Von meiner Frau hatte ich
bereits erfahren, dass er Ordenspriester sei und im Haus Overbach das
klostereigene Gymnasium leite. Auch hatte ich im Kreise der Familie meiner Frau
manche Geschichte über den „berühmten“ Onkel Hubert gehört. Eine davon ist mir
recht gut in Erinnerung geblieben. So erzählte meine Schwiegermutter, dass er
einmal ein paar neue Schuhe bekommen habe, die er auf seinem Wege vom Kloster zu
einer Veranstaltung einem Armen gegeben habe. Als sie ihn dann später gefragt
habe, wo die neuen Schuhe geblieben seien, da hat er gesagt: „Der Arme habe sie
nötiger gebraucht als er und da habe er eben getauscht“.
Bei einem der folgenden
Besuche lernte ich ihn dann kennen, und ich traf einen Menschen, der sich nicht
nur für Religion interessierte, sondern auch für meine Zukunftspläne und mit dem
ich mich über alles unterhalten konnte, ja, der sogar über die Bundeswehr recht
gut Bescheid wusste. Von diesem ersten Besuch war ich recht beeindruckt und
„Onkel Hubert“, wie er zukünftig nur genannt wurde, war ein stets bereitwilliger
Zuhörer und Ratgeber für mein weiteres Leben. Als im Jahre 1960 mein Vater bei
einem Unfall auf der Grube sein Leben verlor, und ich, nunmehr als Soldat auf
Zeit, einen Antrag auf Versetzung von Gießen nach Eschweiler stellte, wurde
dieser von dem Leiter der Einheit in Gießen abgelehnt. Ich besprach dies mit
meiner damaligen Verlobten und sie sagte: Hier kann bestimmt Onkel Hubert
helfen. Mit der Begründung, dass ich meiner Mutter, die noch mit vier unmündigen
Kindern zu Hause war, helfen wolle, und dass mein anderer Bruder als
Wehrpflichtiger in der Nähe von Bremen stationiert sei, gelang dann mit Hilfe
von Onkel Hubert die Versetzung zum 01.01.1961 nach Eschweiler.
Im Mai 1962 heiratete ich
meine Frau Katharina und selbstverständlich wurde, unter größter Anteilnahme
meiner Kollegen der Bundeswehr, die Trauung von Onkel Hubert vollzogen. Als im
März 1963 unsere Tochter Sibille geboren wurde, war es natürlich Onkel Hubert,
der die Taufe spendete. Auf Anraten von Onkel Hubert nahm ich während der
Bundeswehrzeit in Eschweiler auch meine unterbrochene Technikerausbildung wieder
auf, die ich 1963 mit Erfolg beendete. Als zum 01. Oktober meine Entlassung aus
der Bundeswehr anstand, war es ebenfalls Onkel Hubert, der mir bei der
Kernforschungsanlage Jülich eine Anstellung als Technischer Angestellter
besorgte. Nach dem Umzug meiner Familie von Hoengen/Alsdorf nach Jülich war
Onkel Hubert ein häufiger und gern gesehener Gast in unserer Familie und seine
Ratschläge waren häufig gefragt.
Nachdem ich, aufbauend auf
die Technikerausbildung, ein Ingenieurstudium in Darmstadt 1968 ebenfalls
erfolgreich beendet hatte, dies jedoch nicht staatlich anerkannt wurde, besprach
ich die ganze Angelegenheit erneut mit Onkel Hubert. Er gab mir den Rat, die
Graduierung nachzuholen. Die erste Hürde war die Zulassung zu einer
Ingenieurschule in Form der Fachoberschulreife, die ich nicht besaß. Mit
kräftiger Unterstützung von Onkel Hubert, bei dem ich nach Feierabend Englisch
und Deutsch lernte und auch noch Nachhilfe in einigen anderen Fächern hatte,
konnte ich bereits im November 1968 in einer Fremdenprüfung beim
Regierungspräsident in Düsseldorf diese Hürde nehmen. An der Fachhochschule
Jülich besuchte ich dann noch ein Semester den Unterricht und legte mit Erfolg
das Examen ab. In der Zwischenzeit wurde auch meine jüngste Tochter Monika
geboren, die natürlich auch von Onkel Hubert getauft wurde. Im Jahr 1971 erhielt
ich die Information, dass graduierte Ingenieure ein Studium an einer Technischen
Hochschule für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen bei voller Bezahlung
absolvieren konnten. Mir sagte dies zu, und ich besprach dies mit meiner Frau.
Sie war nicht besonders erbaut, lernte ich doch bereits mit kleinen
Unterbrechungen seit 1961. Ihr Rat war: Besprechen wir die ganze Sache mit Onkel
Hubert und wenn der zurät, dann in Gottes Namen. Wie konnte es anders sein, er
riet mir zu, und im Oktober 1971 begann ich als Aushilfslehrer und zugleich mit
dem Studium, das ich 1976 mit Erfolg beendete. Seit 1976 bin ich als Lehrer an
einer berufsbildenden Schule tätig und habe diesen Ratschlag von Onkel Hubert
bisher nie bereut.
In den Jahren von 1962 bis
zu seinem Tode habe ich unseren Onkel Hubert nicht nur als väterlichen Freund
und Ratgeber kennen und lieben gelernt, sondern ich habe ihn oft als Fahrer zu
Veranstaltungen, Vorträgen und Gesprächen begleitet.
Auf den Fahrten sprachen
wir nicht nur über die Familie, sondern meist über Politik, Wirtschaft und über
Gruppen und deren Ziele und Gedanken sowie auch über die Familien und über die
Personen, die wir besuchten. So konnte ich im Laufe der Zeit viel an Wissen und
Erfahrung sammeln. Einige Erlebnisse, die ich mit ihm auf diesen Fahrten hatte,
möchte ich in dem folgenden Teil niederlegen, wenn ich auch die genauen Daten
nicht mehr in Erinnerung habe.
Onkel Hubert und sein
Fahrrad
Kam ich in Jülich von der
Arbeit nach Hause, so fand ich des öfteren vor unserer Haustür sein Fahrrad
angelehnt. Mit diesem besuchte er uns oder benutzte es, um weitere Fahrten von
Jülich aus anzutreten. Von Haus Overbach waren es ca. 20 Minuten Fahrzeit mit
dem Rad bis zu uns. Auf unsere Vorhaltungen, warum er nicht gesagt habe, dass er
abgeholt werden solle, erwiderte er immer: Die paar Minuten Radfahren sind gut
für meine Gesundheit, und warum soll ich immer jemanden bitten. Verschmitzt
lächelnd fügte er gelegentlich hinzu: Man muss in Overbach nicht immer wissen,
wo ich bin. Oft stand sein Fahrrad vor der Tür und er wartete darauf, dass ich
nach Hause kam. Er fragte dann immer, ob ich Zeit hätte, mit ihm zu einem
Treffen oder zu einer Veranstaltung zu fahren. Viele tausend Kilometer sind so
im Laufe der Jahre von uns gemeinsam gefahren worden und ich möchte keinen davon
missen. Die Gespräche, die wir auf diesen Fahrten geführt haben, waren für mich
häufig Grundlage für spätere Entscheidungen und Einstellungen. Toleranz und
Menschenwürde habe ich von ihm ebenso erfahren und gelernt wie den Umgang mit
Menschen aller Schichten und Rassen.
Eine Fahrt an den
Niederrhein
Eines Tages war es mal
wieder soweit, das Fahrrad stand vor unserer Haustür und Onkel Hubert wurde
gerade von meiner Frau zu einem Imbiss animiert. Er fragte mich, ob ich Zeit
hätte, ihn in das ca. 5 km entfernte Selgersdorf zu bringen, dort habe er eine
Messe mit Predigt. Um 19.00 Uhr sollte ich ihn dort wieder abholen, um dann mit
ihm an den Niederrhein zu fahren. Dort habe er ein Gespräch, ich sollte dann
warten, um ihn danach nach Overbach zurückzufahren. Ich fuhr ihn also nach
Selgersdorf und war gegen 19.00 Uhr wieder an der Kirche um ihn für die Fahrt
zum Niederrhein abzuholen. Die Kirche war noch hell erleuchtet, doch ich hörte
nichts und von Onkel Hubert war weit und breit nichts zu sehen.
Nachdem ich etwa 10
Minuten gewartet hatte, betrat ich die Kirche und staunte nicht schlecht. Onkel
Hubert predigte noch und man konnte eine Stecknadel fallen hören. Nach einigen
Minuten hatte er mich wohl bemerkt, er beendete seine Predigt und feierte die
hl. Messe ohne Hast zu Ende. Mit einer halbstündigen Verspätung konnten wir dann
endlich an den Niederrhein aufbrechen. Als wir dort ankamen, waren die
Anwesenden gar nicht erstaunt, man kannte dies von Onkel Hubert.
Ohne Verzug begann dann
die Gesprächsrunde mit seinem Vortrag und nach einer kurzen Diskussion konnten
wir gegen 23.00 Uhr nach Overbach zurückkehren. Gegen Mitternacht waren wir dann
in Overbach und wenig später war auch mein Tag zu Ende.
Eine Fahrt und ein
Unfall
Wie so oft, so sollte ich
auch an diesem Tage Onkel Hubert zu einer Veranstaltung fahren. Auf meine Frage,
wohin es diesmal gehen solle, bekam ich die Antwort: „Ins Sauerland“. Es war
gegen 18.00 Uhr als wir in Jülich losfuhren. Zunächst in Richtung Düren und dann
auf die Autobahn in Richtung Köln. Am Autobahnkreuz Köln-West wollte ich auf die
A1 in Richtung Leverkusen abbiegen als sich plötzlich der Verkehr staute. Um
nicht auf meinen Vordermann aufzufahren, riss ich mein Steuer nach rechts und
kam unmittelbar vor dem Brückenpfeiler zum Stillstand. Der hinter uns fahrende
Lastkraftwagen konnte nur noch auf die linke Spur ausweichen und drückte dort
fahrenden Personenwagen gegen die Leitplanken. Onkel Hubert sagte nur: „Gut
gemacht, Joseph, und nun lass uns weiterfahren“. Der Weg vor uns war wieder frei
und ich wollte oben auf der Brücke von einer Notrufsäule aus die Polizei
verständigen. Auf der Brücke angekommen, sah ich dort einen Streifenwagen
stehen, und ich meldete ihnen den Unfall, von dem sie nichts bemerkt hatten. Wir
fuhren dann weiter ins Sauerland, wo uns ein dichter Nebel empfing. Von der
Autobahnausfahrt bis zum Zielort benötigten wir mehr als zwei Stunden.
Da mein Onkel nicht genau
wusste wo die Veranstaltung stattfinden sollte, suchten wir zuerst das
Pfarrhaus. Doch da war niemand anwesend. Wir versuchten, jemanden im Ort zu
finden, doch wegen des dichten Nebels gelang uns dies erst nach etwa einer
halben Stunde. Diesen befragten wir nach dem Ort der Veranstaltung, und wir
hatten Glück. Es war mittlerweile fast 22.00 Uhr geworden als wir am
Veranstaltungsort ankamen, doch noch alle waren versammelt und warteten. Gegen
01.00 Uhr war dann die Veranstaltung zu Ende und wir fuhren zurück. Gegen 03.00
Uhr waren wir dann wieder heil in Overbach. Oft haben wir bei späteren Fahrten
an dieses Ereignis gedacht. Onkel Hubert sagte dann immer: Deine Fahrkunst und
der Schutz der Gottesmutter sind die Gewähr dafür, dass wir immer heil ankommen.
Probleme an der Grenze
Vereinbarungsgemäß hatte
ich Onkel Hubert in einer größeren Stadt in Holland abgeholt. Es war Sonntag,
als wir uns gegen Mittag von Holland kommend der deutschen Grenze bei Heerlem
näherten. Am Grenzübergang befand sich außerhalb des Zollhauses niemand, im
Grenzhäuschen sah ich drei deutsche Zollbeamte in einer Unterhaltung vertieft.
Da Onkel Hubert wie immer etwas spät in seinem Zeitplan war, drückte ich auf die
Hupe um die Zollbeamten auf uns aufmerksam zu machen, doch niemand reagierte. Da
der Grenzbetrieb in dieser Region bereits etwas „lockerer“ gehandhabt wurde,
fuhr ich im Schritttempo weiter, behielt aber das Grenzhäuschen im Rückspiegel
im Auge. Dies war unser Glück, denn wir waren noch keine 10 m weit gefahren, als
einer der Grenzbeamten mit angeschlagener Waffe aus dem Häuschen stürzte. Meine
sofortige Bremsung führte dazu, dass der Beamte zum Wagen kam und uns
aufforderte, den Wagen sofort zu verlassen. Eine ausführliche Personenkontrolle
und eine detaillierte Fahrzeugkontrolle waren die Folge. Auch meine Einwände zu
ihrem Verhalten, der Hinweis auf den Priester und dass wir sicherlich nicht
schmuggeln wollten, wurden nicht zur Kenntnis genommen. Sein Kommentar war, dass
jeder einen „schwarzen Rock“ anziehen könne.
Mit dem Hinweis, niemals
mehr ohne anzuhalten über die Grenze zu fahren, wurden wir nach etwa 20 Minuten
entlassen, und ich konnte mit nur wenig Verspätung Onkel Hubert zu seinem Termin
bringen.
An einem Tage etwa
1.000 km mit Onkel Hubert
Im August 1987, wenige
Tage vor dem 80. Geburtstag von Onkel Hubert, erhielten wir die Nachricht vom
Tode des Onkel Jakob (Pehl), einem Bruder von Onkel Hubert, der mit seiner
Familie in Nienburg/Weser lebte. Er hatte den Wunsch geäußert, dass Onkel Hubert
die Beerdigung durchführen sollte. Die Beerdigung war genau an dem Tage
festgelegt worden, an dem im Haus Overbach die Feierlichkeiten zum 80.
Geburtstag von Onkel Hubert stattfinden sollten. Bernie, ein Vetter von uns,
hatte mit seiner Mutter Onkel Hubert in Overbach abgeholt und nach Nienburg
gebracht. Auch wir waren nach Nienburg gefahren, um unserem Onkel die letzte
Ehre zu erweisen. Kurz vor Beginn des Requiems kam Onkel Hubert aus der
Sakristei zu mir, drückte mir das Lektorenbuch in die Hand und sagte: Mach du
die Lesung und die Fürbitten, du kannst das. Nach der Beerdigung trafen wir uns
mit der gesamten Familie noch zu einem kleinen Imbiss in einer Gaststätte.
Anschließend fuhren wir dann gemeinsam nach Overbach. Als wir dort gegen 16.00
Uhr ankamen, wurden wir bereits sehnsüchtig erwartet. Eine große Menschenmenge
saß oder stand im weiten Rund des Innenhofes von Haus Overbach. Nachdem wir
angekommen waren, begann wenig später der Dankgottesdienst in Conzelebration der
beiden Jubilare. Dann begann, wie bei solchen Anlässen üblich, die
Gratulationskur. Gegen 19.00 Uhr wurde Onkel Hubert dann ziemlich unruhig und
auf meine Frage erklärte er, dass er für diesen Abend eine Zusage für einen
Vortrag in Bonn gegeben habe. Wenig später brachen wir dann auf und ich brachte
ihn pünktlich gegen 20.00 Uhr an seinen Zielort Bonn. Müde und abgespannt kamen
meine Frau und ich gegen 21.00 Uhr zu Hause in Leichlingen an.
Eine Madonna als
Geschenk
An meinem Wohnort lebte
ein bekannter Maler, den ich mit Onkel Hubert des öfteren besucht hatte. Als
Onkel Huberts 40-jähriges Priesterjubiläum anstand, rief ich den Künstler an und
fragte ihn, ob er mitfahren wolle. Er war erfreut und so fuhren wir gemeinsam
zum Empfang nach Jülich. Der Maler trug in einem Papier eingewickelt etwas bei
sich, das er Onkel Hubert als Geschenk übergeben wollte. Als Onkel Hubert dieses
Geschenk auspackte, waren alle von dem Inhalt sehr begeistert, war es doch ein
Madonnenbild aus einem Zyklus von vier Gemälden, die die Madonna in den vier
Rassen darstellte. Das Bild zeigte die negroide Madonna. Es bekam zunächst einen
Ehrenplatz im Zimmer von Onkel Hubert und hing später im Empfangszimmer des
Hauses Overbach. Als ich nach dem Tode von Onkel Hubert nach diesem Bild fragte,
wurde es uns von Pater Karduck als Erinnerungsstück an Onkel Hubert geschenkt
und hängt heute in unserem Wohnzimmer. Nach dem Tode des Malers erbte Onkel
Hubert, der mit diesem Maler viele Gespräche im 'Vorster Konvent' geführt hatte,
ein weiteres Madonnenbild, das heute ebenfalls einen Ehrenplatz bei uns hat.
Onkel Hubert und seine
Schwester „Billa“
Onkel Hubert war das erste
von insgesamt neun Kindern der Familie Pauels/Pehl. Mit seinem Bruder Josef und
seiner Schwester Billa stammte er aus der ersten Ehe seiner Mutter mit dem
Bergmann Wilhelm Pauels. Dieser verstarb jedoch bereits 1912 - Onkel Hubert war
gerade 5 Jahre alt - und seine Mutter heiratete später den Bergmann Johann Pehl.
Aus dieser Ehe gingen noch sieben Kinder hervor, von denen eines bereits nach
wenigen Monaten starb, seine beiden Schwestern Leni und Änni und die Brüder
Peter, Jakob, Hans und Alois. Zu allen seinen Geschwistern und deren Familien
hatte Onkel Hubert einen herzlichen Kontakt und er war für alle immer der
Ansprechpartner bei familiären Nöten und Sorgen. Bei allen Festlichkeiten und
Familienfeiern durfte Onkel Hubert nicht fehlen und so manche Anekdote wird über
sein Erscheinen erzählt. Er war es auch, der die Familien zusammenhielt oder
wichtige Informationen aus dem gesamten Familienbereich weitergab. Auch zu
seinen Vettern und Kusinen pflegte er den Kontakt und war immer für sie da, wenn
er gebraucht wurde.
Bis zu ihrem Tode im März
1976 begleitete meine Schwiegermutter, Sibilla Neilessen, genannt Billa, ihren
Bruder Hubert immer wieder ein Stück seines Weges und oft war er ein gern
gesehener Gast in seinem Elternhaus, das sie mit ihrem Bruder Peter und seiner
Familie bewohnte. In allen Fragen, die sie oder ihre Familie betrafen, wurde
Onkel Hubert grundsätzlich um Rat und Hilfe gebeten. Hochzeiten, Kindtaufen und
andere Familienfeiern konnten nur in Anwesenheit von Onkel Hubert oder seiner
Beteiligung stattfinden und „Billa“ sorgte dafür. Kam Onkel Hubert dann in
Hoengen an, wurde sein Äußeres zuerst einer kritischen Prüfung unterzogen. Sein
Anzug wurde gebürstet und sein Bart rasiert. Nicht selten musste er sich im
Schlafzimmer seiner Oberkleider entledigen, die dann von Billa gereinigt und
gebügelt wurden. Onkel Hubert ließ all dies in stiller Demut über sich ergehen.
Danach durfte er dann an der Feier teilnehmen oder zu seiner Reise antreten.
Kritisch wurden auch seine Schuhe und seine Aktentasche nebst Inhalt in
Augenschein genommen und öfters musste er sich der Kritik seiner Schwester über
sein Aussehen oder den Zustand seiner Bekleidung und seiner Sachen stellen.
Gelegentlich fuhr Billa dann mit ihm zum Schuster oder ins Geschäft und kaufte
neue Sachen. Doch oft war dies vergeblich, denn Onkel Hubert nahm die alten
Sachen immer mit, und nach einiger Zeit tauchte er in den alten Dingen wieder
auf, die neuen hatte er Bedürftigen weitergegeben. Als im März 1974 der Sohn
Josef seiner Schwester Billa nach langer und schwerer Krankheit starb, war neben
der Gottesmutter Onkel Hubert der größte Tröster für Billa. Josef war der Erste
in einer langen Reihe von Familienangehörigen, die Onkel Hubert in den nächsten
Jahren zu Grabe geleiten musste. Im Jahre 1972 musste er seinen Bruder Peter auf
dem letzten Weg begleiten und als nächste folgte 1976 seine Schwester Billa. Es
folgten in kurzen Abständen seine Brüder Josef, Jakob und Alois.
Ein schwerer Tag für
Onkel Hubert
Im November 1973 erreichte
uns über einen Telefonanruf die Nachricht, dass der Pater Provinzial entschieden
habe, dass Onkel Hubert von seinem Amt als Leiter des Gymnasiums zurücktreten
müsse. Onkel Hubert hatte uns bis dahin nichts zu diesem Vorgang gesagt und wir
baten ihn um ein Gespräch. Wie bei ihm immer, spielte er die ganze Angelegenheit
herunter und sagte nur, er beuge sich dem Willen des Hauses. Trotz allem konnten
wir feststellen, dass er sehr niedergedrückt war, es ging ihm um das Wohl
„seiner Kinder.“ Die folgenden Gespräche mit dem Stadtdirektor von Jülich ,
Herrn Schröder, dem Vorsitzenden der Elternpflegschaft, dessen beide Söhne das
Gymnasium als Schüler besuchten; die Gespräche mit einigen anderen Patern, die
ebenfalls mit der Entscheidung des Ordensoberen nicht einverstanden waren und
letztlich die Veranstaltung in der Stadthalle in Jülich, die bis auf den letzten
Platz besetzt war, machten mir den Bekanntheitsgrad und die Beliebtheit bei
seinen Schülern recht deutlich und ließen sein tiefes Verständnis und seinen
Gehorsam gegenüber dem Hause deutlich werden. Die folgenden Jahre, in denen er
dann nur noch selten im Hause Overbach zu finden war, lassen jedoch den Schluss
zu, dass hier Gottes Wille die Entscheidung in seiner Weisheit getroffen hat.
War doch das Wirken von Onkel Hubert nach seiner Pensionierung bis zu seinem
Tode dermaßen geprägt von Seelsorge und Verkündigung wie es ihm bei seiner
Tätigkeit als Schulleiter niemals möglich gewesen wäre. Viele haben seinen Rat
und geistigen Beistand in dieser Zeit erhalten und es ihm immer wieder gedankt
und tun es noch heute.
Mit Onkel Hubert in
Lourdes und Fatima
Schon seit längerer Zeit
hatten meine Frau, unsere jüngste Tochter Monika und ich den Wunsch, einmal mit
einer Pilgergruppe unter der Leitung von Onkel Hubert nach Lourdes und Fatima zu
reisen. Im Jahre 1984 war es dann endlich soweit, und wir fuhren mit der Kölner
Fatimagruppe unter der Leitung von Frau Hofmann nach Lourdes und Fatima. Wir
besuchten auf der Fahrt das Grab von Bernadette, den Pfarrer von Ars, und weiter
ging es entlang der Mittelmeerküste und von dort aufwärts nach Lourdes. Hier
verbrachten wir einige Tage ehe es dann weiterging über Vittoria, Salamanka,
Coimbra und nach Fatima. In Lourdes waren wir im Bad zur Waschung, und so
mancher Liter Wasser wurde von der Quelle in den Bus getragen. Auf der Fahrt
nach Porto machten wir an einer Raststätte Halt. Dabei mussten wir feststellen,
dass der Keilriemen unseres Busses sowie die Keilriemenscheibe nicht mehr in
Ordnung waren. Nach einigen Stunden Aufenthalt, in denen die Keilriemenscheibe
wiederhergestellt wurde, ging es dann weiter. Dies war bereits die zweite Panne,
war doch bei der Rast in Nevers bereits ein Reifen „platt“ geworden. In Fatima
verbrachten wir dann wundervolle Tage, deren Höhepunkt die Feierlichkeiten am
12. und 13. waren. Ein Nachmittag in Nazareth, einem Hafen am Atlantik, von dem
viele mit einem Sonnenbrand zurückkamen, war das Ende unseres Aufenthaltes in
Portugal. Als wir auf der Rückfahrt in San Sebastian in einem Kloster
übernachten sollten, wollten einige Jugendliche sich den Sonnenuntergang am Meer
ansehen. Wie uns die Ordensoberin mitteilte, mussten sie jedoch um 21.00 Uhr im
Kloster sein, es würde abgeschlossen und verriegelt. Kurz vor neun kamen dann
auch die ersten vom Strand zurück, jedoch nicht unsere Tochter und eine
Restgruppe von fünf Jugendlichen, darunter auch der Sohn der Reiseleiterin.
Gegen halb zehn tauchten sie dann auf und klingelten an der Pforte. Doch es tat
sich nichts. Zwischenzeitlich war die Reiseleiterin zu uns ins Zimmer gekommen,
auch der Busfahrer hatte sich dort eingefunden, und wir sahen sie dann kommen.
Unser Zimmer lag im ersten Stock, direkt über der Kapelle und unmittelbar neben
dem von Onkel Hubert. Da die Schwestern die Haustür nicht öffneten, wir aber die
Jugendlichen im Hause haben wollten, ließen wir Bettücher zum Fenster heraus und
die Jugendlichen kletterten an ihnen hoch. Dies hatten dann auch die Schwestern
bemerkt und die Oberin kam zornig in unser Zimmer und überschüttete uns mit
einem Schwall von Worten, von denen wir nichts verstanden. Es gelang dann
unserer Dolmetscherin, sie zu beruhigen, und wir verbrachten eine ruhige Nacht.
Als wir Onkel Hubert am nächsten Morgen fragten, ob er nicht gestört worden sei,
sagte er, dass er nichts gehört habe. Wir erzählten ihm den ganzen Vorfall und
seine Antwort und sein Ratschlag waren: Geht in die Stadt und kauft einen großen
Blumenstrauß für die Muttergottes und gebt diesen der Schwester als
Entschuldigung. Er hatte Recht mit seinem Rat und zeigte wie immer viel
Verständnis für die Jugend, im Gegensatz zu manchem anderen der Pilger.
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