Leben des Seligen Bonaventura von Potenza
Sel. Bonaventura von Potenza
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Bekenner
* 16. Jan. 1651
†
26. Okt. 1711
Gedenktag: 26.
Oktober |
Bonaventura von Potenza,
Bekenner (1651 -1711)
Am 3.
Dezember 2001 erschienen in Sievernich der hl. Charbel,
Papst Pius XII., der heilige Josaphat, die hl. Mirjam von
Abellin, die hl. Schwester Faustine, der hl. Robert
Bellarmin und ein Mann in einem braunen Gewand mit Bart.
Nach sechs Jahren konnte jetzt neben dem hl. Hieronymus auch
der letzte in Sievernich erschienene Heilige namentlich
zugeordnet werden.
Bei dem
Mann im braunen Gewand mit Bart handelt es sich um den
seligen Bonaventura von Potenza. Sein richtiger Name war
Antonio Carlo Gerardo Lavanga. Er wurde Anfang Januar 1651
in Süditalien geboren und am 4. Januar getauft. Schon sehr
früh, mit 16 Jahren, hat er den Ruf empfunden, Mönch zu
werden und trat mit 16 Jahren dem Franziskanerorden bei. |
|
Er war
Vorbild vor allem im Gehorsam und in der Selbsterniedrigung.
Er kümmerte sich um die Gefangenen, sorgte für sie und
besuchte sie. Er wirkte vor allem in Süditalien. An seiner
zweiten Stelle hat er einen sehr guten Seelenführer
gefunden. Dieser war für ihn ein großes Vorbild. Von ihm hat
er vor allem die Einfachheit, die Bescheidenheit, die Demut
und den Gehorsam gelernt. 1675 wurde er Priester. Er wurde
dann in eine andere Ordensniederlassung nach Neapel
versetzt. Auch dort hat er sich hervorgetan durch seine
Einfachheit, seine Bescheidenheit, seine Armut und ein ganz
einfaches und hartes Leben.
Er erhielt
von Gott die Gnade der Seelenschau und der Prophezeiung. So
hat er Bischöfen, Mönchen und seinen Vorsetzten
Prophezeiungen gemacht, die wirklich eingetroffen sind. Er
hat Leprakranke geheilt. Sie wurden auf der Stelle gesund.
Beim Ausbruch einer großen Plage hat er viele Menschen
geheilt. Bei Gebeten und während der Meditation wurde er in
die Luft gehoben. Dadurch hat er in seinem Orden viel
Verwunderung und Respekt erlebt.
Er hatte -
wie der Pfarrer von Ars - Probleme mit seinem
Theologiestudium. Nachher hat man aber festgestellt, dass er
ein sehr tiefes Wissen im Glauben hatte. Obwohl er wegen
seiner Lernprobleme während seines Studiums nur wenig im
Gedächtnis behalten konnte, setzte er seine Vorgesetzten und
seine Umgebung immer wieder in Erstaunen, weil er mehr
wusste, als alle diejenigen um ihn herum, die viele Jahre
intensiv Theologie studiert hatten. Außerdem war er ein
großer Prediger.
1710 wurde
er am Fuß operiert. Von da an war er bettlägerig. Obwohl er
jetzt selber nicht mehr aufstehen konnte, kamen viele
Menschen zu ihm, um ihn zu sehen und um Trost oder auch
Heilung zu erhalten. Am 26. Oktober 1711 starb der sel.
Bonaventura von Potenza.
Von Pius
VI. wurde er am 26. November 1775 selig gesprochen. Es kann
sein, dass er inzwischen auch heilig gesprochen wurde. Das
wird noch geprüft. Allerdings ist es bei den Franziskanern
oft der Fall, dass die Seliggesprochenen nicht heilig
gesprochen werden, weil der Orden das Verfahren der
Heiligsprechung nicht in die Wege leitete. |
Leben des Seligen
Bonaventura von Potenza
Aus den Akten des
Seligsprechungsprozesses!!!

Ein Beispiel der Heiligkeit aus unserem
Jahrhundert
(17. Jahrhundert) für alle Stände.
Priester aus dem Orden der Franziskaner
Konventualen,
aus den Prozessakten der Seligsprechung
gezogen von einem Priester dieses Ordens
Seligsprechung: 26. November 1775
Drucklegung des Originalbuches: 1776
Konstanz, im Verlag Jacob Frid. Bez &
Compagnie.
Der Text wurde der heutigen deutschen
Sprache angepasst.
Vorwort
Von der Weis und Art, nützlich die
Lebensgeschichte der Heiligen zu lesen.
Die Lebensgeschichten der
Heiligen können uns wie ein Spiegel dienen, das innere Angesicht des
Geistes zu betrachten, indem wir uns den Heiligen entgegen halten.
Dieser Spiegel zeigt uns die vielen Gefahren, welchen wir ausgesetzt
sind; die heimlichen Wege, auf denen uns die Feinde nachstellen; wir
erkennen in ihnen die Tugenden, welche uns notwendig sind. Wir
werden, da wir uns in diesem Spiegel betrachten, gegen die
Versuchungen gestärkt, in den Widerwärtigkeiten aufgemuntert, gegen
alle Zufälle vorbereitet.
Aber man muss sich aus einer wahren
Begierde der Nachahmung, und nicht aus dem unechten Antrieb des
Vorwitzes, oder um die Zeit zu verkürzen, sich den Geschichten der
Heiligen nahen. Ehe die Augen zu lesen anfangen, ist es notwendig,
das Herz vorzubereiten, Gott um Seine Gnade anzusprechen, ohne
welche keine Änderung des Lebens vorgehen kann. Man muss dann
aufmerksam lesen, den Heiligen kennen lernen; und zugleich die Augen
auf seinen eigenen Lebenslauf werfen, der nach dem Leben der
Heiligen soll eingerichtet werden. Dies heißt nichts anderes als
einen Richterstuhl in seinem Herzen aufrichten, alle seine
Handlungen zur Rechenschaft rufen, und sofern man diese von den
Grundsätzen, nach welchen die Heiligen gehandelt haben,
unterschieden findet, sich zu ihrer Verbesserung entschließen. Das
will Gott von uns. Die Heiligen sollen nichts anderes als unsere
Vorbilder sein. Weil wir uns mit unserer Schwachheit entschuldigen
würden, dem Mensch gewordenen Gott, unserem Herrn selbst
nachzuahmen, so stellt Er uns von Zeit zu Zeit neue Heilige auf,
damit wir diesen als unseren Brüdern nachfolgen, weil sie unsere
Brüder sind, weil sie mit uns auf der nämlichen Welt lebten; die
nämliche Natur, die nämlichen Gefahren, die nämlichen Nachstellungen
und Feinde wie wir hatten. Wir dürfen nur ihre Lebensbeschreibung
lesen, so werden wir von allen diesen überzeugt werden. Wir müssen
ihnen nachfolgen, weil wir die gleiche Seligkeit erwarten, welche
sie schon erlangt haben; weil wir mit ihnen unter einem Evangelium
und Gesetz leben. Welches Verlangen muss so das Lesen ihrer heiligen
Geschichten in unseren Herzen erwecken, wenn wir diese Geschichten
mit einer heiligen Aufmerksamkeit, reifer Überlegung und
bedachtsamen Anwendung auf uns selbst durchgehen? Es scheint nicht
möglich zu sein zu lesen, wie ein Heiliger den Schatten der Sünde
geflohen habe, ohne eine Reue über die Sünden zu empfinden, welche
man mit lachendem Mund begangen hat. Es scheint nicht möglich zu
sein, zu lesen, wie ein Heiliger die empfindlichsten Schmerzen mit
freudigem Gemüte überträgt, ohne seine eigene Ungeduld zu verdammen.
Aber man muss mit dem Auge nicht forteilen, bis das Herz gebessert
ist. So lang muss man sich bei einer Tat aufhalten, bis man sich zu
ihrer Nachahmung fähig gemacht hat. Auf diese Art wird der Sünder
durch das Lesen auf die Wege des Heils zurückgeführt werden, der
Büßer wird in seinen Vorsätzen gestärkt, und der Laue mit einem
neuen Feuer entzündet werden. Der Gerechte wird in den Fußstapfen
der Heiligen von einer Tugend zur anderen wandern. Der Verfolgte
wird die Sanftmut lernen, der Gekreuzigte sich in den göttlichen
Willen ergeben und keiner ohne Nutzen lesen, wenn er mit einer
Begierde sich zu bessern und mit einer Anwendung auf sich selbst
liest, kurz, wenn er liest um nachzufolgen.
Freilich können wir den Heiligen nicht
in allem nachfolgen. Sie haben Taten hinterlassen, welche mehr zur
Bewunderung als für die Nachahmung sind. Es wären dazu
außerordentliche Gnaden notwendig, welche unsere Hoffnung
übersteigen. Doch auch diese Taten können wir nicht ohne Nutzen
lesen, weil wir durch diese von den Vorurteilen befreit werden, die
wir von der Strenge der Evangelischen Sittenlehre hegen. Das Joch
Jesu Christi, welches die Heiligen mit so viel Freude des Geistes
gezogen haben, muss nicht so schwer sein, wie wir glauben. Es muss
ein anderes als ein sinnliches Vergnügen geben. Die Buße, in welcher
sich die Heiligen mit aller Strenge geübt haben, muss ihnen durch
einen anderen Trost ersetzt worden sein. Wenn wir bei Lesung jener
außerordentlichen Bußübung nur auf dergleichen Gedanken verfallen,
wenn wir nur unsere Vorurteile ablegen und erkennen, welches süße
Joch das Joch Jesu Christi sei, so haben wir die göttliche Absicht
schon erreicht. Wenn wir nur unsere Tugend an der Höhe der Heiligen
abmessen und sehen, wie weit wir noch zurück sind, wenn wir nur
dadurch aufgemuntert werden, allzeit weiter in der Tugend zu gehen,
weil wir niemals zu weit gehen können, nachdem uns gesagt worden
ist: Seid vollkommen, gleichwie euer Himmlischer Vater vollkommen
ist.
Wer dieses gegenwärtige Leben des
seligen Bonaventura von Potenza so lesen will, der lese es zu seiner
Erbauung, zur Nachahmung. Es können alle von ihm lernen, die Kinder
den Gehorsam, welcher die Haupttugend dieses Seligen ist, die Eltern
die Erziehung der Kinder nach jener Art, auf welche Bonaventura
seine Novizen erzogen hat, die Reichen ein Mitleid gegen die Armen,
die Armen die Geduld, die Sünder die Buße, die Angefochtenen, wie
sie streiten sollen. Man sollte aber nicht zum Zeitvertreib lesen,
sondern mit einem begierigen Nachdenken, mit einer sorgfältigen
Anwendung auf sich selbst, und die Frucht wird folgen.
Leben des seligen Bonaventura von
Potenza
I. Kapitel
Seine Geburt, Kindheit und erste
Studienjahre
Nichts ist geschickter, den Menschen zur
Tugend anzutreiben, als die Beispiele. Gott hat daher in allen
Zeiten Männer von vortrefflicher Heiligkeit und Tugend erweckt.
Gleichwie es in der Kirche eine Weitergabe der Lehre gibt, welche in
derselben die Reinheit des Glaubens erhält, und die Irrgläubigen zu
überzeugen dient, eben so findet sich in der Kirche eine Weitergabe
heiliger Handlungen, welche von einem Heiligen zu dem anderen
fortgeht, um die guten zur Tugend aufzumuntern und die schlechten
Christen zu beschämen. Ein solches Muster der Heiligkeit, nach
welchem sich alle Stände bilden können, welches zur allgemeinen
Erbauung dient, hat die Güte Gottes unserem Jahrhundert an dem
seligen Bonaventura vorgestellt.
Zu Potenza, einer Stadt in Basilicata,
dem Reich Neapolis, erblickte er im Jahr 1651 das Licht der Welt.
Bei der heiligen Taufe, welche ihm am 4. Januar zu Teil geworden
ist, erhielt er den Name Karl Anton. Lelius Lavanga, Katharina Pika
– so nannten sich seine Eltern. Sie waren zwar arm an zeitlichen
Mitteln, aber reich an Tugenden und bemüht, diese an ihr Kind
weiterzugeben. Am 11. März des Jahres 1657 brachten sie ihren Karl
zum Bischof Bonaventura Klaverio aus dem Konventual-Orden des Hl.
Franziskus von Assisi, aus dessen Hand er das Hl. Sakrament der
Firmung empfangen hat.
Kein ungewöhnliches Zeichen eines
Himmelgestirns, noch eine Prophezeiung – Karl Anton verkündigte
selbst seine Heiligkeit. Er hatte als Kind gar keine Freude an all
dem, was sonst die Kinder freut. Von dem liebenswürdigen Gott hören,
von Ihm reden, die Grundsätze des Glaubens lernen, dieses war sein
einziges Vergnügen, welches ihn ganz eingenommen hatte. Sein Umgang,
seine Gespräche, seine Augen, seine Schritte, sein ganzes Betragen
waren so zurückhaltend, dass es schien, Karl Anton habe schon in der
Kindheit Jungfräulichkeit geschworen. Wie der Prozessakte seiner
Seligsprechung sagt, so hat die Reinheit aus seinen Augen und ganzem
Angesicht geschaut. Er war schon damals ein Feind unnützer Reden und
hasste nichts mehr als den schädlichen Müßiggang. Maria, die Mutter
des Jesuskindes, war ein besonderer Gegenstand seiner kindlichen
Andacht. Ihr zu Ehre richtete er ein Altärchen auf und zierte ihr
Bildnis nach seinem Vermögen. Da warf er sich stundenlang auf seine
zarten Knie, da betete er in voller Unschuld, entwickelte durch die
frühzeitigsten Betrachtungen die ersten Gedanken seiner Jugend und
glaubte nicht, ein Kind Mariä, dieser Schmerzensmutter zu sein, wenn
nicht zugleich die Geißel seine Glieder mit Blut färbte. Die
zärtlich gerührten Eltern konnten ihre Freude über die ungemeine
Geschwindigkeit, mit welcher er ihre Befehle vollzog, nicht bergen.
Sie übergaben ihren Sohn einem frommen Geistlichen, damit er
zugleich in den Wissenschaften der Gelehrten und jenen der Heiligen
unterrichtet würde. Wenige Tage hatte Karl Anton unter der Aufsicht
seines neuen Lehrers zugebracht, und schon erkannte dieser seinen
pünktlichen Gehorsam, sein engelhaftes Gemüt. Die ganze Schule
konnte ihn als ein Muster jugendlicher Tugenden sehen. Knaben,
welche durch sein Verhalten beschämt wurden, schlugen nach ihm. Aber
er beschämte sie noch mehr durch seine Sanftmut und Geduld. Die
Zeit, welche ihm vom Studieren übrig blieb, brachte er in der Kirche
zu. Mit erbaulicher Andacht diente dieser irdische Engel den
Priestern, welche das große Opfer verrichteten. Mit inbrünstigstem
Eifer nahte er sich den Heiligen Sakramenten, welche ihm sein Alter
zuließ. Mit völliger Sammlung des Geistes staunte er solange dem
Geheimnis Gottes nach, bis die Zeit diesen heiligen Studenten zu
seiner Berufsarbeit, zu den Büchern oder in die Schule zurückrief.
Als die Bürger von Potenza den jungen Karl Anton sich der
Vollkommenheit mit so großen Schritten nahen sahen, versprachen sie
sich einen Heiligen.
II. Kapitel
Er begibt sich in einen Heiligen
Orden;
legt die Gelübde ab;
gibt die Philosophie auf und
verlegt sich gänzlich auf die Wissenschaft des Heils.
Er lebte 15 Jahre mitten in der Welt
ohne Welt, und wusste das Kleinod seiner Unschuld gegen alle
Nachstellungen sicher zu stellen. Obschon ihn die göttliche Vorsicht
mit allen Gnaden an Leib und Seele, reichlich ausgeschmückt hatte,
so sah er doch, dass sein Beruf nicht von dieser Welt ist. Er ging
mit dem Heiligen Geist zu Rat, spürte seine eigenen Neigungen aus,
prüfte sein Herz und entschloss sich zum Klosterleben. Die Eltern,
welche in dem Entschluss ihres Sohnes einen Fingerzeig des Himmels
erkannten, brachten ihn zum Pater Anton da Pescopagana,
Provinzvorsteher der Väter Konventualen, hielten bei ihm um die
Aufnahme ihres Sohnes in den Hl. Orden an, und erhielten, was sie
verlangten. Karl Anton wurde dem Konvent seines Geburtsortes selbst
einverleibt. In Nocera legte er alsbald das geistliche Kleid an, und
dieses unter zärtlichen Tränen, weil es am 4. Oktober zum Fest des
hl. Franziskus geschah. Bonaventura war der Name, welcher ihm bei
der Einkleidung zugelegt worden ist.
Kaum war diese kostbare Pflanze in ihr
natürliches Erdreich versetzt, so eilte sie, von Tag zu Tag neue und
herrliche Früchte hervorzubringen. Der Last seiner frommen Begierden
zog ihn besonders dahin, sich in der Befolgung der Anweisungen
hervorzutun, und die Ämter, welche ihm der Finger des Oberen gezeigt
hat, auf das genaueste zu erfüllen. Kurz, der Wille des Oberen war
der Kompass, nach dem sich Bonaventura einzig gerichtet hat. Sich,
seinem Willen war er gänzlich abgestorben. Reich an verdiensten,
glänzend an Tugenden, hat dieser heilige Novize sein Probejahr
zurückgelegt. Nun legte er unter dem Vater Franz de Cerchiano,
Vorsteher jenes Konvents, die feierlichen Gelübde ab. Den
Ordensbrüdern schlug das Herz vor Freude bei dieser Beute, welche
sie der Welt in diesem Augenblick abgenommen. Bei Bonaventura aber
brach die Freude, welche sich in seiner Brust ausgegossen hatte,
auch ins Äußerliche aus. Die Banden der Welt sind zerrissen, jauchzt
seine Seele, sie sind zerrissen, ich bin frei, und nun gehöre ich
Gott ganz an. Mein Geliebter ist mein, und ich bin Sein.
Jetzt wird er einem Lehrer zur Erlernung
menschlicher Wissenschaften übergeben. Aber Bonaventura findet wenig
Geschmack an diesen, weil sie durch die Zerstreuung seinen Geist von
göttlichen Dingen abhalten, und durch die Trockenheit des Herzens,
das Gefühl zur Tugend erlöschen. Dennoch gab er dem Gehorsam und der
Gewohnheit des Ordens nach und blieb ein Schüler. In Matalona aber,
wohin er hernach verschickt worden ist, hat der Herr ihm Seinen
Willen erkennen lassen. Der Hl. Vater Franziskus hat in jenem Ort im
Jahr 1222 ein Kloster für seine Brüder erbaut. Bonaventura erfuhr,
dass ihm diese diese enge Zelle zur Wohnung angewiesen war, welche
Franziskus selbst bewohnt hatte. Wie jammerte, wie seufzte der
Demütige, der sich so unwürdig schätzte, die Erde zu betreten,
welche einen solchen Heiligen getragen hatte. Der Vater Sebastian di
Caesare hörte das wehmütige Winseln Bonaventuras. Er fragte ihn nach
der Ursache seines Seufzens, und er glaubte in der Antwort seines
geliebten Mitbruders die Demut selbst reden zu hören. Er lernte aus
seiner Antwort seinen Geist kennen und gibt ihm den gut gemeinten
Rat, das Studieren aufzugeben und sich einzig und Aber auf die
Wissenschaften der Heiligen zu verlegen. Aus dieser Absicht ist
Bonaventura mit Erlaubnis seiner Oberen in den Konvent des
Städtchens Pio gekommen. Die Einsamkeit des Ortes, die Gesellschaft
der Geistlichen, welche die Begierde eines strengen Lebens dort
versammelt hatte, feuerten den Eifer Bonaventuras noch mehr an. Die
göttliche Vorsicht aber, welche auf das Wachstum dieser großen Seele
gleichsam eifersüchtig war, hatte einen noch bequemeren Ort für
Bonaventura ausgesehen, nämlich die Stadt Amalsi. Da traf er wieder
ein Wohnzimmer seines Hl. Ordensstifters an, und zugleich den
berühmten Diener Gottes, Dominikus a Muro, einen Mann, der zur
Leitung der Seelen die größten Fähigkeiten besaß. Diesem und seinem
Oberen hat sich Bonaventura gänzlich übergeben. Er eiferte mit
seinem Lehrer Dominikus auf dem Weg der Vollkommenheit. Sie sprachen
einander zu, sie munterten einander auf, und verkosteten miteinander
in der Stille die Süßigkeiten der Gnade. Acht Jahre hat Bonaventura
in der Gesellschaft seines geistlichen Lehrers zugebracht und hat es
unter dessen Anführung sowohl in den Wissenschaften des Heils als in
der Erlernung der geprüften Gottesgelehrtheit und in der Ausübung
der Tugenden zur Vollkommenheit gebracht. Der Grund, auf welchem
Bonaventura sein geistliches Gebäude aufgebaut hat, war die Demut,
ohne welche auch die glänzendsten Tugenden nichts als Eitelkeit
sind. Die verächtlichsten Werke waren ihm nicht zur gering. Ein
Wink, ein Wort des Oberen war dem Diener Gottes genug, sich zu den
niedrigsten Tätigkeiten herabzulassen. Unbilden, Verachtungen,
Schimpfworte konnten seine Tugend nicht schwächen. Er umarmte mit
Jesus und in Jesus seine Beleidiger. Um sich verächtlich zu machen,
sagte er alles, was ihm zur Unehre gereichen konnte. Darum hat er so
oft von seiner niederen Herkunft gesprochen. Mit Paulus nennt er
sich einen Sünder, den Sündhaftesten, den Verwerflichsten unter den
Sündern.
Christus Jesus, welchen Bonaventura
nachfolgte, hatte weder eine Höhle zur Wohnung, noch einen Stein als
Kopfpolster. Darum wollte auch Bonaventura nichts haben. Ein
einziger Rock, der schon ein Bußkleid war, der nur dazu diente, die
Blöße des Adams und die Bußzeuge des Bonaventura zu bedecken, war
sein ganzer Reichtum. Einige wenige Bilder von Papier machten die
Zierde seiner Zelle aus, und diese war ihm allemal gut genug, wenn
sie nur der Kirche nahe war. Auf einem Strohsack, auf einem harten
Brett oder gar auf der bloßen Erde suchte er die Nachtruhe, wenn ihn
der Schlaf überfiel. Von seinen Bußzeugen aber legte er keines ab,
auch in den Krankheiten nicht, wenn es der Obere nicht schaffte. Das
Geld, welches die Welt mit Zwietracht füllt, die Augen blendet und
die Herzen von den Schätzen des himmlischen Vaterlandes abzieht,
verdiente seinen völligen Abscheu. Er dachte an die Silberlinge, mit
welchen Jesus verkauft worden ist, und glaubte, an der geringsten
Münze die ganze Last zu fühlen, welche den unglückseligen Judas in
den Abgrund des Verderbens zog. Seine Oberen fanden ihn des eigenen
Willens entblößt. Sie lebten gleichsam in ihm. Ihr Wille war das
Uhrwerk seiner Seele. Nicht nur einmal haben sie erfahren, dass
Bonaventura, vertieft in das Beispiel seines göttlichen
Lehrmeisters, lieber das Leben als den Gehorsam verlieren wollte.
Niemals hat er der Absicht seiner Oberen nachgegrübelt. Niemals
machte er einen Unterschied in ihren Befehlen, sondern er freute
sich, wenn er nur gehorchen konnte, ein anderer Paulus simplex.
III. Kapitel
Seine Andacht zu dem Hochheiligsten
Altarssakrament.
Er wird Priester, kommt nach Neapel und
wächst in der Tugend, wie im Ruf der Heiligkeit.
Der liebste Aufenthalt des Dieners
Gottes war vor dem Tabernakel des göttlichen Heilandes. Es war seine
Herzenslust, recht oft von dem Heiligsten Altarssakrament reden zu
können. Dieses Liebesgeheimnis war der immerwährende Gegenstand
seiner anmutsvollen Betrachtungen. Ganze Nächte hat er bei der
Bundshütte des Herrn, dem Tabernakel durchgewacht. Er benetzte die
Staffel des Altars mit seinen Tränen und die Mauern des Tempels
erhallten von den Seufzern seiner Liebe. Musste er ausgehen, so ging
er bei keiner Kirche vorbei, ohne dass Hochwürdige Gut zu besuchen
und anzubeten. Hörte er andere nur von demselben reden, so entbrannt
sein Herz. Sein Angesicht wurde glühend von der Liebesflamme und
brach in Schweiß aus. Dieses waren die gewöhnlichen Zeichen, welche
seinen Entzückungen vorausgingen. Wenn Bonaventura dieses merkte,
sprach er zu sich selbst: Warten wir noch ein wenig, warten wir. So
ist er nach und nach entzückt gleichsam in die Arme der Liebe
gefallen. Kam er zu sich, so eilte er in seine Zelle, um sich zu
erholen, wurde aber dort auf ein Neues von dem Feuer der
Betrachtungen dahin gerissen. Er suchte, das Kirchengerät in
möglichster Reinheit zu erhalten. Er wachte über die heiligen Gefäße
mit strengster Sorgfalt. Wenn er etwas Zeit übrig hatte; so musste
diese zur Ehre des Hochwürdigsten im Tabernakel verwendet werden.
Nichts konnte seine ruhige Seele mehr aufbringen als eine undankbare
Unehrerbietigkeit gegen dies Sakrament. Die Engel zittern da, sagte
er, und der Mensch – wie ehrerbietig sollte dieser sein? Seinetwegen
Aber hält sich der Herr unter den Brotsgestalten auf. Wurde er wegen
des allzu großen Eifers in seiner Lieblingstätigkeit, die Besorgung
des Altars, getadelt, so verlangte er zu wissen, was wohl hier
zuviel geschehen könne? Wisse, sagte er, ich bin bereit, für die
Ehre des Hochheiligen Sakramentes mein Leben zu lassen. Welche
Hochschätzung für das Haus Gottes, diesen irdischen Himmel!
Es lässt sich daraus leicht vermuten,
mit welcher Sorgfalt sich Bonaventura wohl zum Priestertum
vorbereitet hat. Voll von der Größe dieses göttlichen Amts schloss
er sich gleichsam in sich selbst ein, und hatte keinen anderen
Umgang als mit Gott. Hat die Demut seinen hl. Vater Franziskus von
dem Altar zurück gehalten, so führte die Liebe und der Gehorsam den
Sohn dorthin. Bonaventura empfängt die heilige Weihe, er liest die
erste Heilige Messe, er liest sie mit seraphischem Eifer, er steht
wie ein himmlischer Mensch an dem Altar. Es kann eher gedacht als
geschrieben werden, was in seinem Herzen wohl vorgegangen ist, als
er die mächtigen Worte das erste Mal aussprach, welche die höchste
Majestät auf den Altar herabziehen, als er das erste Mal das
göttliche Lamm in Händen trug. Die Zeit hatte keine Gewalt über die
Andacht dieses Priesters. Sein Eifer nahm vielmehr zu, wie ein Feuer
zunimmt, das immer neue Nahrung erhält. Bonaventura hat niemals das
unblutige Opfer verrichtet, ohne dieses mit seinen Tränen zu
begleiten. Öfters hat sich ein himmlischer Glanz über sein Angesicht
ausgebreitet, und er stand entzückt an dem Altar, wobei er kaum noch
die Erde mit den Zehen berührte.
Dadurch ist Bonaventura in den Ruf der
Heiligkeit gekommen. Die Konvente seines Ordens, die Städte selbst,
in welchen sich diese Konvente befanden, hielten bei dem Vater
Dominikus um ihn an. Der Provinzobere schickt ihn nach Neapel in den
Konvent des hl. Antonius. Der Abschied war hart. Dominikus und
Bonaventura waren ein Herz und eine Seele, wie es David und Jonathas
gewesen sind. Sie hatten einander innig geliebt, aber der Gehorsam
will, dass sie voneinander scheiden. Sie umarmen einander, und der
Vater Dominikus entlässt seinen geistlichen Sohn mit dem Trost,
Ravello werde der Ort seines Hinscheidens sein: und so würden ihre
Leiber nach dem Tod Nachbarn werden, gleichwie es ihre Seelen im
Leben gewesen sind.
Bonaventura kommt in Neapel an. Er lässt
sich dort zu den geringsten Tätigkeiten brauchen, so dass man ihn
eher für einen Laienbruder als für einen Priester gehalten konnte.
Er war bemüht, jedermann zu dienen und an Leib und Seele
beizustehen. Weil er von seinem großen Lehrer, dem Vater Dominikus,
die Wissenschaft des Geistes ganz verinnerlicht hatte, so war er
fähig, auch die vornehmsten weltlichen Menschen mit seinen
Ratschlägen zu unterstützen. Wer nur ein Anliegen hatte, kam zu
Bonaventura. Ein jeder wollte ihn zum geistlichen Vater, zu seinem
Führer und Seelenarzt. Wenn man nach der Aussage des hl. Karl
Borromäus glücklich ist, unter zehntausend nur einen solchen Mann
gefunden zu haben, so zweifelt man gar nicht, dass Bonaventura
dieser ist. Keine Mühe war ihm zu viel für Gott, und für die Seelen
war ihm alles zu wenig. Er hörte nicht auf, die Unwissenden zu
lehren, die Sünder zu bekehren, die Büßer aufzumuntern, die
Gerechten auf dem Weg des Heils zu stärken. Die Krankenzimmer waren
für ihn eine Schule der Tugend, und er erschien dort nicht anders
als wie ein Engel mit dem Kelch des Trostes. Einen Kranken munterte
er zur Geduld gegen die Schmerzanfälle auf, einen anderen bereitete
er durch die Ergebung in den göttlichen Willen zum feierlichen
Schritt in die Ewigkeit zu. Er eilte von einem Haus in das andere,
von einer Lagerstatt zur anderen. Bei den Sterbenden liegt er auf
der Erde, hält ihnen die Bildnisse des Gekreuzigten vor, spricht
ihnen die anmutigsten Seufzer der Reue und Liebe zu. Er stärkt sie
im Todeskampf und drückt gleichsam dem Heil der Menschen das letzte
Siegel auf, da er durch seinen Zuspruch alle Eingebungen des Fürsten
der Finsternis in jenem bedenklichen Augenblick vereitelt. Die Liebe
Jesu, der Seine Seele für Seine Brüder gab, hat das Herz
Bonaventuras so eingenommen, dass er nicht nur einmal sagte, wenn
ihm alle Türen verschlossen, alle Wege verlegt wären und er zu einem
Sterbenden gerufen würde, so würde er sich einen Weg durch das
Fenster suchen. Es ist nämlich das eingetroffen, was die heiligen
Väter sagen: Eine wahre Liebe achtet keine Hindernisse. Aber
Bonaventura wurde dabei aufgezehrt wie eine Kerze, die nur zum
Besten anderer brennt. Er sah einer noch herumwandelnden Leiche
gleich. Er war sozusagen ein Geist. Doch gab es keine Ruhe für ihn.
Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Einer verlangte Rat von ihm, ein
anderer suchte Trost bei ihm. Dieser kam, seine Ehrerbietung zu
zeigen, jener, sein Gewissen bei ihm in Ruhe zu versetzen, ein
anderer forschte bei ihm nach der Zukunft.
In der Stadt Neapel hat sich ein
besonderes Ereignis zugetragen. Der Vater Paska litt an den
Steinschmerzen, von welchen nur diejenigen reden können, welche
diesen Schmerz empfunden haben. Er klagte dem Seligen seine Pein. Er
bat ihn, er möge mit ihm in die Kirche kommen und das so genannte
Responsorium des hl. Antonius für ihn beten. Bonaventura, ein Mann
der Barmherzigkeit, vom Mitleid innig gerührt, beginnt mit festem
Vertrauen das verlangte Gebet, und seht, als er die Worte sagt: die
Kranken stehen gesund auf, so geht ein Stein von einer
außerordentlichen Größe von dem Kranken. Jetzt danken beide dem
lieben Gott für Seine große Gnade.
IV. Kapitel
Sein Aufenthalt in den Konventen
Maranola,
di Giuliano und di Capri.
Die Beispiele sind mächtiger als die
Worte. Man lehrt mit Werken weit besser und vollkommener als mit der
Stimme, wie der hl. Papst Leo spricht. Dies wussten die Oberen des
seligen Mannes. Darum haben sie ihn an verschiedene Orte geschickt,
und zwar zuerst nach Maranola. Bonaventura war auf jeden Wink hin
reisefertig, weil er immer in seinem Oberen das Bild Jesu Christi
betrachtete. Wenn es der Gehorsam will, sagte er, so gehe ich bis in
die Hölle. So konnte nur ein Bonaventura sprechen, der den Gehorsam
am meisten ausgeübt hat, bei dem der Gehorsam die Triebfeder aller
Handlungen war. Von Maranola zog er mit der gleichen Geschwindigkeit
des Gehorsams nach dem Konvent di Giuliano. Gewiss würde er den
Anstrengungen der Reisen unterlegen sein, wenn der Himmel, welcher
dem Gehorsam ein langes Leben und herrliche Siege verspricht, ihn
nicht gestärkt hätte. Seine Mitbrüder sahen ihn und staunten, als
sie sein vieles Wachen, die Strenge seiner Abtötung, die Sparsamkeit
im Essen und die Länge seiner Betrachtungen sahen. Hatte er auch
etwas Gutes vor sich, so musste es sein Nachbar haben.
Etwa im Jahr 1685, als er 34 Jahre alt
war, kam er nach Montella und von da nach St. Eusemia, einer
kleinen, aber alten Stadt, di Sorrento, wo ihm der Glanz seiner
Tugenden den größten Ruhm erwarb. Es war ihm aber alles eins, wo ihn
der Gehorsam immer haben wollte. Er glich einem Baum, der nirgends
tiefe Wurzeln schlägt, sondern gleich ausgehoben werden kann. Nur
Potenza, sein Geburtsort, war gegen seine Neigung. Dort wünschte er,
niemals wohnen zu müssen. Weder die Stimme des Blutes, noch das
Ansuchen Heinrichs Loffredo, eines Grafen jener Stadt, konnten ihn
bewegen, einen Propheten in seinem Vaterland abzugeben. Das Beispiel
des Heiligen Antonius von Padua, seines Ordensbruders, schwebte ihm
vor Augen, der den Ort, den Orden und auch den Namen verändert hat,
um sich gegen den Anlauf der Freunde zu schützen und im Geist
ruhiger leben zu können. Der Gehorsam aber hat endlich in
Bonaventura über allen Widerwillen gesiegt. Der Obere befiehlt ihm,
nach Potenza zu gehen, um seine kranke Schwester zu besuchen, und
Bonaventura geht. Er kommt mit seinem Begleiter bis nach d’Eboli. Da
sagt er zu diesem: Halten wir inne, meine Schwester ist schon
gestorben und der Gehorsam ist erfüllt … Demut und Gehorsam … beide
Tugenden, eine wie die andere, sind hier vom Himmel gekrönt worden.
Der Gehorsam, welcher ihn nach Potenza führte, und die Demut, welche
sich vor dem Lob der Landsleute entsetzte.
Nachdem diesen ihre Wünsche
fehlgeschlagen waren, bewarb sich Carpi, eine kleine Stadt auf einer
kleinen Insel gleichen Namens, um den seligen Bonaventura, um an ihm
sowohl ein Beispiel der Frömmigkeit, als auch einen Führer der
Seelen zu haben. Der Provinzobere beruft ihn nach Neapel und erklärt
ihn zum Superior in dem neu errichteten kleinen Haus in dem nahe
gelegenen Carpi. Bonaventura erschrickt, weil er weiß, wie viel
sicherer es ist zu gehorchen als zu befehlen. Der Obere liest ihm
die Ursache seines Erschreckens an der Stirne ab und ernennt einen
anderen Superior. Jetzt geht Bonaventura in Begleitung zweier
Priester und eines Laienbruders mit Freuden nach Carpi. Die Armut
des neuen Hospiz gereicht ihm zum besonderen Trost. Er teilt mit dem
Laienbruder die klösterlichen Tätigkeiten. Bald besorgt er die
Ordnung der Kirche, bald hilft er in der Küche. Jetzt macht er den
Pförtnerdienst, dann teilt er den Armen das Almosen aus. In dem
Beichtstuhl ist er unermüdlich und auf der Kanzel brennt er vom
Eifer des Herrn. Er ist allen alles geworden, um alle zu gewinnen.
So emsig er sich aber der Heiligung anderer Seelen annahm, so hat er
doch niemals vergessen, sich selbst zu heiligen. Denn bei allen
seinen Liebesübungen hat er keine einzige seiner geistlichen Übungen
unterlassen.
Was den Kindern Israels jene wunderbare
Wolke war, das war dem Bonaventura der Wille seines Vorgesetzten.
Rückte die Wolke fort, so rückten auch die Israeliten nach. Blieb
sie stehen, so wich das auserwählte Volk nicht vom Platz. Nicht
anders hat sich der Selige verhalten. Sagte ihm der Obere, er solle
da warten, bis er zurückkäme, so blieb Bonaventura ganze Tage stehen
und verließ nur auf die Stimme des Gehorsams jenen Ort, an welchem
ihn der Gehorsam hingestellt hatte. Wie ein toter Leib, der mit sich
umgehen lässt, wie man will, muss ein wahrer Gehorsam sein, pflegte
der hl. Franziskus zu sagen. Ein solcher ist Bonaventura gewesen.
Eine Frau kam mit weinenden Augen zu
ihm. Sie hatte einen Ring verloren, und nun fürchtete sie ihren
Mann, der ein rauer Tyrann war, der sie nicht als eine Gehilfin
seines Lebens, sondern als eine Sklavin ansah. Sie fürchtete Schläge
von diesem Ungehobelten. Sie sind ein heiliger Mann, sagte sie zu
dem Seligen, Sie haben Umgang mit den Heiligen. O machen Sie doch,
dass ich wieder zu dem Ring komme. Meine Tochter, hat ihr der Selige
zur Antwort gegeben, du redest doch einfältig. Mit den Heiligen hab
ich einen Umgang, sagst du? Ein Sünder bin ich, der größte Sünder.
Ein Mensch, der voll böser Begierden steckt, der die schlimmste
Natur hat, eine Natur, die sich allzeit sträubt, das Gute zu tun.
Wie kannst du glauben, dass mich Gott erhören werde? Ich will
dennoch den hl. Antonius für dich bitten. Morgen kannst du wieder
kommen. Sie kam, und Bonaventura fragte sie, ob sie sich nicht
erinnern könne, dass sie den Ring auf die Kiste gelegt habe, aus
welcher sie an einem Festtag die Kleider nahm. Als sie den Deckel
aufgemacht hätte, sei der Ring rücklings hinab gefallen. Jetzt ging
die Frau voll Trost. Sie fand das verlorene Gut wieder. Sie posaunte
diese Sache in der ganzen Nachbarschaft aus. Es kam auch dem Oberen
des Seligen zu Ohren. Dieser fragte ihn, woher er doch die Sache mit
dem Ring habe wissen könne. Der Gehorsame, der eben so demütig war,
bat nur um Verschwiegenheit und gestand, dass ihm der hl. Antonius
erschienen sei, der ihm jenen Hergang erzählt habe.
Drei Monate und nicht länger dauerte der
Aufenthalt des Seligen in Carpi. Aber es war genug, den Geruch der
Tugenden und das Licht des guten Beispiels in der ganzen Gegend zu
verbreiten. Er wurde von da nach Neapel verschickt, von Neapel nach
Ischia. Er ging ohne Klage, wie ein Schäflein, das die Stimme seines
Hirten hört.
V. Kapitel
Der Aufenthalt des Seligen auf der
Insel Ischia.
Bonaventura ehrte in seinem Oberen
denjenigen, der da gesagt hat: Wer euch ehrt, ehrt Mich. Daum fiel
er auf die Knie nieder, sobald er dem Vorsteher des Konvents auf
Ischia zu Gesichte kam, und übergab sich diesem ganz. Der Obere
freute sich über seinen neuen Untergebenen, von dem ihm der gute Ruf
schon vieles erzählt hatte. Er suchte seine Bekanntschaft und wurde
sein Vertrauter. Der Tugendschimmer des Seligen verbreitete sich
bald und nahm alle Gemüter gefangen. Unter dem Vorwand, das Fleisch
sei ihm schädlich, genoss Bonaventura nichts als Bohnen, raue
Zwiebeln, die in stinkendem Wasser gesotten waren. Einfaches Brot,
welches den Armen an der Pforte ausgeteilt wurde, war auch sein
Brot. Wachen und Fasten, dieses nannte er die Künste, von denen er
sagte, dass er durch diese die Welt, das Fleisch, die Hölle
überwinde, den Seinigen Genüge leiste und Gott gefalle. Er fastete
aber an alle Vigilien der Kirche und des Ordens sowohl nach den
Regeln des Ordens als auch nach den Geboten der Kirche, so strenge,
dass er nichts genoss außer Kräuter. Die Novene des hl. Vaters
Franziskus, alle Vorabende der Marienfeste und überdies drei Tage in
der Woche brachte er mit Wasser und Brot zu. Von der glorreichsten
Auffahrt des Herrn bis zu dem Freudenfest der Pfingsten waren
Kastanien, Bohnen und Waldkräuter seine Nahrung. Er sah den Leib als
nichts Anderes als einen Knecht an und hielt diesen mit der Geißel
in strengster Zucht. Die Nächte zum Freitag nannte er Bußnächte.
Dann war sein Geist auf dem Kalvarienberg verzückt. Wie eine Taube
hat er sich in der Seitenwunde jenes Felsens, der Christus ist, ganz
versenkt. Er zerfloss vor dem Kreuz in Tränen. Er konnte die
blutigen Wunden des göttlichen Lammes nicht anblicken, ohne sich
selbst bis auf das Blut zu zerfleischen. Sein stachliger Bußgürtel
war drei Spannen (etwa 60 cm) breit. In diesem führte er sein
Fleisch wie ein wildes Tier gefangen. Als ihn ein anderer um ein
gleiches Bußkleid ansprach, so antwortete er ihm, dass es ihm nur
schaden würde, weil er ihm nicht zugleich auch seine dicke raue Haut
geben könne. Bonaventura hat neben diesen Marterzeugen einer
heiligen Grausamkeit, welche Gott bei einigen zulässt oder ihnen
eingibt, um der Zärtlichkeit anderer allen Vorwand zu nehmen und um
zu zeigen, was der Mensch ertragen kann, neben diesen Peinigungen,
sage ich, hat er einen Rock von schärfsten Tierborsten getragen. Je
härter er aber mit seinem Leib umging, desto wütender raste Satan
gegen ihn. Erst nach einem dreijährigen immerwährenden Kriege zog
sich der Feind beschämt zurück und überließ dem Seligen den
herrlichsten Sieg. Gott hat mich erhalten, sagte Bonaventura zu
einem seiner Freunde, Gott hat mich erhalten. Der höllische
Raubvogel hat nichts als Mücken gefangen. So küssen die Heiligen die
Hand des himmlischen Vaters und schreiben ihr den Sieg zu, den sie
der Hölle abgenommen haben.
Wenn Bonaventura jetzt von der Hölle
Ruhe hatte, traute er doch dem Fleisch nicht. Er kreuzigte dasselbe
wie zuvor. Der Bußgürtel durchfraß ihm die Lenden, das beständige
Knien zog einen Knieschwamm nach sich. Er warf gleich einem
Lungensüchtigen einen faulenden Speichel aus und öfters lag er wie
ein Toter. Aber dieser Tote lebte noch für den Gehorsam der Oberen,
für das Heil seiner Nächsten.
In der Mitte des Frühlings kam ein
Abrufungsbrief für ihn. In dem Konvent der Hl. Anastasia, nah an dem
Tal des Vesuvs, sollte er dem Vater Bonaventura di Ferrara
beistehen, welcher krank zu Bett lag. Ungeachtet der Nacht, welche
einbrach, ungeachtet der vielen Übel, welche seinen Körper erschöpft
hatten, ungeachtet der Seestürme, welche zu befürchten waren,
ungeachtet aller Gefahr, gleich wollte Bonaventura abreisen, um
durch eine Verzögerung sich der Verdienste des Gehorsams nicht zu
berauben. Aber sein damaliger Oberer, welcher seine Umstände, seine
Armseligkeiten kannte und vom Mitleid gerührt war, hielt ihn noch
drei Tage zurück. Kaum fing der vierte Tag an, so brach Bonaventura
mit seinem Begleiter auf. Die Schiffsleute trauen der See nicht. Sie
sehen die Stürme voraus, die Gefahr des Schiffbruchs schwebt ihnen
vor Augen. Sie können sich nicht entschließen abzusegeln, ohne sich
der äußersten Gefahr auszusetzen. Bonaventura spricht ihnen zu und
lässt nicht nach. Sie fahren auf sein Wort ab. Bald fängt das Meer
an zu stürmen. Die Schiffsleute wollen verzweifeln. Bonaventura
betet und sie landen glücklich in Neapel. Da fallen die Seefahrer
dem Seligen zu Füßen. sie verdanken seinem Gebet ihr Leben.
Bonaventura wird gebeten, mit seinem Begleiter in dieser Stadt
auszuruhen. Aber er lässt seinen Begleiter dort zurück. Er achtet
weder die Nacht, noch die abschüssigen Wege. Er eilt fort, schont
sich nicht und kommt zu seinem Kranken. Vier Tage hält er sich bei
demselben auf. Dann geht er mit seinem Begleiter nach Ischia zurück.
Das Reisegeld hat er auf dem Weg unter die Armen verteilt.
Man sagte ihm bei seiner Ankunft, dass
sein Enkel von Potenza gekommen sei, um ihn besuchen. Bonaventura
war der Welt viel zu viel abgestorben, als dass er diesen hätte
sprechen wollen. Er als ein Priester nach der Ordnung Melchisedech
verlangte ohne Vater und Mutter, ohne alle Freunde zu sein. Er war
besorgt, das Blut könne sich regen und der Geist könne ausschweifen,
wenn die Augen einen Enkel erblicken. Doch die Furcht, Gott zu
beleidigen, siegte über alle seine Entschließungen. Er sprach mit
seinem Neffen, vor allem sprach er wegen seiner Enkelinnen mit ihm,
die vater- und mutterlose Kinder waren. Damit ihre Tugend keiner
Gefahr ausgesetzt würde, bat sich Bonaventura die Erlaubnis aus, in
der Stadt ein Almosen zur Aussteuerung dieser verlassenen Töchter
sammeln zu dürfen, und er hat sie erhalten.
VI. Kapitel
Seine geistlichen Früchte und
seltene Taten auf der Insel Ischia.
Man kann von ihm sagen, dass er wie Job
den Blinden ein Auge, den Lahmen ein Fuß, den Kranken eine Arznei,
ein Vater aller geworden ist, und was noch mehr ist, ein Apostel,
vor dessen Angesicht das Laster floh. Sein Eifer im Bekehren der
Sünder war unbeschreiblich. Wenn er dabei das größte Ungemach
auszustehen hatte, so war er gleichsam unempfindlich, gleich dem
Apostel, der da sagte: Ich lebe nicht, Jesus lebt in mir. Jetzt
lallt er den Kindern die ersten Grundsätze des Christentums vor.
Dann bricht er den rohen Schiffsleuten das Brot christlicher Lehre.
Bald ist er von einem Haufen Landleuten umgeben. Bald sind die Armen
seine Zuhörer. Diejenigen, welche die Fähigkeiten dazu besitzen,
lehrte er das Betrachten. Sie finden, dass wir keiner Gebetbücher
bedürftig sind, wenn wir unser eigenes Herz benutzen können. Er hört
die Sünder in dem Beichtstuhl an. Er söhnt sie mit ihrem göttlichen
Richter aus, legt ihnen zum Unterpfand des Heils das Lamm Gottes auf
die Zunge und kehrt in den heiligen Richterstuhl zurück, vergisst
Ruhe und Speise darüber, unersättlich in dem Seelenheil.
An den Freitagen, welche der Betrachtung
des bittersten Leidens und Sterbens Jesu Christi gewidmet sind,
glich sein Eifer einer Brunst, welche mit Gewalt aufbricht, um sich
greift und die ganze Gegend ansteckt. Stadt und Land hat Bonaventura
an diesen Tagen zusammengerufen. Er predigte seinen Zuhörern das
Leiden des Erlösers. Er stellte ihnen dasselbe so lebhaft und
rührend dar, dass Tränen ausbrachen. Man hätte sagen können, es wäre
ein anderer Johannes der Täufer auf der Insel Ischia erschienen.
Sünder, die Bonaventura nur einmal gehört haben, bekehrten sich. Sie
gingen mit dem offensichlichsten Beispiel der Buße von ihm und
ersetzten jetzt durch die Abtötung dem göttlichen Schöpfer die Ehre,
welche sie durch Missbrauch ihrer Glieder ihm entwendet hatten.
Prudenza Crucio, eine bekannte Sünderin auf der Insel, hat sich bei
dem Seligen einmal ihrer Sünden angeklagt, und sein Zuspruch hat ihr
Herz so durchdrungen, dass sie von all ihren schändlichen
Gewohnheiten abließ. Ciana di Sasso war der Prudenza in Lastern
gleich. Sie ist ihr aber nicht nur durch die Bemühung des Seligen in
der Buße gleich geworden, sondern sie eilte aus der Welt, um in
einem Kloster ihr Leben lang die Sünden zu beweinen, welche sie in
der Welt begangen hatte. Einen erbosten Soldaten, der seine Sünden,
mit welchen er dem Herrn der Heerscharen trotzte, für Großmut ansah,
hat er so das Herz umgekehrt, dass er diesen selbst als ein Muster
eines gereinigten Gewissen vorstellte. Der kostbarste Fang dieses
Seelenfischers ist die berühmte und große Dienerin Gottes, Ma.
Angela de la Croce gewesen. Zu seinen Füßen ist sie ein Opfer der
Reue und Bußfertigkeit geworden, und dasselbe bis an ihr Ende
geblieben. Immer sind ihre Augen in Tränen geschwommen. Sie hörte
nie auf, sich in der Buß zu üben und starb voller Verdienste. Ein
Bösewicht, der in seiner Verstockung soweit gekommen war, dass er
rühmte, drei Jahre nicht gebeichtet zu haben, und dass er auch
keinen Gedanken habe, sich in drei Jahren dem Beichtstuhl zu nahen,
ist der apostolischen Nachstellung Bonaventuras nicht entgangen.
Kaum hatte der Selige von dem Verstockten gehört, so eilte er aus
seiner Zelle. Er suchte denselben in der Kirche auf. Er irrte ihm
durch alle Gassen nach, mit der Begierde, mit welcher ein guter Hirt
sein irrendes Schäflein aufsucht. Er findet ihn endlich. Er umarmt
ihn wie der Vater seinen verlorenen Sohn. Er dringt mit Wort und
Tränen in sein Herz und gibt nicht nach, bis er dem Herrn eine
Seele, einer Seele das Heil gewinnt. Mit einem gleichen Eifer lief
er den Sündern, die sich nicht ergeben wollten, auf den Feldern
nach. Er suchte sie auf den Straßen auf. Er drang sogar in die
Finsternisse der Kerker, wie ein heller Mond, um ein Tränentau der
Buße dahin zu bringen. In dem Schloss auf Ischia saß ein so
Verwegener im Kerker, der den ganzen Glanz seines Geschlechts durch
die Ungeheuer seiner Laster verdunkelt hatte. Er so weit, dass zum
Maß seiner Sünden seine Verzweiflung hinzukam. Bonaventura, so
mächtig er in der Bekehrung der Seelen ist, richtet nichts mit
diesem Unglücklichen aus. Er sät acht Tage lang auf einem felsigen
Boden, wird aber nicht müde. Er fährt fort, er weint vor dem
Unbußfertigen. Er seufzt vor ihm, er fällt auf die Erde vor ihm
nieder, er weicht ihm nicht von der Seite. Die Bewohner von Ischia
wussten nicht, wo ihr Bonaventura hingekommen ist. Sie suchten ihn
überall und fanden ihn endlich im Kerker. Sie fragten ihn, wie er
doch so lange an diesem Ort verweilen konnte. Er gibt ihnen zur
Antwort, dass er sich im Kerker begraben lassen würde, um im Kerker
eine Seele zu gewinnen, welche Gottes Ebenbild ist. Gott segnete
auch seine Arbeit. Sein Schweiß, seine Tränen waren nicht
unfruchtbar; denn jener Verstockte gab dem Eifer seines Bußpredigers
nach und brachte die herrlichsten Früchte der Buße. Kurz die ganze
Insel bekam ein anderes Aussehen, gleich einem Feld, von welchem
eine unermüdliche Hand Disteln und Dörner ausrottet, welches jetzt
eine goldene Ernte trägt.
Auch für die Notdurft des Leibes sorgte
der für seinen Nächsten lebende Bonaventura. Es war kein Armer, der
nicht zu ihm seine Zuflucht nahm. Einem reichte er Brot, dem anderen
Kleidung. Keiner ging ohne Erleichterung seines Elends von ihm. Er
war ein Gastgeber aller, ein Vater aller, ein Lehrer aller, das Herz
aller. Er war allen alles. Es kam ein bekehrter Jude mit Frau und
Kind auf die Insel Ischia. Bonaventura verschaffte ihnen ein Obdach.
Er sorgte für ihren Unterhalt. Als der arme Israelit erkrankte, ließ
der Selige die Ärzte rufen. Er besorgte ihm die Arzneien. Er stand
ihm in allem bei. Er pflegte ihn, wie eine Mutter ihr Kind pflegt.
Er verharrte bis zum Ende bei ihm. Er segnete ihm die Seele aus. Er
betete für den Verstorbenen, schickte ihm in die Ewigkeit die Werke
seiner Liebe nach und besorgte die Leiche. Kurz hernach erkrankte
die Frau. Bonaventura erweist ihr die gleichen Liebesdienste. Die
Tochter war noch übrig. Sie litt heftige Schmerzen an einem
verwundeten Knie. Bonaventura lässt sie heilen und bringt sie in
einem Kloster in Neapel unter. Welche schöne Krone seiner
Liebeswerke! Ischia konnte den Eifer Bonaventuras nicht genug
bewundern. Daher kam es, dass sich einige seiner Bürger mit einem
Gelübde verbanden, nichts abzuschlagen, alles mit Freuden zu geben,
was ihnen immer im Namen des Seligen abgefordert würde. Unter diesen
hat sich die Schwester M. Angela befunden. Ungeachtet ihrer eigenen
Freigebigkeit, ihrer glänzenden Geburt und anderer Vorrechte ging
sie selbst Almosen sammeln und hinterlegte das Empfangene bei dem
Diener Gottes, der ein Hafen aller Notleidenden war. Ein Herr von
Rang sah diese Wunder der Liebe. Er gab für die Armen ein Fass Öl.
Maria Angela zapfte täglich aus diesem Fass. Sie füllte manchen Krug
mit Öl, und doch nahm das Fass nicht ab, wie das Öl der Witwe nicht
abgenommen hat, da Elias den Segen Gottes mit sich in ihr Haus nach
Sarephta gebracht hat.
VII. Kapitel
Seine besondere Liebe gegen die
Kranken und
seine Abreise von der Insel Ischia.
Wenn es unter allen göttlichen Werken
das göttlichste ist, bei der Bekehrung der Seelen mit Gott
mitzuwirken, welche Verdienste muss sich Bonaventura in den
Krankenzimmern gesammelt haben? Allzeit war er der Erste bei diesen
Armseligen. Von morgens an bis in die späte Nacht ist stand er ihnen
mit möglichstem Fleiß bei. Niemals ist er in seinem Eifer erlahmt.
Er sah nicht auf die Personen. Sein uneigennütziges Auge wurde vor
allem auf jene gezogen, die armseliger waren als andere. Diese
hatten das erste Recht auf sein Herz. Er scheute sich so wenig vor
ihren eiternden Geschwüren, dass er sich auf die Kranken hinlegte,
diese anlächelte, nicht anders, als wollte er ihnen die Heiterkeit
seiner Seele eingießen. Die Würmer, welche in ihren Wunden
herumwühlten, hatten nichts Abscheuliches für ihn, weil sie ihn an
die Würmer des Grabes erinnerten und er sich selbst als einen Wurm
ansah. Einigen Geistlichen, die ihn ein Pflaster von einer
stinkenden Wunde abnehmen sahen und vor Abscheu das Angesicht
abwandten, sagte er: Wo ist denn eure Liebe? Ihr müsst wissen, dass
ihr nicht euer seid. Ihr gehört den Schafen: Verrichtet die Dienste
der Hirten.
Bei allen seinen apostolischen Arbeiten,
durch welche er seinen Nächsten geheiligt hat, unterließ er nicht
das Mindeste, was zu seiner eigenen Heiligung diente. Er war der
erste im Chor und erschien dort wie ein Engel, der das Lob Gottes
absingen will. Er legte die Hände kreuzweise zusammen. Sein Leib
hatte die anständigste Stellung. Er stand so da, wie ein Mensch da
stehen soll, wenn er sich mit dem König der Könige in ein Gespräch
einlassen will. Sein Herz war ganz mit himmlischen Gedanken erfüllt.
Darum schien er im Chor immer wie entzückt. Dem Brevier setzt er die
Tagzeiten der Himmelkönigin, Litaneien, den Rosenkranz und andere
Gebete hinzu. Das heilige Sakrament der Beichte sah er als jenen
gnadenreichen Schwemmteich an, bei welchem der lossprechende
Priester die Stelle des Engels vertritt. Er hat sich öfters zu
diesem heilsamen Bade der Gnade begeben. Als er einst seinem
Beichtvater beschwerlich fiel, sagte dieser zu einem anderen, mit
dem er sich in ein Gespräch eingelassen hatte: Was soll ich doch mit
diesem Menschen machen? Ich finde ja nicht einmal eine lässliche
Sünde an ihm… Zeitweise wurde er von Skrupeln gequält. Aber weil er
sowohl demütig als auch gehorsam gegen seinen Seelenführer war, so
hat er sich niemals in diesen verloren. Er genoss vielmehr die
süßeste Gewissensruhe. Lasst uns Gott lieben, sagte er, lieben wir
Ihn als einen Vater, fürchten wir Ihn als einen Herrn. Lasst uns
Kinder, keine Knechte sein… Die Altäre waren sein Trost, sein
Himmel. Wenn er die Heilige Messe las, so schien er sozusagen ein
Priester und eine Hostie mit Jesus Christus zu sein. Es ist leicht
zu erkennen, mit welcher Erbauung die Anwesenden seinem göttlichen
Opfer beigewohnt haben. Nach der Heiligen Messe verbarg er sich
hinter dem Altar, brach in Liebesseufzer aus und verkostete die
Süßigkeit, mit welcher ihn die Gegenwart seines Bräutigams
überströmte. Waren Büßer da, so eilte er in den Beichtstuhl. Er
sprach zu, er weinte, wie Ambrosius den Büßenden vorgeweint hat, um
die Herzen zu erweichen. Er nahm den Gefesselten die Bande der
Sünden ab und schickte sie mit dem Trost eines vollkommen
gereinigten Gewissens von sich. Nachdem er als Beichtvater den
Letzten abgefertigt hatte, so eilte er in seine Zelle und machte
dort den Büßer.
Durch einen solchen Eifer ist
Bonaventura täglich höher in der Vollkommenheit gestiegen. Er nahm
am Leib ab, wie er am Geist täglich zunahm. Die Luft der Insel war
ohnehin nichts für ihn. Seine Mitbrüder fürchteten, ihn zu verlieren
und gaben ihm den wohlmeinenden Rat, sich in eine andere Luft zu
begeben. Aber er konnte nicht beredet werden, seinen Oberen selbst
darum zu bitten. Der Herr weiß alles, sagte er, Gott sieht alles.
Will mich der liebe Gott anderswo haben, so wird Er schon die Oberen
leiten. Befehlen diese mir meine Abreise, so werde ich im Namen
Gottes gehen. So geschah es auch. Er wurde nach Neapel in den
Konvent zur Erscheinung Mariä berufen, wo ihn die Väter begehrt
hatten. Die Bewohner der Insel konnten sich über den Verlust dieses
Schatzes nicht trösten. Sie glaubten, alles mit Bonaventura zu
verlieren. Der Jammer war allgemein, wie bei den Ephesern, als diese
von Paulus Abschied nahmen und ihn ans Meer begleiteten. Sie weinten
wie Kinder, die ihren geliebten Vater verlieren.
Bei seinen Mitbrüdern aber hat er seine
Abreise durch eine Prophezeiung denkwürdig gemacht. Sie standen nach
der Messe um ein Feuer, unterhielten sich in einem geistlichen
Gespräch. Bonaventura aber brach dieses auf einmal ab, wandte sich
dem Vater Thomas de Cereto zu und sagte ihm diese Worte: Liebes
Brüderchen, bringt die Sache eurer Seele in Ordnung. In Punkt zwei
Jahren von jetzt an werdet ihr sterben. Der Mann, welcher ein guter
Geistlicher war, ist über diese Ankündigung des Todes so wenig
erschrocken, dass er vielmehr mit ruhigem Gemüt und ergebenem Herzen
zu diesem Propheten sagte: Was Gott will, das geschehe. Möchtet nur
ihr meine Seele in die Ewigkeit schicken… Und so ist es auch
geschehen. So jung Thomas war, starb er nach zwei Jahren.
VIII. Kapitel
Sein Aufenthalt in beiden Konventen
zu Neapel und
seine Abreise nach Nocera di Pagani
Der erste Schritt in den Konvent zu
Neapel führte den Seligen zu seinem Oberen. Wie dieser in der
Prozessakte aussagt, war Bonaventura ein vollkommener Diener Gottes.
Er brannte vor Begierde, wie er bezeugt, sich zur Ehre des
Allerhöchsten und zum Heil seines Mitmenschen aufzuzehren. Dieses
Ziel zu erreichen war ihm kein Unternehmen zu beschwerlich, keine
Beschwerlichkeit zu groß. Seine Worte waren lauter Salbung, lauter
Feuer. Es entzündete die Herzen, sobald er den Mund öffnete, und
erweckte den Glauben bei allen. Der Vater Johannes Brochetti,
welcher Bonaventuras Beichtvater war, bekennt, dass er kaum einen
Makel an dem Seligen gefunden habe, an welchen er eine lässliche
Sünde hätte erkennen können. Der Vater Grillo konnte sich nicht
genug über die Verdemütigung eines Menschen wundern, der doch mehr
ein Engel als ein Mensch war.
Die Bewohner Ischias, seine alten
bekannten Vertrauten und Beichtkinder besuchten ihn gar fleißig in
Neapel. Sie suchten das Original zu der Kopie auf, welche sie in
ihrem Herzen herumtrugen. Einige klagten dem Seligen ihre Not und
verlangten Trost, einige fragten um Rat. Einige reinigten ihr
Gewissen wieder bei ihm.
Unter anderem kam ein gewisser Andreas
Chiaramonte mit seiner Frau. Sie hatten ihr liebes Kind mitgebracht
und befahlen das kranke Kind mit den ausgesuchtesten Worten
liebender Eltern dem Seligen an. Dieser lächelte, nahm das Kind auf
seinen Arm, liebkoste dasselbe und sagte: Ein liebes, liebes Kind!
Bald wird es in den Himmel abfliegen. Man erwartet es dort. Nach
einigen Tagen starb das Kind.
Der Obere des Konvents kam mit schwerem
Herzen zu dem Seligen und klagte ihm den Diebstahl, welcher die
Sakristei geleert hatte. Bonaventura sprach ihm Mut zu. Er soll nur
auf Gott hoffen, und die Sache werde vielleicht morgen schon an den
Tag kommen. Sie kam an den Tag, da am folgenden Tag ein großer Teil
des geraubten Silbers zurückgegeben wurde.
Am 7. Juni 1701 ist Bonaventura von dem
Konvent von der Erscheinung Mariä, in den Konvent zum Heiligen
Antonius außerhalb der Stadt gekommen. Er ließ dort in seiner
Strenge nicht nach. Er beobachtete das strengste Schweigen und
vergrub sich lebendig in seiner Zelle, die ihm ein Himmel war. Die
Geschwulst an seinem Knie nahm täglich zu. Der Krebs setzte an
diesem an und sein Körper wurde ein lebendiges Marterhaus. Er hätte
nicht länger gelebt, wenn ihm der Herr des Lebens nicht durch eine
besondere Stärke erhalten hätte. Das Opfer war schon zubereitet,
aber es durfte noch nicht geschlachtet werden.
Ein besonderes Liebeswerk! Ein armer
Priester aus Polen kam in den Konvent. Wind, Regen, Wetter und die
Länge der Reise hatten seine Kleider ganz zersetzt. Bonaventura
erblickt kaum den armen Polen, so winkt er ihm. Er führt diesen in
seine Zelle. Er drängt ihm seinen alten, zersetzten Rock ab, gibt
ihm den seinigen, zieht jenen an, mit dem er kaum seine Blöße
bedecken kann, und sagt: Hier muss die Schamhaftigkeit der Liebe
weichen.
Alle Ordensstände wissen, wie viel ihnen
an der Zucht der Novizen gelegen ist, und sie wissen auch, dass
nicht eine jede Hand geschickt zu diesen Pflanzen ist. Es wird ein
Mann erfordert, der Furcht und Liebe zu paaren weiß, der nicht nur
mächtig in Worten ist, sondern der auch selbst mit dem Beispiel
vorangeht. Die Oberen, welche einen Novizenmeister suchten,
verfielen gleich auf Bonaventura. Sie setzten ihr ganzes Vertrauen
auf diesen Mann. Aber wird er auch dieses Amt annehmen? Auf welche
Art wird man ihm diesen Gehorsam vortragen können? Nur dieses
kostete Überlegung, aber keine lange, weil man gleich auf den
Gehorsam selbst, seine Haupttugend, verfiel. Der Pater Provinzial
begab sich mit dem Pater Simone, einem angesehenen Mann, nach
Neapel. Sie ließen Bonaventura zu sich kommen. Sie gaben ihm
Nachricht von dem gefassten Entschluss. Er aber unterließ nichts,
was er mit Bescheidenheit, ohne Verletzung seines Gewissens, zur
Abwendung desselben sagen konnte. Die Oberen erwiderten ganz kurz,
er solle gehorchen. Diese Worte trafen ihn wie einen Donner. Aber
sofort erinnerte er sich nach einer kleinen Betäubung, dass dieser
Donner vom Himmel komme. Kaum hat er das Wort gehorsam gehört, so
ist er schon reisefertig. Er will aufbrechen. Seine Oberen aber
halten ihn noch drei Tage auf; dann geht er nach Nocera di Pagani.
IX. Kapitel
Seine Art, Novizen zu erziehen.
Im Oktober 1703 kam Bonaventura in
Nocera in seinem Weingarten an, damit er diesen pflanzt und baut.
Jedermann hatte die größte Hoffnung auf ihn gesetzt. Alle sagten:
Die Zöglinge werden heilig bei diesem Heiligen sein. Bonaventura
fing dort sein Amt als Novizenmeister an, wo Jesus Sein Lehramt
selbst angefangen hat. Er ging mit seinem Beispiel voran. Er wirkte
zuerst, dann gab er Lehren. Er spürte alle Neigungen seiner Novizen
aus. Er lernte ihre Leidenschaften kennen und spähte alles genau
aus, was sie aus der Welt mit sich in das Kloster gebracht hatten.
Er stellte ihnen dann die Notwendigkeit vor, die Leidenschaften
nicht nur zu bekämpfen, sondern sie auszurotten, und ein neues Leben
zu führen. Er gab ihnen die Mittel an die Hand und machte sich das
Vertrauen, welches er gleich am Anfang gewonnen hatte, ganz zu
Nutzen. Die Novizen offenbarten ihm ihre Wunden mit aller
Aufrichtigkeit. Er wandte alles an, diese zu heilen. In kurzer Zeit
waren sie keine Weltmenschen mehr. Nun sollen sie Geistliche werden.
Er hielt sie zu den Tugenden an. Er
führte sie täglich auf dem Tugendweg weiter, weil auf diesem stehen
zu bleiben eben soviel als zurückzugehen heißt, und weil ein
Ordensmann, der nicht weiter geht, entweder lau oder hoffärtig ist.
Seine Novizen also, diese jungen Adler, mussten sich immer höher zur
Sonne der Vollkommenheit schwingen, der alte Adler aber flog voran.
Der Gehorsam, jene Tugend, welcher der
Lohn eines langen Lebens versprochen ist, welche das Band ganzer
Gemeinden ausmacht, diese Tugend, durch welche sich Bonaventura
besonders ausgezeichnet hat, wünschte er seinen jungen Ordensbrüdern
tief ins Herz zu prägen. Er lehrte sie daher, in den Oberen Gott zu
erkennen, nicht auf ihre Person zu sehen, viel weniger auf ihre
Fehler zu achten, von welchen sie als Menschen nicht frei sein
können, da auch die Sonne ihre Makel hat, sondern ihnen blind zu
folgen, wie wenn Gott geredet hätte. Als einst der Obere des
Konvents Paschalis Roßi in das Noviziat kam, sagte er zu seinen
Novizen: Habt diesen Mann vor Augen. Geht, küsst ihm die Hände.
Nicht nur, weil er der Obere des Konvents ist, sondern weil er bald
der Obere der Provinz sein wird, welches noch im diesen Jahr gegen
alle Vermutung geschehen ist.
Die Novizen sahen, wie ehrerbietig ihr
Lehrer seinem Oberen begegnete. Sie hörten, wie ehrerbietig er von
ihnen redete. Es war so nicht anders möglich, als dass sie sein
Beispiel mitriss, dass sich die Haupttugend des Lehrers auch in den
Jüngern ausdrückte.
Musste er etwas verbessern, so hat er
auf die Quelle geachtet, aus welcher der Fehler entstanden war. Wenn
er strafen musste, so strafte er diesen so, jenen anders. Er ordnete
die Arzneien nach Beschaffenheit der Kranken. Doch hat er stets mehr
auf die Verbesserung des Fehlers als auf die Bestrafung geachtet.
Seine Novizen aber nahmen diese mit Freuden an, weil sie sicher
waren, dass sie nicht von einer bösen Laune, sondern von einer
väterlichen Liebe herkam. Er liebte sie zärtlich wie Kinder, und sie
liebten ihn wie einen Vater. Sie fürchteten ihn aber auch als einen
Mann, der die Sünde auf das Äußerste hasste, in welche sie ihre
Schwachheit jeden ‚Augenblick stürzen konnte. Er war ihnen daher im
Geist allzeit gegenwärtig. Sie verhielten sich in seiner Abwesenheit
nicht anders, als sie sich in seiner Gegenwart aufführten. Allzeit
bei ihnen zu sein, wollte seine Liebe nicht dulden, welche ihn allen
Menschen zugehörig machte. Er predigte die Buße, er nahm die Sünder
auf. Er stand den Sterbenden bei, fing ihre letzten Seufzer auf,
stärkte sie in dem gefährlichen Streit, wo der Versucher wegen der
Kürze der Zeit alle Kunstgriffe anwendet. Er betrachtete selbst,
übte sich in der Buße und ergab sich gänzlich der Liebe, welche ihn
leitete.
In seinen Zöglingen sah er die
zukünftigen Priester und Väter der Menschen. Er gab sich daher viel
Mühe, ihnen Mitleid gegen alle einzuflößen, in ihnen die Begierde
einer Dienstwilligkeit zu allen anzufachen. Niemals aber hat man ihn
bei all seinen Armseligkeiten klagen gehört. Niemals hat er Mitleid
für sich selbst gesucht. Ja er hat nicht einmal zugelassen, dass ihn
seine Novizen bedienten und sein Amt wenigstens etwas erleichterten.
Er ließ sich vielmehr selbst zu ihnen herab. Er war gleichsam einer
von ihnen. Er war sozusagen ihr Mitnovize und behielt nichts für
sich als die Beschwernisse seines Amtes.
Unter den Aposteln befand sich ein
Judas, und wo wird die Herde sein, welche nicht ein räudiges Schaf
unter sich hat? Unter den Novizen befand sich ein Mensch von dem
ungestümsten Charakter, so unehrerbietig gegen seinen Lehrer, dass
er ihm, ich weiß nicht aus welcher geträumten Ursache, einen Krug Öl
auf den Rücken goss. Bonaventura war Herr genug über sich selbst, um
sich nicht beleidigt zu sein. Er wollte diesen jungen Menschen um
eines Fehlers willen nicht auf immer verderben, sondern sagte zu
seiner Besserung dieses kurze Wort: O Sohn, was hast du getan? Das
übrige sagten seine väterlichen, mitleidigen Blicke, welche samt
diesen Worten Mark und Bein des Jünglings durchdrangen und sein Herz
folterten. Er kann der Sanftmut seines Lehrers nicht widerstehen. Er
fällt vor ihm nieder, er leistet ihm Abbitte. Er trägt jetzt die
größte Hochschätzung gegen seinen Novizenmeister, hält Ohren und
Herz für seine heilsamen Ermahnungen bereit, folgt seinem Willen,
kommt seinen Winken zuvor und lernt durch diesen Gehorsam gegen
seinen Novizenmeister die Unterwerfung für sein ganzes Leben.
Ein gewisser Frater, Archangelus Rossi,
der das Kleid, aber nicht die Demut des demütigen Franziskus
angezogen hatte, begegnete seinem Onkel, der Oberer zu Nocera war,
mit geringer Hochachtung, dem er sie doch doppelt schuldig war. Er
widersprach ihm bissig und wollte sich auch nicht bessern lassen.
Die Väter wurden einig, diesen Starrkopf in das Noviziat
zurückzuführen, dort seinen Nacken zu beugen. Bonaventura nimmt den
Unartigen mit brüderlicher Liebe auf. Er nimmt den schmeichelnden
Ton der Freundschaft an, um sein Gemüt zu gewinnen, aber alles
umsonst. Der Aufgebrachte fährt in dem Ton der Beleidigung fort.
Bonaventura lässt ihn in seine Zelle kommen. Da fällt er vor dem
Aufgebrachten nieder, hebt die Hände gefaltet auf und leistet ihm
Abbitte, als wenn er selber der Beleidiger wäre, als wenn er selber
ihm Gelegenheit gegeben hätte, jene Schmähungen auszustoßen. Der
Frater wird bei diesem Augenblick gerührt. Der Nebel verschwindet
vor seinen Augen, er geht in sich, bessert sich und tilgt das
gegebene Ärgernis durch eine erbauliche Unterwürfigkeit und
geschwinden Gehorsam. So hat die Demut des Seligen die Gemüter
besiegt, welche die Sanftmut nicht hat überwinden können. Von dieser
seiner Demut sagte ein Novize, ihr Lehrer setze sich unter alle
hinab. Er wolle immer der Letzte, der Geringste sein und ziehe sogar
die Novizen seiner eigenen Person vor.
Einer von den Novizen, welcher die Höhe
seiner Tugenden nicht genug bewundern konnte, der den Umgang seines
Meisters suchte, wo er nur konnte, traf ihn einst wie von einem
himmlischen Licht umgeben an. Er sah sein Angesicht wie das
Angesicht eines Engels glänzen und sagte zu ihm: Mein Vater, welcher
Glanz umgibt euch doch, der Glanz eines himmlischen Lichtes. Eure
Gegenwart ist mein einziger Trost. Ich muss euch nur reden hören, so
wird mein Herz aufgemuntert. Es verschwinden alle Ängste.
Bonaventura hört seinen Schüler. Er wird darüber verwirret,
erblasst, sagt kein Wort und kehrt betrübt in seine Zelle zurück.
Ein Anderer von seinen Novizen bekannte, dass er seinen Vorgesetzten
öfters in der Entzückung gesehen habe, so erhaben, dass er kaum mit
einem Punkt die Erde berührte, so glänzend, dass jener Glanz mit
keinen irdischen Strahlen zu vergleichen sei. Welche Gewalt mussten
die Worte eines solchen Novizenmeisters über die Herzen seiner
Untergebenen haben? Wie ziehend müssen die Beispiele eines solchen
Mannes für junge Leute gewesen sein?
X. Kapitel
Fortsetzung des vorigen.
Mein Sohn, habe Acht auf die Zeit,
spricht der Sohn Syrachs… der sehrgeringe Teil der flüchtigen Zeit
ist ein Preis, für welchen man die Ewigkeit einhandelt, sind die
Worte des hl. Hieronymus. Bonaventura ist in Hinblick auf die Zeit
der genaueste Haushalter gewesen. Vier Stunden gab er richtig dem
Geist, die übrige Zeit brachte er mit der Unterweisung seiner
Lehrlinge und im Dienst der Gemeinde zu. Alle Tage erklärte er den
Novizen eine Stunde hindurch ihre Ordenssatzungen und die
Kirchengebräuche. Immer waren seine Gespräche so gewürzt, dass sie
die innerste Empfindung zur Tugend erweckten. Redete er von dem
verborgenen Leben, so redete er als ein Meister, den man nicht genug
bewundern konnte. Er redete so, dass er die Gemüter mit sich
fortriss oder sie mit Reue zurückließ, weil sie ihm nicht nachfolgen
konnten. Wenn ihn jene hörten, die einen widersprechenden Geist
hatten, so gaben sie ihm nach, traten seinen Grundsätzen bei,
Grundsätzen, die er aus der reinsten Quelle der Heiligen Schrift und
aus den Heiligen Vätern geschöpft hat, die weit von jenen
Grundsätzen entfernt sind, welche die Gefallsucht erfunden und
ausgebreitet hat. Die kalt zu ihm gekommen sind, gingen mit feurigen
Herzen von ihm weg, und die Lauen, welche der Mund Gottes schon
ausspeien wollte, wurden von ihm wieder angezündet. Seine Novizen
wurden mit guten Lehren wie ein Schwamm mit Balsam angefüllt. Gleich
wie dieser, seinen kostbaren Saft fließen lässt, sobald er gedrückt
wird, so gaben diese zu jeder Gelegenheit eine Probe der Tugend von
sich.
Es verging kein Tag, wo nicht
Bonaventura seinen jungen Ordensbrüdern etwas aus dem Leben der
Heiligen vorlas. Er zeigte ihnen das Nachzuahmende in diesen
Geschichten auf und führte sie gleichsam mit einer unwidersetzlichen
Beredsamkeit in die Fußstapfen der Heiligen. Er selbst konnte bei
seinem Zuspruch die himmlischen Empfindungen und den Antrieb zu
ihrer Nachfolge nicht bergen. So gewöhnte er seine jungen
Ordensbrüder, nützlich zu lesen, nach dem Lesen eine Anwendung auf
sich selbst zu machen und dasjenige in ihr Leben einzuführen, was an
den Heiligen unsere Nachahmung verdient.
Eine Stunde hat er verwendet, um seine
Novizen das Betrachten zu lehren. Heilsame Beschäftigung! Er lehrte
sie eine Zeit lang, den Verstand in Erkenntnis der Wahrheit zu üben
und hernach den Willen zur Ausübung des Guten zu entflammen. Er
betrachtete selbst mit ihnen. Er legte ihnen ein bestimmtes Material
vor, führte diese mit ihnen aus, kaute ihnen gleichsam die Speise
und ließ nicht nach, bis sie in dieser Kunst vollkommen unterwiesen
waren. Er dachte wohl, dass dieses das einzige Mittel ist, den
Ordensmann zu einem Geistlichen zu machen, und ihn nicht nur gegen
alle Anfälle der Sünde zu schützen, sondern sie auch zur Tugend zu
entflammen. Einst kam er auf den Gedanken, von der Ungewissheit des
Todes zu reden. Er redete eindringlich davon. Seine Novizen waren
gerührt, und gewiss muss es ein zu Herzen gehender Anblick gewesen
sein, wie sich einer nach dem anderen von ihnen bei ihrem Lehrer
nach seiner Sterbestunde erkundigte. Frater Bonaventura Casela war
der Erste, und Bonaventura antwortete ihm kurz: Du wirst sterben,
bevor du zu den Heiligen Weihen gelangst… Und ich, Pater
Novizenmeister?, fragte Frater Eugen de Pescopagno. In der Blüte
deiner Jugend wirst du sterben, hat ihm der Selige anvertraut…
Während die Ersteren sich mit den fürchterlichen Gedanken des Todes
beschäftigten, fragte der Dritte, Joseph von Sapponara: Was wird mit
mir werden? Priester wirst du zwar werden, war die Antwort für ihn,
aber du wirst gleich hernach in die Ewigkeit gehen… Jetzt traute
sich keiner mehr, noch zu fragen. Es drängten sich zwei auf einmal
zu ihm hin, Joseph von Picinello und Bonaventura von Karosalo, und
fragten zugleich mit etwas schweren Herzen nach ihrem Ende. Dem
Ersten sagte er: Du wirst nicht nur jung sterben, sondern an einer
schmerzhaften Wassersucht wirst du sterben. Dem Anderen aber gab er
die Information, es seien für ihn nur noch wenige Jahre übrig, dann
werde auch ihn das Grab verschlingen. Jetzt waren Thomas Albanese
und Paulus Maßastro noch übrig. Aber sie wollen an dem Propheten ihr
Glück nicht versuchen. Alles traf ein. Die guten Novizen starben,
wie er ihnen vorgesagt hat.
Von dem Leiden Jesu Christi hat er so
zärtlich, so rührend, mit so angemessenen Ausdrücken gesprochen,
dass sich seine Novizen der Tränen nicht halten konnten. Sie sahen
ihren Lehrer zuerst in diesen zerfließen. Er glühte bei seiner
Erzählung vom Liebesfeuer. Seine Augen gaben einen Schimmer von
sich. Er wurde von der Erde erhoben und schmachtete in einer
heiligen Liebesohnmacht.
Hatten seine Novizen einen Kommuniontag,
so tat er alles, um diese durch die demütige Erkenntnis ihrer
selbst, durch die genaueste Prüfung ihres Herzens, durch die
inbrünstigste Begierde, durch den lebhaftesten Glauben, durch
Hoffnung und Liebe auf diesen Engeltisch vorzubereiten.
Zu Maria, der seligsten Gottesgebärerin,
hat er ihnen das zärtlichste Vertrauen, die reinste Andacht
eingepflanzt. Die letzte Stunde hat Bonaventura mit seinen Novizen
in einer geistlichen Übung zugebracht, welche er die Kunst, gut zu
leben und gut zu sterben genannt hat. Er streckte sich gleich einem
Toten auf die Erde hin, schloss die Augen, und mehr, als die Augen
zu schließen, war nicht nötig bei ihm, um eine Leiche darzustellen.
Die Novizen mussten um ihn herumstehen und die Tagzeit für die Toten
hersagen. Nach dieser heilsamen Handlung entließ er sie mit dem
Gedanken, ob sie morgen noch leben würden, in die Ruhe. Einen von
den Novizen nahm er mit sich in die Zelle und brachte einen
ziemlichen Teil der Nacht in himmlischen Gesprächen zu.
Der sagt die Wahrheit, der das
Noviziatshaus des Bonaventura eine Eremitage, ein Paradies der Engel
nennt. Freilich sagt man, dass die Jugend Ergötzlichkeiten zur
Erholung haben müsse und dass der Geist einem Erdboden ähnlich sei,
welcher Ruhe nötig hat, um desto bessere Früchte zu tragen. Aber da
wurde nichts von zerstreuenden Ergötzungen gesprochen. Die Jugend
selbst suchte keine Freude, weil sie ihren Lehrer immer im Geist
vertieft sah. Sie dachte unter seiner Führung nur an das Ewige.
Geschah es, dass Bonaventura seine Novizen außerhalb des Klosters
führte, und dies geschah sehr selten, so stellte er ihnen zuvor
ihren heiligen Vater vor, welcher bei stillschweigendem Mund durch
seine Eingezogenheit auf den Straßen gepredigt hat. Er lehrt sie,
alle Handlungen Gott aufzuopfern, die gleichgültigen, auch
geringsten Werke durch die gute Meinung verdienstlich zu machen.
Ihre Gespräche mussten von Gott sein und, wenn sie einen einsamen
Weg antrafen, so schafften sie die Steine und, was den Reisenden zum
Hindernis war, auf die Seite, um sich allzeit im Guten zu üben.
Ich muss es gestehen, alles dieses war
hart, sehr hart, besonders für junge Menschen, die aus der Welt
kamen. Aber sie hatten einen Bonaventura zum Novizenmeister, einen
Mann, der nichts als die Ehre Gottes und das Heil ihrer Seelen
suchte, der sie mit einem himmlischen Feuer entflammte, der ihnen
nichts befahl, was er nicht selbst getan hat, der mit seinem
Beispiel allzeit voran ging und gleichsam das Licht war, welches
ihnen auf dem Weg der Vollkommenheit vorausgeleuchtet hat. Sie
dachten nur, seine Nachfolger zu sein, wie er ein Nachfolger Christi
war. Er befahl ihnen, sie sollen sich abtöten, und sie wussten, wie
er mit sich selbst umgeht. Will er, dass sie sich geißeln, so sehen
sie das Blut an den Wänden seiner Zelle. Fällt ihnen das viele Knien
schwer, so kniet ihr Lehrer selbst bei ihnen, dessen Knie mit einer
fürchterlichen Geschwulst überzogen ist. Sie wussten, dass sein Leib
gleichsam mit Wunden übersät war, und doch mergelt er noch mehr mit
Fasten aus. Er eilte zu den Kranken hin. Er ging dem Kirchenwärter
an die Hand. Die Unterrichtung der Armen, der Beichtstuhl, alle
Liebesdienste waren ihm angelegen. Und auch dieses wussten sie, dass
ihr Lehrer nach allem diesen keine andere Ruhe genießt, als dass er
die Nacht durchwacht. Neben diesem erkannte Bonaventura ihre
Neigungen. Er sah ihnen in das Herz. Er sagte ihnen vor, was sich in
der Zukunft mit ihnen zutragen würde, so dass es kein Wunder war,
wenn sie ihren Lehrmeister zärtlich liebten und nicht nur mit
möglichster Sorgfalt seine Befehle vollzogen, sondern auch nach
seinen Ratschlägen lebten, dass sie nicht nur in seiner Gegenwart
fromme Kinder waren, sondern auch in seiner Abwesenheit sich in der
Tugend übten. Glückselige Lehrer, welche dieses von ihren
Lehrjüngern erhalten!
Der Kardinal Vallemani, Protector des
Ordens, hatte dem Fr. Franz Maria Tolbe einige Reliquien in einem
Kästchen geschickt. Dieser misstrauische Novize war nicht zufrieden,
den heiligen Schatz, jene kostbaren Überbleibsel der Heiligen Gottes
in Händen zu haben. Damit sie seinem Novizenmeister nicht zu Gesicht
kamen, versteckte er dieselben. Bonaventura sagte ihm einst, er möge
die Reliquien in das Kästchen zurücklegen, aus welchem er diese
genommen und verborgen hätte. Ich?, sagte Fr. Franz. Da brauchst du
nicht leugnen, fuhr Bonaventura fort, bring die Reliquien in ihren
Ort, wohin sie gehören.
Ein anderes Mal ging er mit seinen
lieben Novizen im Garten Da erblickte Bonaventura einen jungen
gesunden Mann, der kaum die Ordensgelübde abgelegt hatte. Gerührt
vom Mitleid wegen der Jugend dieses Geistlichen sagte er mit
wehmütiger Stimme: Ach, er wird bald sterben und nicht einmal zum
Priestertum gelangen. Die Weissagung ist eingetroffen.
Pater Simeone überbrachte dem
Bonaventura einen Gruß von Pater Gagliani. Ich weiß nicht,
antwortete Bonaventura, warum mich dieser Mann doch immer grüßen
lässt. Wir kennen einander von Ischia her und dort sagte ich ihm
einst, er werde Bischof werden. Der gute Mann wird mich durch seinen
Gruß an meine Aussage erinnern wollen. Schreibt ihm nur, es werde
geschehen, was ich gesagt habe. Das sagte er im Jahr 1707, da er
noch in Nocera war, und im Jahr 1713, zwei Jahre nach dem seligen
Hinscheiden Bonaventuras ist Gagliani Bischof von Umbrien geworden.
XI. Kapitel
Er kommt nach Neapel,
dient in einer ansteckenden Krankheit und
mildert aus Gehorsam die Strenge gegen sich selbst.
In der Stadt del Vomere, welche
außerhalb Neapel auf einem Berg liegt, brach eine ansteckende
Krankheit aus, und was das Beklagenswerteste dabei war, dass die
Furcht vor dem Tod auch die Priester zerstreute. Niemand hatte das
Herz, ein Beichtkind anzuhören oder den Sterbenden das Brot des
Lebens zu reichen. Die Seelen befanden sich in keiner geringeren
Gefahr als die Leiber.
In diesen armseligen Zeiten hat die
göttliche Vorsehung, welche immer über die Menschen wacht, den
Seligen Bonaventura von Nocera nach Neapel in den Konvent zum
Heiligen Geist berufen. Er freute sich darüber, dass ihm das Amt als
Novizenmeister abgenommen wurde, mehr als ein Mensch, dem man die
beschwerlichste Last abnimmt. Eben so sehr freute sich dieser
apostolische Arbeiter auf die neu angewiesene Ernte, seinem Nächsten
in der ausgebrochenen Krankheit zu dienen und seine Seele für die
Schäflein Jesu auszusetzen. Er gab sich eilends zu dem Ort der
Ansteckung. Er wanderte täglich durch alle Gassen, deren Anblick
schauerlich eine traurige Einsamkeit vermittelte. Er ging in alle
Häuser durch den tödlichen Odem hinein. Er setzte sich zu den
Kranken. Er beklagte ihr Elend. Er jammerte mit ihnen. Er gewann
ihre Herzen. Er lenkte ihre Gespräche auf das Ewige. Er füllte sie
mit der ernsthaftesten Reue wegen der verflossenen Lebensjahre. Er
hörte sie Beichte. Er stärkte sie gegen alle Anfälle der
Seelenfeinde. Er scheute sich nicht, die ansteckenden Seufzer zu
sammeln, die aus der Brust der so Sterbenden kommen, um die Lebenden
zu töten. Er rannte von einer Gasse in die andere, von diesem Haus
in jenem. Er schonte sich keinen Augenblick, um keine Seele zu
verlieren. Er war den ganzen Tag im Schweiß, im Gift, und opferte
sein Leben so vielmal der Liebe auf, wie er sich in eine neue Gefahr
begab. Kam er zu einem Kranken, der am zeitlichen Leben klebte, der
nicht auf seine verflossenen Jahre zurücksah oder vielleicht darum
zu sterben fürchtete, weil ihn die Ankunft des Richters erschreckte,
so gab Bonaventura so lang nicht nach, bis er die Haushaltung seiner
Seele in Ordnung gebracht hatte. Wenn er den Unseligen mit Worten
nicht bekehren konnte, so trachtete er, ihn mit seinen Seufzern, mit
Tränen zu erweichen. Er ging ihm nicht von der Seite, bis seine
Seele gesund war. Dann freute sich der Arzt.
Bonaventura trug immer ein Fläschchen
Öl, welches er aus der Ampel, die vor dem Bildnis des hl. Antonius
brannte, geschöpft hat, bei sich. Mit diesem Öl hat er große
Wunderkuren gemacht. Die Verherrlichung des Namen Gottes war dabei
seine einzige Absicht.
Wie die Prozessakte seiner
Seligsprechung bekennt, so hat er sich während dieses seines
Aufenthaltes in Neapel in den größten Werken der Liebe und Andacht
geübt. Da stieg der Geist Gottes öfters über ihn herab, beraubte ihn
seiner Sinne und erhob ihn von der Erde. Da war er beständig in dem
Feuer der tiefsinnigsten Betrachtungen. Wenn er redete, so waren
seine Gespräche nichts als Salbung und Geist.
Der Vater Nikolaus Sirletti kam von dem
Konvent in Assisi, welches das Heilige genannt wird, weil es die
Gebeine des hl. Vaters Franziskus aufbewahrt. Kaum hörte
Bonaventura, dass sich ein Gast von Assisi im Kloster befindet, so
wallte sein Herz. Er suchte den Fremden in aller Eile auf. Er bittet
ihn, er möge ihm doch etwas von dem Heiligtum in Assisi erzählen.
Kaum fängt dieser an, kaum hört Bonaventura von seinem hl. Vater
reden, so erblasst er. Dann wird er rot wie ein Feuer. Der Schweiß
dringt häufig hervor. Er wird entzückt. Er erholt sich wieder und
bricht in Tränen, in Seufzer aus, so dass Sirletti selbst sich der
Tränen nicht enthalten kann. Kaum hatten die Bewohner von Ischia
vernommen, dass ihr Geliebter, der ihnen ins Herz gewachsene
Bonaventura in Neapel wohnt, so eilten sie dahin. Sie suchten ihn
sehnsüchtig auf, warfen sich wie Kinder in seine Arme. Er war der
Arzt, der ihnen aufgeholfen hatte, dem sie ihr ganzes Zutrauen
schenkten. Für ihn hatten sie kein Geheimnis. Herz und Mund redeten,
und schon der Anblick seines Angesichtes war ihnen eine Arznei.
Unter anderem kam Michael Garafalo, ein
Geistlicher, zu ihm. Sie gingen miteinander durch die Stadt. Ein
Armer nahte sich und sprach den Geistlichen im Namen Gottes um ein
Almosen an. Bonaventura hat der Anblick dieses Armen, der ihm ärmer
schien als er selber, die Tränen aus den Augen getrieben. Sein
Begleiter aber gab dem Armen einen derben Stoß. Bonaventura war
verdattert. Er zitterte am ganzen Leib. Es brach ihm der
Angstschweiß aus, seine Brust hob sich gewaltig. Der ganze Körper
schwoll an. Ja es kam so weit, dass es schien, seine mitleidige
Seele wolle ihre Hütte verlassen und in eine bessere Welt ziehen.
Als dies der Geistliche sah, ruft er den Armen, welcher sich mit
Tränen in den Augen entfernt hatte, zurück und gab ihm ein Almosen.
Jetzt erholte sich Bonaventura. Die Geschwulst nahm ab, die
Heiterkeit kehrte in sein Angesicht zurück. Es war ihm wieder wohl,
nachdem dem Armen geholfen worden ist So heftig war die Liebe,
welche er gegen die Armen trug, gegen diese Familie des armen Jesu.
Der Obere gab ihm Geld, welches er dem
Klosterökonom aushändigen sollte. Jetzt stellte sich Bonaventura
wieder alle Betrügereien, List, Eidschwüre und Ungerechtigkeiten
vor, welche die Geldsucht jemals veranlasst hat. Die Verräterei des
Judas marterte sein Herz. Er glaubte, an der Münze eine Natter zu
erblicken, welche das ganze Menschengschlecht mit ihrem Gift
ansteckt. Die Geldgierigsten sehnen sich nicht so, neue Schätze zu
erlangen, als sich Bonaventura sehnte, sein Geld los zu werden. Die
Zeit, welche ihm sonst immer zu schnell verflog, schien ihm jetzt
eine Ewigkeit; denn Bicilliere, der Ökonom, war ausgegangen. Als er
diesen endlich von der Ferne kommen sieht, ruft er schon: O Gott,
wann kommt ihr doch auch! Der gute Ökonom meint Wunders, was ihm
begegnet sei. Er eilt zu ihm hin und empfängt von ihm die Münze.
Stehe still und bete an diesem Ort, bis
ich dir etwas zu tun bringe, sagte der Abt Antonius zu seinem
Schüler Paulus. Acht Tage lang hat sich der Gehorsame nicht vom
Platz bewegt. Er blieb stehen, ohne zu essen und zu trinken, unter
der brennenden Sonne. Scheint dieses eine Torheit, wem es wolle, dem
hl. Antonius schienen es ein Schauspiel des Gehorsams, der Abtötung,
der Verwunderung zu sein. Es ist wahr, Paulus hat das Gesetz der
einfachen Tugend übertreten, aber eine Tugend von einer ganz anderen
Ordnung ausgeübt, welche um so erhabener und göttlicher ist, als sie
sich von der einfachen unterscheidet. Dergleichen Schauspiele konnte
man Bonaventura öfters erleben. Er begleitete seinen Oberen in
Neapel. Da aber dieser mit einem Freund allein zu sprechen hatte,
befahl er dem Seligen, zurückzubleiben und ihn dort zu erwarten.
Bonaventura stand wie Paulus still, bewegte sich den ganzen Tag
nicht vom Platz. Der Obere vergaß ihn und kam alleine nach Haus.
Erst am Abend erinnerte er sich des Abwesenden. Er schickte zu dem
Ort, und da findet man den Diener Gottes wie ein Denkmal des
Gehorsams stehen.
Bonaventura eiferte jenen Büßern nach,
von welchen Johannes Klimacus schreibt, dass sie ihren Leib nicht so
viel abgetötet als abgemartert, dass sie diesen nicht so sehr
gegeißelt als zerrissen haben. Er eiferte jenen Büßern nach, von
welchen Gregorius von Nazianz erzählt, dass sie sich mit eisernen
Ketten beschwerten, durch anhaltendes Fasten abzehrten und sich in
so strengen Bußwerken übten, welche uns unglaublich erscheinen
würden, wenn wir sie nicht von einem Gregorius erzählen hörten.
Bonaventura, sage ich, eiferte diesen nach und schien sich bei allem
seinem Eifer noch kalt. Alle Bußwerke kamen ihm zu gering vor. Er
würde von Tag zu Tag in der Schärfe gegen sich selbst weiter
gegangen sein, wenn der Obere nicht eingegriffen hätte. Mein Sohn,
sagte ihm dieser, mäßige deine Strenge. Wann du dich aber peinigen
willst, so peinige dich so, dass du dich noch länger peinigen
kannst. Übertriebene Bußwerke würden dir das Leben samt der Buße
abkürzen. Du weißt, dass der Gehorsam dem Opfer vorgeht. Lasse somit
nach und opfere deinen heiligen Eifer dem Gehorsam auf, der dir noch
größere Verdienste bringen wird. In der Tat, was wollte sich
Bonaventura noch länger quälen. Die Wunden hatten ohnehin an seinem
Körper überhand genommen. Die Geschwulst, der ihn schon so lange an
dem Knie belästigte, war so fürchterlich angewachsen, dass man
besorgt war, er könnte den Fuß verlieren. Alle jammerten
seinetwegen. Er aber gab kein Zeichen des Schmerzes von sich. Er
schwieg wie ein Lamm, trug die Last seines Kreuzes, ohne den Mund zu
einer Klage zu öffnen. Er kroch einfachen Hausarbeiten nach,
verrichtete diese solange, bis er nicht mehr konnte. Die Entzündung
an seinem Fuß und andere Gebrechen hielten ihn endlich im Bett. Der
Arzt wurde gerufen. Bonaventura übergab ihm seinen Leib, nach
Belieben mit ihm zu verfahren. Heldenmütig übergab er sich dem
Willen seines lieben Gottes und küsste ihm die väterliche Hand für
die große Gnade, mit Jesus leben zu können. Sein Trost, seine Freude
nahmen mit den Schmerzen zu. Je mehr Bonaventura aus dem
Leidensbecher trinken konnte, umso glücklicher hat er sich geschätzt
Jetzt, sagte er, jetzt tut mir mein Gott Gutes. Er streckt Seine
väterliche Hand gegen mich aus und reinigt mich… O Sein Name, der
sei gebenedeit, tausendmal gebenedeit.
XII. Kapitel
Seine schmerzhafte Krankheit,
sein Tun und Verhalten nach der Genesung.
Gleichwie die Liebe gegen den Diener
Gottes allgemein war, so herrscht auch eine allgemeine Bekümmernis
in den Gemütern wegen der Gefahr, die ihm drohte. Franz Navaretta,
ein königlicher Rat zu Neapel, der sich des Bonaventura zum
Seelenführer bediente und in dem Konvent zum Heiligen Geist seine
Wohnung hatte, nahm sich des Kranken besonders an. Er schickte für
ihn nach einen Wundarzt, Franz Boglione, den geschicktesten Mann. Er
Arzt kommt. Er findet, dass die äußerste Gefahr die äußersten Mittel
erfordert. Feuer und Eisen werden zubereitet. Allerlei Stech- und
Schneidzeug liegen um dem Bett des Kranken herum. Niemand konnte
dieses ohne Rührung ansehen. Jedermann erhob die gefalteten Hände
zum Himmel und fleht um die Gnade der Geduld für diesen Märtyrer.
Alle hatten den Mut verloren, nur Bonaventura nicht, so dass es
schien, dass der Leib, welcher geschnitten und gebrannt werden
sollte. nicht ihm gehört. Der Wundarzt macht auch wirklich den
Anfang durch einen Hauptschnitt an dem aufgeschwollenen, vom Krebs
angefressenen Knie. Es folgten viele Nebenschnitte. Das Knie wurde
bis auf das Bein aufgeschnitten. Es wurden danach gleichsam feurige
Pflaster aufgelegt. Bonaventura, dieses Lamm auf der Schlachtbank,
rührte sich so wenig, dass man nicht wissen konnte, ob ihn die
Heftigkeit des Schmerzes unempfindlich gemacht hat oder ob er in
einer süßen Ohnmacht da liegt. Jesu – Maria – dieses waren die
heiligsten Namen, die er zeitweise hören ließ, aber so gelassen und
anmutig aussprach, dass jedermann merkte, nicht der Schmerz habe ihm
diese abgerungen, sondern sie seien Früchte seiner Andacht. Die bei
der Operation anesend waren, gingen mit Erstaunen aus seiner Zelle.
Wer hätte sich nicht entsetzt?, sagten sie untereinander. Feuer und
Eisen waren da, und sein Gesicht ist nicht einmal erbleicht? Wo nahm
er doch den Heldenmut her? O Gott, was kann doch ein Herz, welches
aus Liebe zu Dir leidet? Wie süß ist einem Menschen das Leiden, der
sich Dir ergibt? Jetzt verstehen wir, wie wenig Feuer und Schwert,
wie wenig alle Peinigungen im Stande sind, jene von Gott zu trennen,
die Gott von ganzem Herzen lieben. O dass auch wir so liebten, so
brennten!
Bereitwillig, wie Isaak von dem Arm
seines Vaters, erwartet Bonaventura den letzten Streich von seiner
Krankheit. Aber Gott will ihn noch länger als ein lebendiges Opfer
haben. Er nimmt daher die Gefahr hinweg und lässt ihm die Schmerzen
bis an das Ende des Lebens. Denn der Fuß war von den Wunden
immerfort durchlöchert und von den Beulen aufgeschwollen.
Bonaventura lebt nunmehr wieder für
seinen Mitmenschen. Sein voriger Eifer beseelt ihn wieder und trägt
gleichsam den Schwachen zu den Bettstätte der Kranken hin. Diese
stärkt er gegen die Versuchungen. Er festigt sie in der Geduld. Er
bereitet sie zum letzten bedenklichsten Augenblick. Er schickt ihre
Seelen in die Ewigkeit. Er nimmt die Sünder auf ein Neues in seine
väterlichen Arme auf. Er führt sie in das Innerste ihres Gewissens,
beichtet sozusagen für diese, reinigt sie mit dem Blut des Lammes,
bewaffnet sie gegen das Gräuel des Rückfalls in die Sünde. Die
Unwissenden haben an ihm wieder einen Lehrmeister. Er bricht ihnen
das Brot der christlichen Lehre und macht aus den rohesten Mensche
die besten Christen.
Barttholomäus Persiko, ein Arzt, fragte
ihn einst, wie er sich befinde. Gut, gab ihm Bonaventura zur
Antwort, es könnte nicht besser mit mir stehen, nur eines aber, ich
kann die Stiege nicht steigen. Als Persiko fort war, fiel es dem
Seligen ein, er habe nicht recht gesagt. Er ruft den Arzt zurück und
sagt, er habe ihm zwar gesagt, er könne die Stiege nicht steigen. Es
sei dem aber nicht so, er könne sie schon steigen, aber mit harter
Mühe. So hat er den Schatten einer Sünde gescheut.
Sebastian de alteris, ein Wundarzt, der
ihm auf seinem Krankenlager viel gedient hatte, befahl sich in sein
Gebet. Bonaventura versprach, Zeit seines Lebens für ihn zu beten.
Aber auch dieses hat ihn etwas ängstlich gemacht. Er sagte daher zu
seinem Wohltäter, er wolle zwar Zeit seines Lebens für ihn beten,
aber nur so viel er könne und wann er könne. Ob er damit zufrieden
sei. Welche Grundsätze doch die Heiligen nicht haben? Dort, sagte
der große Gregorius, suchen sie Sünden, wo keine sind. Unerdessen
will der Weichling noch mit Gott rechten, ob er sich Seinem Gesetze
unterwerfen solle.
Hat man ihm wegen seiner Liebesdienste,
die er den Kranken erwiesen hat, gelobt, so sagte er, dass er den
Kranken wenig tue. Unter dem Kranken aber verstand Bonaventura
seinen Körper, den er wahrhaftig einen Kranken nennen konnte,
welchen er gleichsam dreizehn Jahre hindurch auf dem Rücken
nachgeschleift hat.
Einem Ordensgeistlichen gab er den Rat,
mit den äußerlichen Bußwerken mäßig und bescheiden zu sein. Gott
verlange durch seinen Apostel ein lebendiges und kein
geschlachtetes Opfer von uns. Man solle vielmehr wachen und sorgen,
die innerlichen Neigungen zu überwinden. In der Überwindung seiner
selbst, nicht in den Geißeln und Bußgürteln bestehe die
Vollkommenheit. Es sei zwar wahr, dass die äußerlichen Bußübungen
vieles zum Besten des Geistes beitragen, die Heiligkeit aber sei die
Tochter einer vollkommenen Meisterschaft über die Leidenschaften.
Auch er habe sich in der Jugend der äußerlichen Strenge bedient,
aber jetzt, da er bei Jahren sei, mache er einen geringen Gebrauch
von dieser. Dieses war sein Urteil, welches er über die Bußwerke des
Leibes gefällt hat. Man weiß von ihm, dass er seinen Leib als seinen
größten Feind angesehen hat, dass er diesen mit Wasser und Brot in
sieben Novenen und drei Tagen jeder Woche ausgemergelt hat, dass er
seine Lenden in ein Cilicium eingehüllt hat, dass er seinen Rücken
alle Nächte mit der Geißel durchfurcht hat, dass er gewacht hat,
dass er alles getan hat, was ihm nur immer beschwerliche ankam. Wenn
er in seinem Alter (denn obschon er damals seine Strenge gemäßigt
hat, so war er sich doch noch immer der strenge Bonaventura), wenn
er in seinem Alter dergleichen Abtötungen für nichts gehalten hat,
welche Strenge lässt sich dann von seiner Jugend vermuten?
Ein Blutsfreund hatte, um ihn zu
besuchen, einen weiten Weg gemacht. Er wird dem Seligen angemeldet,
aber dieser will gleich seinem göttlichen Lehrer von keiner
Blutsfreundschaft wissen. Er will Gott allein angehören. Er ist
nicht zu bereden, den Vetter vor zu lassen, aus Furcht, er könne dem
Blut zu viel geben und doch mehr von dem Geist verlieren. Sein
Oberer aber will es, und jetzt findet der Gehorsame keine
Entschuldigung mehr. Er erscheint bei seinem Vetter, aber ohne
Sprache, gleichsam ohne Augen, ohne Leben, so dass man nicht sagen
konnte, ob das Blut mehr durch ihn sei beschämt worden oder ob
Bonaventura seiner Sinne beraubt in einer Entzückung da gestanden
sei. So war Adam in ihm gestorben, und so lebte Christus in ihm.
XIII. Kapitel
Eine besondere Entzückung,
Weissagung,
und der Aufenthalt des Dieners Gottes in Ravello.
Dreißig Jahre waren verflossen, seitdem
Vater Dominikus a muro, der Geistlehrer des Bonaventura, das
Zeitliche verlassen hat. Ravello war der Ort, welchen dieser Diener
Gottes im Geist als den Ort vorhergesehen und vorhergesagt hat, wo
ihm sein Schüler Bonaventura in die Ewigkeit nachfolgen sollte. Von
diesem Augenblick an hat sich dieser nach Ravello wie die Israeliten
nach dem gelobten Land gesehnt, und seinen Aufenthalt in allen
anderen Konventen hat er nicht anders betrachtet als wie die
Israeliten ihren Umzug in der Einöde. In dem Jahr 1710 ist seine
Begierde endlich befriedigt worden. Joseph Maria Perimezzi aus dem
Orden der Mindesten Brüder, ein besonderer Freund der Konventualen,
war damals Vorsteher der Kirche Ravello. Dieser samt seiner
untergebenen Herde hielt um Bonaventura an. Der Vater Cennamo,
Kommissarius des Generals, zu welchem Amt er laut der Vorhersagung
des Bonaventura erwählt worden ist, erinnert sich, wie der Diener
des Herrn auf Ischia, in Nocera und Neapel öfters gesagt hat,
Ravello werde der Ort seines Hinscheidens sein. Er schickt ihn so an
diesen Ort. Kaum hat Bonaventura seinen Befehl vernommen, so
frohlockt sein Herz. Von seinem Angesicht gehen Strahlen aus. Ich
gehe, sagte er, ich gehe, aber – o es soll nicht zu meiner Ehre
gereichen! Ich würde beten, eher zu sterben, als dorthin zu
gelangen. Als er dieses gesagt hatte, wurde er über eine Spanne (ca.
20 cm) erhoben. Kaum aber hörte er das Wort gehorsam aus dem Mund
des Oberen, so kehrte er zu sich zurück. Der Obere sagte, er wolle
ihn zum Stifter des Konvents in Ravello machen. Bonaventura
erschrickt darüber. Er wird bleich, zittert, er seufzt und sagt, er
sei der ungeschickteste Mensch. Wie er andere werde leiten können,
da er sich selbst nicht zu leiten wisse. Gott solle nur ihn
erleuchten, dass er mit sich selbst zurecht komme. Daraufhin hat man
ihm einen anderen Oberen gegeben.
Am 4. Januar 1710 ist Bonaventura in
Ravello angekommen. Das ganze Volk frohlockte und nahm unter
Jauchzen dieses Kleinod in seine Ringmauern auf. Der Prälat des
Ortes befahl sich und sein Volk dem Diener Gottes mit den
rührendsten Ausdrücken an. Zwei vornehme Frauenklöster haben ihn
alsbald zum geistlichen Vater verlangt. Auch Kotillo, der Bischof
von Minori, welches eine Meile von Ravello entlegen ist, ernennt ihn
zu seinem Beichtvater. Alle umliegenden Orte, alle, welche den Fluss
hinab liegen, wie Scala, Amalphi, Atrani, Majore, Minore ect.
vertrauten sich seinen apostolischen Arbeiten an, und sie fanden
auch, dass sein Herz gegen jedermann geöffnet ist. Die Sünder
machten sich seine väterlichen Ermahnungen zu Nutze und kehrten mit
Freuden auf die Wege des Heils zurück. Die tugendhaften aber
zugleich lauen Seelen zog er aus ihrem Schlummer und führte sie zu
der Vollkommenheit des Evangeliums. Bonaventura war das Orakle, bei
welchem sich die ganze Gegend beratschlagte, in den Zweifeln, um
sich zu entschließen, in den Drangsalen, um sich zu trösten, in den
Streitigkeiten, um sich auszusöhnen. Allzeit aber hat er die
Tröstungen mit einer geistlichen Weisheit verbunden, um der
fleischlichen Sicherheit und Trägheit keine Nahrung zu geben. Auf
sich selbst aber hat er bei allen ein gänzliches Misstrauen gesetzt.
Gott eignet er alles zu. Der Himmel ermangelte nicht, die
unermüdliche Dienstwilligkeit seines getreuen Dieners durch
verschiedene Zeichen zu belohnen. Auf sein Gebet hin vertreibt er
die hartnäckigsten Krankheiten, gibt erstarrten Gliedern die
vorherige Stärke und Bewegung zurück und lehrt durch dergleichen
Zeichen die Menschen, wie nachdrücklich die Fürbitte des Seligen bei
dem göttlichen Gnadenstuhl ist.
Als er einst von Ravello nach Atrani
ging, traf er auf dem Weg einen Siechen. Er ging an diesem vorbei,
wie der Priester und Levit bei dem verwundeten Wandersmann, ohne ihm
einen Liebesdienst zu erweisen. Gleich aber kehrte er zurück,
eiferte jetzt mit dem barmherzigen Samariter. Er fällt dem Siechen
um den Hals, drückt ihn liebreich an seine Brust, küsst die vom
blutigen Eiter triefenden Wangen. Gott belohnte hier dieses
heldenmütige Liebeswerk mit der augenblicklichen Genesung des
Kranken. In den Armen des Seligen hat er sich wie ein Adler
verjüngt. Das größte Wunderwerk aber war Bonaventura selbst.
Jedermann wusste, wie er seinen Leib unter einem groben Kleid mit
härenen Bußhemden mehr einhüllte als bekleidete, wie er seine Lenden
mit eisernem Cilicienband und sich mit Streichen peinigte und mit
blutigen Geißeln zerfleischte. Es war bekannt, wie er durch die
immerwährenden Reisen erschöpft und durch die schmerzhaftesten Kuren
entkräftet worden ist. Nach all diesen Armseligkeiten aber fangen
seine Kräfte wieder an aufzuleben. Sein Angesicht wird sozusagen
jugendlich. Im Herbst seines Alters von 60 Jahren kehrt er in den
Frühling zurück, der ihm ein neues Leben gibt.
Weil du Gott angenehm warst, so ist es
notwendig gewesen, dich zu prüfen, sagte der Engel zu dem alten
Tobias. Bonaventura musste sich einer harten Prüfung unterwerfen.
Gott ließ zu, dass ihn sein Oberer in Ravello für einen
schauspielerischen Pharisäer hielt und seine Frömmigkeit für die
Frömmigkeit eines Heuchlers, für eine doppelte Bosheit ansah. Ein
heimlicher Hass hielt dem Oberen gegen seinen Untergebenen gleichsam
ein gefärbtes Glas vor die Augen, dass er nichts in seiner
natürlichen Beschaffenheit, alles anders sah. Daher kam es, dass er
die heiligsten Werke für Laster erklärte und den guten Bonaventura
mit den schwersten Strafen belegte. Wie ein Lämmlein hat sich der
Geduldige allen Strafen unterzogen, ja er bittet seinen Oberen noch
ab. Er nennt sich den Ungeschicktesten und bekennt, weit härtere
Bußen verdient zu haben. Seine Mitbrüder werden gerührt. Sie tadeln
die Unbescheidenheit ihres Oberen. Da sie glauben, Recht zu haben,
fällt auch ihnen Bonaventura zu Füßen, bittet, alles ihm
zuzuschreiben. Er, er sei allein an allem Schuld. So ist er niemals
bei einer mittelmäßigen Tugend stehen geblieben. Immer hat er diese
in einem höheren Grad ausgeübt.
Im Konvent in Ravello hat die äußerste
Armut geherrscht. Die Sakristei war so arm, dass aus Mangel an
priesterlichen Gewändern und Liturgiegeräten ein Priester auf den
anderen warten musste. In dem Speisesaal mangelte es am Tischrat, an
allem mangelte es. Die Väter haben sich daher an ihre Oberen
gewendet und verlangten, abgerufen zu werden, nur Bonaventura nicht.
Er blieb mit einem Laienbruder und dachte an die Worte des hl.
Bonaventura: Die Brüder können sich an keiner Sache mehr als an der
Armut erfreuen, weil sie diese zu Brüdern Jesu Christi macht. In
diesem armen Konvent schwebte so Bonaventura immer wie ein Adler in
der Höhe, beschäftigte sich mit himmlischen Dingen, und nur dann
ließ er sich herab, wenn ihn die Not trieb. Er setze seine
Liebesdienste fort und lebte nur für den Nächsten, in welchem er
Gott liebte. Als ihn einst der Bischof fragte, ob ihm nichts fehle,
so gab er zur Antwort: Es fehle ihm nichts, was notwendig sei, ja,
er habe mehr, als er verdiene.
XIV. Kapitel
Seine Liebe gegen die Armen,
sein Eifer, seine Entzückungen,
die Zeit seines Todes.
Seine Freude war umso größer an diesem
elenden Ort, je größer seine Liebe zur Armut gewesen ist. Er ging
mit seinem Laienbruder aus, das heilige Almosen zu sammeln, aber
nicht so für sich, als für die Armen. Kaum hat er etwas zusammen
gebracht, so teilte er dasselbe gleich wieder unter die Gemeinde des
Herrn, den Armen aus, wie die Sonne die Dünste, welche sie in die
Höhe gezogen hat, bald durch einen fruchtbaren Regen der Erde
zurückgibt. Ein so himmlisches Gemüt besaß dieser irdische Engel!
Nicht nur einmal hat er bei der Austeilung der Almosen den Ärmsten,
sich selbst nämlich, so vergessen, dass er nicht das Mindeste übrig
hatte. Dann dachte er an das Wort des Herrn, dass der Mensch nicht
allein vom Brot lebt, sondern von einem jeden Wort, welches aus dem
Mund Gottes kommt. Er speiste seinen Geist mit demselben. In der Tat
wurde auch sein Leib durch das Vertrauen auf den Herrn mehr als
durch irdische Nahrung gestärkt.
Einst hatte Bonaventura zwei Priester
bei sich am Tische, aber sie fanden nichts zu essen, nicht einmal
trockenes Brot; denn Bonaventura hatte alles den Armen gegeben. Die
guten Priester hatten Hunger. Sie warteten umsonst auf eine
Mahlzeit. Sie wurden ungeduldig, sie klagten. Bonaventura öffnete
den Mund und redete mit einer solchen Kraft von der Armut, dass
seine Gäste das Essen gänzlich vergaßen, sich in jene Rede
vertieften und voll des süßesten Trostes vom Tisch aufstanden.
Ein anders Mal kam der Laienbruder in
die Speisekammer, ohne die mindesten Brosamen zu finden. Er läuft zu
Bonaventura hin. Er fragt ihn ganz ernstlich, wo er mit allem Brot
hingekommen sei, und macht ein finsteres Gesicht dazu. Ich habe
dieses den Armen gegeben, antwortet ihm der Diener Gottes, in der
Frühe schon sind sie in einer Menge gekommen. Ihr redet von dem
Morgen, murrte der sich übereilende Laienbruder fort, ihr redet von
dem Morgen, ich aber rede von dem Abend. Bonaventura, der die
Geduld, Sanftmut und Liebe selber war, lächelt den Bruder an und
sagte ihm mit zärtlichster Gelassenheit: Seien wir mit Kräutern
zufrieden! Und so siegte er über die Unfreundlichkeit des Bruders,
der jetzt zufrieden hinging, etwas für die Nacht zu sammeln. Was ihn
selbst betraf, so teilte er ohnehin, was er auf dem Teller hatte,
den Armen mit, und begnügte sich unterdessen mit Bohnen und
Kräutern. Einst hatte der gute Mann nichts als Kastanien. Es kam ein
Armer, und Bonaventura bietet ihm seine Kastanien an. Der Arme aber,
gleichsam beschämt, einen Mann, der ärmer als er selber ist,
angebettelt zu haben, wollte einem Hungrigen den letzten Bissen
nicht aus dem Mund nehmen. Er schlug die angebotenen Kastanien aus
und ging mit Tränen in den Augen von Bonaventura, sah noch von der
Ferne mitleidig auf ihn zurück. Wenn ein Priester, wenn ein
Laienbruder zu Haus war, so kam der Seligste bei diesen mit
demütigster Bitte an, um den Armen ein Almosen reichen zu dürfen.
Öfters fiel er auf die Knie nieder und bot den Armen die Gabe dar,
weil er in ihnen denjenigen verehrte, der gesagt hat: Was ihr den
Geringsten von den Meinigen tut, das tut ihr Mir.
Bonaventura ist durch diese seine
Freigebigkeit in der ganzen Gegend so berühmt wie Abraham geworden.
Er war bei seiner äußersten Armut jener Reiche, zu welchem alle
Armen flohen, dem ein jeder seine Not anvertraute, bei dem ein jeder
Hilfe suchte. Selbst Perimezzi, der Bischof des Ortes, vergaß seine
Würde, warf sich dem Seligen zu Füßen und verlangte, ihm die Hände
zu küssen. Bonaventura stand beschämt da. Er zieht die Hand zurück,
und er wird sie nicht hergeben, wenn er nicht zuvor die Füße seines
Bischofs küssen darf. Was sich in jenem Kirchensprengel für
Geschehnisse ereigneten: so war Bonaventura der Freund, der
Vertraute, der Ratgeber des Bischofs. Dieser Hirte sah diesen
frommen Ordensmann als die Zierde, als den Schild seiner Herde an,
als einen Mann, der sich keinem Menschen aufdrang, der nicht sich
selbst, sondern den bloß seine Tugend notwendig gemacht hat.
Stellen wir uns die unglückseligste Zeit
vor, als der Feuer speiende Berg Vesuv die fruchtbarsten Täler
verwüstet und das ganze Vorgebirge von Amalphi mit Asche überstreut
hat. Die ganze Gegend trug das Zeichen des Verderbens. Der Bischof
nahm bei dem allgemeinen Schrecken seine Zuflucht zum Gebet. Er
sagte eine allgemeine Prozession an, und dem Bonaventura, welcher
diese angeraten hatte, trug er dabei eine Bußpredigt auf. Dieser
predigte, füllte alle Herzen mit ernstlicher Reue, mit reumütigsten
Seufzern, und söhnte durch eine Tränenflut den Himmel mit der Erde
aus. Er selbst warf sich auf das Angesicht nieder, bot sich der
Gerechtigkeit zum Schlachtopfer an. Wie ein Mensch, der des Todes
schuldig ist, wie schon einst Franziskus und wie Karl von Borromäo
in Mailand in einer ansteckenden Krankheit getan haben, nahm
Bonaventura den Strick um den Hals und wollte, dass man ihn wie ein
Opfertier bei der Prozession nachschleift, welches aber das Volk
durch sein Geschrei verwährt und der Bischof untersagt hat.
Bonaventura nahte sich nunmehr seinem
Ende. Je näher er diesem kam, umso inbrünstiger wurden seine
Betrachtungen, um so mehr nahmen die Entzückungen zu. Hörte er vom
Tod reden, so hatte der Tod gar nichts Erschreckendes für ihn. Er
freute sich vielmehr. Sein Herz erhob sich, es schwoll von den
feurigsten Anmutungen an. Die Freude schmückte sogar sein Angesicht
wie mit Rosen. Es war nicht so, als wenn der Tod den Bonaventura
erwartete, sondern so, als wenn dieser dem Tod entgegen eilte. Franz
d’asmato, Seelsorger des Ortes, welcher dem Seligen ganz ergeben
war, brachte ihm einst einen Apfel mit den Worten, er möge nur an
diesem riechen. Welcher Geruch! Bonaventura riecht, der Geruch eines
irdischen Apfels erinnert ihn an die Süßigkeit seines Gottes. Sein
Gemüt schwingt sich in den Himmel. Sein Leib folgt nach. Er wird
weit über eine Spanne (ca. 20 cm) von der Erde erhöht und bleibt
eine Zeit in der Luft. Hier ist keine steinerne Säule, welche ihm
wie einstmals dem Styliten zur Stütze dient. Es ist die Hand des
Allmächtigen. Als ihn diese wieder entlässt, so eilt er in seine
Zelle.
Gott wollte die Freunde seines geliebten
Dieners etwas von dessen Tod vorher wissen lassen. Bonaventura
kündigte ihnen denselben selbst mit verschiedenen verhüllten Worten
an. Ich werde abreisen, sagte er, in mein Vaterland werde ich
abreisen. Ich sehne mich in die Ruhe, in eine Zelle, wo ein
vollkommener Frieden herrscht. Diese Worte gaben Anlass zu glauben,
er wohne nicht gern in Ravello. Der Ort sei gar zu arm. Er predigte
öfters, nicht aus der bloßen Absicht, um zu predigen, nicht um eine
Würde zu erschnappen, er predigte nur, um die Seelen zu gewinnen.
Einst predigte er bei dem Altar des hl. Antonius. Da, sagte er in
jener Predigt, da, wo jetzt meine Füße stehen, wird sich bald mein
Haupt, mein Angesicht befinden. Im Monat Mai, sechs Monate nämlich
vor seinem seligen Hinscheiden, fängt er an, Abschied von seinen
Beichtkindern zu nehmen. Er sagt ihnen, seine Schwachheiten nähmen
immer mehr zu, er sei gezwungen, seine Wohnung bald zu verändern.
Anders könne es nicht mehr sein. Er müsse einmal dahin, wo er Gott
allein lieben könne. Es sei ja nichts als Elend da. Bei dem Herrn
aber sei nichts als Freude. Deutlicher hätte er seinen Tod in der
Sprache eines Dieners Gottes nicht vorhersagen können. Dergleichen
hat er auch verschiedenen Geistlichen gesagt. Sie konnten es aber
nicht fassen, weil sie wussten, wie ihm sein Vaterland zuwider war,
dass er sich nirgends einen Aufenthalt weniger als in Potenza
wünschte. Sie fragten ihn dessen ungeachtet, wann er denn abreisen
wolle, und er nannte den Oktober. Sie wollten seiner Abreise bei den
Oberen zuvorkommen. Aber er sagte ihnen, da sei kein Mensch, keine
Bitte, keine Stärke stark genug, ihn abzuhalten. Es sei notwendig
abzureisen. Es sei unmöglich, da zu bleiben. Einige fanden solche
Ausdrücke verhüllt. Sie suchten sich einen Mann, der den Worten die
Hülle abnähme und ihnen die Sache an sich selbst zeigte. Sie
befragten Joseph D’ippolyto, einen Wundarzt, wie sie doch die Rede
des Bonaventura verstehen könnten, er wolle immerfort, immer in sein
Vaterland. Gut, sagte ihnen Joseph, ich erinnere mich, dass sich
auch der Vater Dominikus a Muro dergleichen Ausdrücke bedient hat.
Der Lehrjünger wird halt jetzt die Sprache seines Lehrmeisters reden
und Bonaventura wird sich in kein anderes Vaterland sehnen als in
das himmlische, in welches Dominikus bald gegangen ist, nachdem er
seinen Tod durch dergleichen Worte vorgesagt hat. Nicht Potenza, den
Himmel will Bonaventura verstanden haben.
XV. Kapitel
Sein seliger Hintritt
Am Fest der hl. Theresia, dem 15.
Oktober, hat er dem Bischof Perimezzo das letzte Mal Beichte gehört.
Bonaventura wurde weichherzig. Erblickte seinen Beichtsohn wehmütig
an und sagte, dass er ihm zwar noch etwas zu sagen habe, aber er
wolle es ihm auf eine andere Zeit sagen, wenn er nicht mehr wegen
des Beichtens kommen werde. Aber der Bischof mochte es gern jetzt
wissen. Wenn Sie es doch wissen wollen, fährt Bonaventura fort, so
hören sie: Wenn ich der ihrige Beichtvater nicht mehr sein werde, so
wählen sie einen anderen, einen Mann, der mit apostolischer
Freiheit, wie ich, ihnen die Wahrheit sagt. Er kehrte dann in seinen
Konvent zurück, ging in den Beichtstuhl, gab seinen Beichtkindern
die letzten Ermahnungen, als ein Vater, der seinen Tod vor Augen
sah, und übte sich solange in den Liebesdiensten, als er konnte.
Seine Krankheit, welche zum Beispiel
aller christlichen Tugenden geworden ist, äußerte sich am 15.
Oktober noch durch den Anfall eines hitzigen Fiebers. Weil er von
seinen Bekannten Abschied genommen hatte, als wolle er in sein
Vaterland, und diese Aussage, wie ein Lauffeuer in der ganzen Gegend
herumgekommen war, so sieht man am folgenden Tag einen allgemeinen
Zulauf des Volkes. Einer möchte noch einmal mit dem Mann Gottes
reden, ein anderer möchte ihn noch einmal sehen, der dritte möchte
ein Andenken von ihm haben. Aber alle treffen ihn krank an. Jetzt
drängen so viele, als nur können, in die Zelle des Kranken hinein.
Jeder bietet seine Dienste an und wünscht, sein Krankenwärter zu
sein.
Perimezzi, dieser würdige Vorsteher, war
mehr als andere bekümmert. Er entfernte sich nicht von der Bettstatt
des Kranken. Dieser sah sein Bett als den Ort der Strafe an. Alle
anderen betrachteten dieses als eine Schule der Tugenden. Da konnte
man sehen, mit welcher Freude der Gerechte aufgelöst wird… Wie er
sich dem Tod entgegen sehnt… Wie er in der Welt so gar nicht
eingewurzelt, sich in die Höhe schwingt, und sozusagen auf Erden
mitten unter den Bitternissen des Todes einen Vorgeschmack
himmlischer Freuden hat, alles dieses konnte man sehen und lernen.
Wer gibt mir doch, dass ich den Tod des Gerechten sterbe!, konnte da
der Sünder ausrufen, welcher sich nach einem bösen Leben einen guten
Tod wünscht.
Am achten Tag nahm das Fieber heftig zu.
Der Herr streckte Seine Hand nach Seinem Diener aus. Schon öffneten
sich die ewigen Hütten, ihn aufzunehmen. Bonaventura hatte darum
gebeten, ihm die letzte Gefahr nicht zu verbergen. Jetzt sagt ihm
der Arzt, dass er an die äußersten Grenzen des Lebens gekommen sei.
Er dankte zärtlich für die freundschaftliche Warnung, welche so
vielen schrecklicher als der Tod selbst ist. Sein Angesicht glänzte
wie von einem himmlischen Licht, seine Brust atmete die inbrünstigen
Liebesseufzer. Jetzt verlangte er, sich durch die Heiligen
Sakramente auf die Abreise in das Vaterland vorzubereiten. Er legte
eine öffentliche Beichte ab. Er nennt sich das unnützlichste
Geschöpf, den schändlichsten Sünder, welchen die Erde getragen hat,
einen Sünder, der alle Weltmenschen mit seinen Lastern, alle
Geistlichen mit seiner Lauigkeit geärgert hat, einen Sünder, dem es
gut sei zu sterben, damit er zu sündigen aufhöre. Er seufzt wie aus
einem Abgrund der Sünden zu dem Thron der Barmherzigkeit, zum Blut
des Lammes, auf welches seine ganze Hoffnung gegründet ist. Jetzt
wendet er sein Angesicht dem Oberen zu, welcher vor kurzem im
Konvent angekommen war. Er bittet diesen um Gottes Willen um
Verzeihung. Er bekennt, dass er unwürdig das Ordenskleid getragen
habe, dass er im Orden und der Orden niemals in ihm gewesen sei,
dass er den Namen eines Geistlichen missbraucht habe. Er wiederholt
seine Bitte, ihm zu verzeihen, ehe er sterbe. Während er so wehmütig
um Verzeihung bittet, richtet er sich in seinem Bett auf. Er will
heraus. Er will sich seinem Oberen zu Füßen werfen, fußfällig
abbitten, die Füße küssen und diese mit den Tränen einer kindlichen
Reue benetzen. Aber die Anwesenden, welche alle in Tränen
zerfließen, halten ihn zurück. Der Obere befiehlt ihm zu bleiben.
Wenn er Füße küssen will, sagt er dem Kranken, so soll er die Füße
des Gekreuzigten küssen. Bonaventura gehorcht. Er küsst die Füße des
gekreuzigten Heilandes, mit solcher Anmutung küsst er diese, dass
alle Herzen brechen.
Man bringt dem Kranken die Heiligste
Wegzehrung. Seine Andacht bekommt neue Kräfte. Er empfängt diese
Speise der Starken unter so lebendigen Tugendübungen, dass ihm,
ungeachtet der Todeszeichen, ein göttliches Feuer aus dem Gesicht
und den Augen hervorleuchtet. Die Macht des Allerhöchsten hat ihn
umschattet. Nachdem er die Heilige Wegzehrung empfangen hat, liegt
er in einem tiefen Stillschweigen, dankt und opfert, bittet und
erwartet den Wink von dem Herrn, der über Leben und Tod zu befehlen
hat. Seine Augen sind an das Kreuz Jesu, diesen Baum des Lebens,
angeheftet. Da versenkt sich seine Seele ganz in die Seitenwunde.
Das Bildnis Mariens an der Wand zieht ihn an sich und lockt ihm die
zärtlichsten Seufzer ab. Dann stimmt er mit dem alten Simeon einen
Dankgesang an. Bonaventura singt Obschon sein Schlund von der Hitze
des Fiebers ganz ausgedorrt, seine Zunge ganz ausgetrocknet ist, so
singt er doch mit heller, angenehmer Stimme über 24 Stunden fort.
Die ihn hörten, glaubten einen Engel zu hören, so hat sein Gesang
ihre Herzen durchdrungen. Eine Stunde vor dem Tod hat erst dieser
jungfräuliche Schwan aufgehört, das Lob Gottes zu singen. Er grüßte
Maria mit dem ihr so angenehmen Gruß des Engels zum dritten Mal, zog
sich in seinem Bett zusammen, wie ein Mensch, der ruhig schlafen
will, und gab in aller Ruhe seinen schönen Geist in die Hände des
Schöpfers auf. O Tod, wo war damals dein Stachel, wo war deine
Bitterkeit!
60 Jahre, 8 Monate, 26 Tage – dieses war
die Lebenszeit des Seligen. 44 Jahre hat er in dem Orden der
Konventualen des hl. Franziskus zugebracht. Er starb am 26. Oktober
1711 gegen Abend. Ravello war sein Sterbeort, wo er 22 Monate
weniger 8 Tage gewohnt hat. Er hatte eine mittelmäßige Körpergröße.
Seine Körper war robust, aber durch viele Reisen, Krankheiten und
Arbeiten ganz entkräftet. Sein Temperament war hitzig, die Tugend
aber gestaltete ein sanftmütiges Lamm aus ihm. Sein Tun und Lassen
war ungezwungen, sein Reden angenehm und geistreich. Die
Eingezogenheit beherrschte seinen ganzen Körper. In den
philosophischen Wissenschaften hatte er keinen so großen Fortschritt
gemacht, aber in der Gottesgelehrtheit und Geistlehre war er so
stark, dass sie mehr eingegossen als erworben schienen. Die
Unschuld, die Liebe, die Buße waren die Tugenden, in denen er sich
bis an sein Ende geübt hat, doch besonders hat er sich durch den
Gehorsam ausgezeichnet.
XVI. Kapitel
Der Zulauf des Volkes,
die Vorbereitung der Beerdigung und
wunderbare Begebenheiten
Als der Leichnam des Seligen nach der
Vorschrift der Ordenssatzungen vorbereitet war, wurde er in der
Kirche aufgebahrt. Kaum brach der Tag an, so zog das Volk
schwarmweise von allen Wegen her, um den Leib des Seligen zu sehen.
Die Menge, welche sich aus allen Ständen, aus allen Altersgruppen
und Geschlechtern gesammelt hatte, war außerordentliche groß. Jeder
trachtete, ein Andenken von dem Leichnam zu erhaschen. Die Andacht
des Pöbels artete dabei in eine unbesonnene Grausamkeit aus, da sich
einer der Haare, ein anderer eines Fetzens von dem Kleid zu
bemächtigen suchte, und der Dritte gar mit einem Messer auf das
Fleisch losging. Gewiss würden sie den Toten auf eine grausame Art
misshandelt haben, wenn nicht der Bischof, die Geistlichen und der
anwesende Adel andere Maßregeln ergriffen hätten. Das Volk wuchs
indessen noch immer an, so dass die Oberen dadurch in einen neuen
Schrecken gerieten. Sie umstellten die Leiche mit einer Wache von
frommen und starken Männern. Das Volk wird durch diese Vorsicht
aufgebracht. Es füllt den Ort mit kläglichem Geschrei an: Ob man
ihnen diese unschuldige Freude entziehen wolle, ob sie den Leib des
Dieners Gottes nicht sehen dürfen? Er sei doch ihr Vater, ihr
Apostel gewesen, und doch jetzt der Schatz ihres Vaterlandes. Auch
die zwei Klöster von Ravello und Scala kamen mit der Bitte an, ihre
Augen an der Leiche des Toten zu weiden, der im Leben mit so vielem
Eifer ihre Seelen geweidet hatte.
Der Bischof, welcher der Erklärung der
Kirche nicht vorgreifen wollte, dachte nach, was zu tun sei, auf
welche Weise er die allgemeine Begierde befriedigen könne, ohne eine
Satzung der Kirche zu verletzen. Er entschloss sich endlich und
sagte: In außerordentlichen Fällen darf man die ordentlichen
Gewohnheiten außer Acht lassen. Er befahl, den Leichnam in einer
Prozession durch die Gassen der Stadt herumzutragen. Als die Ordnung
des feierlichen Umzugs festgelegt ist, so wird er durch ein neues
Hindernis eingestellt. Die Wolken gießen einen stürmischen Regen
herab. Das finstere Gewölk ist so gedrängt, dass man sich keine
Aufheiterung verspricht. Die Oberen gingen zu Rat, und endlich brach
einer voll Vertrauen auf den Seligen in die Worte aus: Lasst uns
gehen, wir werden schon erfahren, was Bonaventura vermag! Lasst uns
gehen, stimmte das ganze Volk ein. Auf diesen Ruf hin rückte die
Prozession aus. Das Kreuz befand sich noch unter der Kirchentür, als
die Wolken in der Mitte des Sturmes den Regen zurückhielten. Ein
handgreiflicher Nebel lag noch auf der ganzen Gegend, wie eine
Nacht. Niemanden aber hat dieser unfreundliche Nebel betrübter
gemacht als die Klosterfrauen von St. Kataldo di Scala. Sie brannten
vor Begierde, den Leichnam ihres geistlichen Wegweisers zu sehen.
Jetzt schwand alle Hoffnung. Sie nahmen ihre Zuflucht zum Himmel.
Sie sagten untereinander: Beten wir doch, wie uns der Selige gelehrt
hat, dass wir beten sollen. Beten wir zu Maria den Engel des Herrn.
Lasst uns beten! Nachdem sie von dem Gebete aufgestanden waren, so
sahen sie das gleiche Wunder an dem Nebel, welchen die Kinder
Israels an dem Roten Meer gesehen haben. Der Nebel zerteilte sich
und ließ sie durch einen lichten Weg zu dem toten Körper ihres
geliebten Vater hinsehen, dessen Gesicht mit Strahlen umgeben war.
So zärtlich diese durch den feierlichen Anblick der Leiche gerührt
worden sind, so groß war die Ungeduld der Klosterfrauen zu St.
Klara. Weil sie dem Seligen nicht weniger als jene in St. Kataldo
ans Herz gewachsen waren, so hofften sie nicht minder, durch seine
Fürbitte begnadet zu werden. Die Leiche wurde an ihrem Kloster
vorbei getragen, und siehe da, das Angesicht des Seligen fängt an,
wie eine Rose zu blühen. Es wird sozusagen glühend. Es gibt Strahlen
von sich, welches nicht nur die Klosterfrauen, sondern auch andere
Geistliche und Weltliche beobachtet haben. Nachdem die Träger mit
der Leiche am Kloster vorbeigegangen sind, so verliert sich auch der
Schimmer wieder.
Nach diesen Wundern, durch welche Gott
Seinen Diener nach dem Tod verherrlichte, der im Leben nach nichts
weniger als nach Ehre, nach nichts mehr als nach Verachtung
getrachtet hat, hat man Anstalten zum Begräbnis gemacht. Die Nacht
war dunkler als die vorhergehende. Das Volk verlor sich daher. Es
suchte sich eine Herberge, und die Wächter blieben allein. Doch
schlich sich der einer und der andere hin, eine Reliquie zu
erhaschen. Einer von diesen diebischen Andächtigen hatte kaum die
Hand nach den Körper ausgestreckt, so zog er sie zitternd zurück. Es
war ihm nicht anders, als hätte er die Hand in Wasser getaucht, so
flüssig war der Leichnam. Die Sache kommt bis zu dem Generalvikar
Karl Manzi. Man stellte eine Untersuchung an. Einige glaubten, die
Nässe komme von dem vielfältig ausgesprengten Weihwasser. Andere
sagten, der Nebel habe die Leiche so feucht geduftet. Andere nannten
es ein Wunder. Man trocknete das Gesicht ab, auf welchem die hellen
Tropfen stehen. Kaum ist es abgetrocknet, so schwitzt es wieder. Man
greift durch die Kleider auf die Brust und man findet alles
tropfnass. Es ist nicht anders, als wenn die Leiche in einem Bad
liegt. Der Körper hatte noch Wärme, die Glieder waren gelenk. Die
Lippen röteten und der Leib hauchte einen unvergleichlichen Geruch
aus. Wenn der Herr die Leiber Seiner Diener bei aller ihrer
Unempfindlichkeit so belohnt, mit welcher Freude wird er die Seelen
in Seinem Reich überströmen?
Perimezzi, der Bischof, nahte sich dem
Sarg, um die Füße des Seligen zu küssen. Bei dieser Gelegenheit
wurden ihm Hände und Füße abgetrocknet. An der Hand sah man eine
ganz angelaufene, warme Ader. Zugleich breitete sich der angenehmste
Duft aus. Der Herr, sagte der erstaunte würdige Bischof, der Herr
will Seinen Diener verherrlichen. Verschieben wir das Begräbnis
noch. Er befiehlt, dass der Körper in das nächste Bethaus gebracht
werde. Er lässt diesen als einen kostbaren, in seinem
Kirchensprengel hinterlegten Schatz bewahren.
Die angelaufene, einen warmen Schweiß
ausdünstende Ader gab Anlass zu verschiedenen Meinungen. Der
Generalvikar entschließt sich, die Sache durch einen Aderlass zu
entscheiden. Lassen wir ihm eine Ader schlagen, spricht er. Da muss
es sich zeigen, ob das Blut noch durch die Adern rinnt. Da werden
wir ein neues Wunderwerk sehen. Der Bischof willigt ein. Jetzt kommt
der Generalvikar, welcher den Leibarzt Angelus Gambardella und den
Wundarzt D’ippolyto mit sich bringt, in den Konvent zurück. Viele
Kleriker und auch sonst angesehene Personen begleiten sie zu dem
Toten. D’ippolyto bereitet den Aderlass vor. Der Generalvikar redet
den Toten an, er möge den Arm selbst hergeben. Ich weiß, fährt er
fort, wie gehorsam Bonaventura im Leben war. Er wird seinem Oberen
auch nach dem Tode folgen. Befehlen Sie, P. Guardian! Jetzt gab
dieser den Befehl. Kaum hat er das Wort Gehorsam ausgesprochen, so
richtet sich Bonaventura auf. Er streckt den Arm so schnell aus,
dass der Generalvikar zurückschauerte. Der Wundarzt ergreift den
Arm. Er legt diesem die Binden an. Er verfährt wie bei einem
Gesunden. Alle Anwesenden beben vor Schrecken. D’ippolyto öffnet die
Ader mit seinem Eisen. Es springt das rauchende schönste Blut aus
der Öffnung. Es werden mehrere Unzen aufgefangen, welche danach
unter die Verehrer des Seligen aufgeteilt worden sind. Die
verdatterten Zuschauer erholten sich und sangen die ganze Nacht
hindurch das Lob Gottes um die verherrlichte Leiche Seines Dieners.
XVII. Kapitel
Fortsetzung des vorigen und das
Begräbnis
Der dritte Tag brach an, und der Körper
war noch nicht zu Grabe getragen. Der Zulauf, das Gedränge, das
Geschrei des Volkes hatte noch nicht nachgelassen. Es ist vielmehr
durch die Verbreitung der Wunder noch größer geworden. Kommt, sagte
einer dem anderen, wir wollen unseren Heiligen verehren, wir wollen
Gnaden von ihm verlangen.
Mitten in diesem Geschrei drängt sich
Joseph D’ippolyto mit seiner Frau Candida Kapezza durch den
ungestümen Haufen. Die Ärmste hatte eine harte, veraltete Geschwulst
im Gesicht. Erhebe dein Herz in dem lebhaftesten Glauben an Gott,
sagte der Gemahl zu ihr, setze dein ganzes Vertrauen auf die
Fürbitte Seines Dieners. Nimm seine Hand, erhebe sie zu deinem
Angesicht, rühre deine Geschwulst mit dieser an. Kaum hat sie dieses
getan, so verschwindet die Geschwulst, auch die Härte verschwindet,
und es bleibt nicht die geringste Spur zurück.
Auf den Abend gedachte man, die Leiche
zu beerdigen. Es war ein grober Sarg dazu bestimmt. Jedermann sagte,
es gezieme sich so gar nicht, einen so teuren Schatz in einem so
elenden Sarg zu bewahren. Es böte jemand einen Stein dazu an, aber
er sei zum Tragen viel zu schwer. Als sie so reden, kommt der
Bischof dazu, weitere Vorbereitungen zu treffen. Der Konventsobere
macht sich diesen Augenblick zu Nutze. Er führt den Joseph
D’ippolyto auf die Seite und bittet diesen, ihm eine Reliquie des
Heiligen zu beschaffen. Er möge ihm ein Stückchen Fleisch
abschneiden. Der gute Mann erschrickt über dieses Ansinnen. Er kann
sich nicht entschließen, den Leib, welcher im Leben gleichsam eine
Wunde war, nach dem Tod noch eine Wunde zuzufügen. Aber der Guardian
lässt nicht nach. Der Wundarzt geht endlich und schneidet auf der
linken Seite der Brust ein Stückchen Fleisch ab. Die Wunde zerfließt
vom Blut. Das abgeschnittene Fleisch blieb bis über den vierten
Monat unversehrt. Als nach 25 Jahren der Leib auf eine feierliche
Art besichtigt wurde, so triefte jene Wunde noch vom frischen Blut.
Unterdessen wurde der Grabstein
herbeigebracht, um den Seligen auf der linken Seite des Altars des
hl. Antonius zu begraben. Alles war in seiner Ordnung. Als man die
Leiche bei dem Altar, auf welchen das Heiligste Sakrament aufbewahrt
wurde, vorbei trug, da erhebt sich der Tote, seine Augen funkeln, er
neigt das Haupt, als wollte er das Allerheiligste anbeten, und zwar
so, dass es schien, Bonaventura wolle wieder anfangen zu leben. Alle
Anwesenden zerschmolzen vor Zärtlichkeit, überzeugt von der
möglichsten Hochschätzung, welche der Selige im Leben gegen den
unter Brotsgestalten verborgenen Gott gehabt hat, den er auch nach
dem Tod noch verehrt. Jetzt begleiten sie die Leiche mit brennenden
Fackeln und frohlocken über die Güte Gottes, welche sich so
reichlich an Seinem Diener gezeigt hat.
Zweiter Teil
Des Lebens des Seligen Bonaventura
von Potenza
I. Kapitel
Seine Liebe zu Gott
Die reizendsten Schönheiten dieser Welt
sind nichts als ein kleiner Strahl jener unerschaffenen Schönheit.
Das vorzüglichste Gut, welches an den Geschöpfen gefunden wird, ist
nur ein Tröpfchen von dem unermesslichen Meer der Güte Gottes. Wer
Gott, dieses höchste Wesen, welches alle Vollkommenheiten in Sich
birgt, einmal erkennt, der wird sich wie ein Adler empor schwingen.
Er wird alles Irdische, Vergängliche verlassen und sich jener ewigen
Sonne nahen, wo er seine Hütte aufschlagen, wo er eine ewige Ruhe
finden kann. So hat es Bonaventura, der Diener Gottes, gemacht. Bei
dem ersten Licht der Vernunft suchte er Gott auf, fand Ihn unendlich
liebenswürdig und sehnte sich einzig nach Seiner unendlichen
Schönheit. Von nur Gott dachte sein junges Herz, Gott stammelte sein
Mund, zu Gott richtete er alle seine Handlungen, nach Gott gingen
alle seine Begierden. Er hatte kein Herz, kein Gemüt, keine Kräfte,
als nur allein Gott zu lieben. Die Gütigkeit, die Liebe Gottes war
unter anderen Vollkommenheiten des höchsten Wesens der liebste
Gegenstand, über welchen Bonaventura seine Betrachtungen anstellte.
Er wünschte nichts inbrünstiger, als dass alle Menschen von der
Liebe Gottes brannten. O, pflegte er zu sagen, wüssten die Menschen,
wie aufrichtig, wie kräftig, wie zärtlich sie von Gott geliebt
werden, wie Er Sich ihnen als nachgebender Vater zeigt, wenn sie
auch an Ihm den strengsten Richter verdienen, so würden sie alle
Gott lieben. Sie würden Ihn lieben, wie Er verdient, geliebt zu
werden, aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, mit allen Kräften. Die
Liebe würde sie außer sich selbst bringen, um Gott allein anzuhangen
und Ihm eigen zu sein.
Man weiß schon, was die Liebe Gottes bei
den Dienern Gottes vermag. Dem hl. Philipp Neri hat sie einige
Rippen an der Brust zersprengt. Bonaventura brannte von dieser
Liebe, dass er am ganzen Leib in Schweiß zerfloss. Es dünsteten
Flammen von seinem Gesicht aus, und er rief laut: Lasst uns doch
Gott lieben, Lasst uns Gott dienen. Gibt es denn eine größere
Freude, als Gott zu lieben? Kann es eine größere Ehre, eine höhere
Glückseligkeit geben, als Gott zu dienen? Dienen wir Ihm mit den
Engeln, lieben wir Ihn wie Kinder! Diese Liebe zu Gott erweckte in
seinem Herzen den äußersten Hass gegen die Sünde. Himmel und Erde,
sagte er, sollen eher zu Grunde gehen, als dass Gott beleidigt wird.
Wer ihn traurig, niedergeschlagen im Kummer gänzlich vertieft
gesehen hat, musste ihm nur sagen, Gott sei von einer Seele durch
die Übertretung Seines Gesetzes beleidigt worden. Ach, jammerte er,
wie ist es doch möglich gewesen, Gott zu beleidigen? Was hat Er doch
dem Menschen Leids getan? Wie hat der Erdenwurm sich erfrecht, die
höchste Majestät zu misshandeln? Weinend sagte er dieses.
Als sich der eine und der andere
vergessen hat und den Herrn vor dem Angesicht Seines Dieners
beleidigte, so nahm sich der Diener Seines Herrn mit allem Eifer an.
Bonaventura war der sanftmütige, leutselige, freundliche Bonaventura
nicht mehr. Er brannte vielmehr vom Eifer. Er achtet weder Würde
noch Personen, weil er nur mit Johannes dem Täufer auf die Ehre
Gottes sieht. Er fährt die Beleidiger desselben mit den bittersten
Ausdrücken an, seine Augen strahlen. Er kennt in dergleichen
Umständen kein Mitleid. Er bringt die Feinde des Herrn zum
Verstummen. Er zwingt sie, auf der Stelle Gott um Verzeihung zu
bitten und ihre Bosheit zu bereuen.
Seine Seele war allzeit bei Gott. Mit
Gott hat sie sich beschäftigt, mit Ihm hat sie sich unterredet, an
Ihm hat sie sich einzig erfreut, Ihm wollte sie allein gefallen. An
den Festtagen des Herrn wuchs seine Andacht,. Seine Inbrunst nahm
mit den Feierlichkeiten zu.
Durch die Andacht zum Heiligsten
Altarssakrament hat er sich besonders hervorgetan. Er betrachtete an
Ihm das Übermaß der Liebe, mit welcher Jesus, der die Seinigen bis
an das Ende geliebt hat, dieses Heiligste Abendmahl eingesetzt hat.
Er betrachtete unter den Gestalten des Brotes Seine unendliche
Weisheit, die an nichts als an Wohltaten denkt. Jene unendliche
Macht, die nichts als Wohltaten wirkt. Jene unendliche Herrlichkeit,
die ihre Größe durch nichts als durch Wohltaten zeigt, und das bis
zum Ende der Welt. Es ist kein Tag, es ist keine Nacht vergangen, wo
nicht dieser Samuel einige Stunden vor dem Heiligtum gewacht hätte.
War er vor dem Tabernakel nicht gänzlich entzückt, so schmachtete er
doch in süßen Liebesohnmachten. In Ravello hatte er sich sozusagen
eine Hütte an dem Tabernakel angebaut, da seine Zelle ein Fenster in
die Kirche hatte. Da wohnte er unter den feurigsten Anmutungen dem
großen Opfer bei. Da drückte er die Pfeile seiner Liebe gegen den
göttlichen Bräutigam ohne Unterlass ab und konnte sein Herz durch
den Schwall der Seufzer nicht sättigen, von welchen öfters die
Kirche ertönte. Da weinte er und zerschmolz in Liebestränen. Hat er
sich selbst den geheiligten Staffeln des Altars genähert, so öffnete
sich der Himmel sozusagen über seinem Haupt. Er schickte einen
besonderen Glanz über dieses herab, umstrahlte es mit seinen
Lichtern, erhob den Diener Gottes von der Erde und füllte sein Herz
mit allen Tröstungen, die Er nur immer seinem Liebling vorbehält.
Des bittersten Leidens und Sterbens Jesu
Christi hat sich Bonaventura nicht ohne die äußerste Wehmut
erinnert. Er konnte das durchstochene Haupt, die durchbohrten Hände
und Füße, die geöffnete Seite, den ganzen verwundeten Leib seines
Erlösers nicht sehen, ohne die Geisel zu ergreifen und vor einem
Kreuz auch seinen Leib zu zerfleischen. Seine Augen hat er in den
Betrachtungen über das Leiden Jesu ganz rot geweint. Es war nicht
mehr nötig, als das Wort Passion, Leiden zu sprechen, um alle seine
Geister in Bewegung zu bringen, sein Herz zärtlich zu machen und ihn
in Entzückungen zu sehen. Dieses war der Zins, welchen er dem Herrn,
der unsere Schuld am Kreuz getilgt hat, für Sein schmerzliches
Leiden zahlte. Die drei ersten Tage der Karwoche hat er einem tiefen
Stillschweigen, einem stillen Schmerz und heimlichen Wehklagen
gewidmet. Am Gründdonnerstag, wo das hochwürdige Gut in eine
Nebenkapelle zurückgesetzt wird, wachte er bis zum Karfreitag vor
diesem, ohne Ruhe, ohne Schlaf, ohne Speise, wie unbeweglich.
Drei mit Asche bestreute Stückchen Brot
waren die Wochen hindurch seine und seiner Brüder Nahrung. Am
Karsamstag, an dem die Kirche den freudigen Gesang, des Herrn
Alleluja, wieder hören lässt, war auch Bonaventura voll Freude. Sein
ganzes Gemüt frohlockte dem Herrn.
Hörte oder las er die Geschichten jener
Glaubenshelden, die aus Liebe Gottes das Leben ließen und den
Glauben mit ihrem Blut unterzeichneten, so brach er auf einmal ab,
geriet in Bewegung des Geistes, glühte im Angesicht und rief laut:
Der Glaube – die Marter – die Blutzeugen!, und wurde von der Erde
erhoben. Er pflegte öfters zu sagen, ein Christ müsse ein Märtyrer
sein. Ein Christ müsse immer bereit sein, Leib und Leben, Gut und
Blut für den Glauben zu lassen. Wenn er in Versuchung geriet, sich
zu ergötzen und an sich selbst Gefallen zu finden, so stellte er
sich einen Tyrannen vor, vor dem er seinen Glauben verteidigen
musste. Er stellte sich vor, wie jetzt das Todesurteil über ihn
gefällt wird. Er sah sich bald auf einem feurigen Rost liegen, bald
im siedenden Öl kochen. Bald sah er sich an dem schmerzvollen
Streckrahmen, bald an einem Kreuz hängen. Bei diesen Vorstellungen,
dass er ein Schlachtopfer des Glaubens sei, frohlockte seine ganze
Seele. Daher sagte er einst auf Ischia: Wie, wenn die Türken, die
blutdürstigen Feinde der Christen, an dieser Insel landeten! Sei es,
gaben ihm seine Mitbrüder zur Antwort, was würden sie denn machen,
Bonaventura! O, fuhr er voll Freude fort, welche Gelegenheit, das
Leben für Jesus zu lassen, Händen zu unterliegen, welche sich nur
deshalb bewaffnen, damit sie Christen ermorden können.
Diese Liebe war so heftig, dass
Bonaventura sogar mitten im Winter in Schweiß zerfloss. Er trug
daher immer ein Tuch in den Händen, um den Schweiß abtrocknen zu
können. Diese Liebe hat seine Augen bei jeder Gelegenheit in Tränen
aufgelöst. Sie schwächte seinen Körper, sie entriss ihn sich selbst,
sie erhob ihn von der Erde, um ihn seinem einzigen Gegenstand zu
nähern. Die Liebe legte ihm jene vertrauensvollen Worte auf die
Zunge: Was ist es anders, in den Himmel zu gehen, als ein einziger
Flug? So sagte er, heftete seine Augen an das Vaterland der Seligen
und fügte hinzu: O die unaussprechliche Barmherzigkeit Gottes!
Diese Liebe war eine starke Liebe, die
Liebe des Apostels, welcher alle Marterinstrumente, Feuer und
Schwert, aufforderte, seine Liebe zu prüfen. Bonaventura ging allen
Hindernissen, allen Beschwerlichkeiten und Widerwärtigkeiten mit
heiterem Angesicht entgegen. Er hatte in vielen Zeiten vieles zu
leiden, vieles von der Welt, vieles von der Armut des Klosters,
vieles von den Krankheiten, vieles von seinen Reisen. Die Liebe aber
gab ihm Flügel, dass er sich über alle Anliegen erhob. Wer einen
festen Glauben hat, sagte er, der wird von Gott alles erhalten, was
er will, alles! War er mit Widerwärtigkeiten wie ein Felsen auf dem
Meer mit Wellen umgeben, so wurde er eben so wenig durch die
Trübsal, wie die Felsen von den Wellen erschüttert. Hoffen wir auf
Gott, lauteten seine Worte. Wenn Gott für uns ist, wer wird gegen
uns sein? Niemand hat auf Ihn gebaut und ist zu Schanden geworden.
Aus diesem und aus dem ganzen Leben scheint die feurigste Liebe des
Seligen. So ist es kein Wunder, wenn der Geliebte den Liebenden,
Gott Seinen Diener mit den größten Gnaden und Gaben bereichert hat.
II. Kapitel
Seine Nächstenliebe
Seinen Nächsten lieben, weil er ein
Geschöpf Gottes ist, welches die Weisheit entworfen, die Allmacht
erschaffen und die Güte mit Gnaden überhäuft hat, - den Nächsten
lieben, weil er ein Ebenbild Gottes ist, ein Ebenbild, in welchem
die Vollkommenheiten Gottes wie in einem kurzen Begriff gesehen
werden, - ihn lieben, weil er ein Gegenstand der Liebe Gottes ist,
weil Gott in ihm wohnt und Sich an ihm erfreut, aus diesen
Beweggründen den Nächsten lieben, heißt Gott selbst lieben. Auf
solche Art hat Bonaventura Gott in seinem Nächsten geliebt. Er hat
sich auf das Genaueste mit diesem verbunden, um sich auf das Engste
mit Gott zu vereinigen. Sein ganzes Leben ist ein Beweis von dem
Gesagten.
Es hatte den Anschein, als wäre das
Gesetz, sich des Nächsten anzunehmen, nur für ihn allein gegeben
worden. So war ihm sowohl das geistliche als auch das zeitliche Heil
des Mitmenschen angelegen. Wegen des Nächsten wachte sein Herz,
seinetwegen redete sein Mund, seinetwegen hat er die Hände zum
Himmel erhoben, seinetwegen hat er die beschwerlichsten Reisen
unternommen, keine Mühe gescheut, den Leib erschöpft, und gern hätte
er für seinen Mitmenschen das Leben selbst gelassen. Er sprang allen
gleich bei, er machte keinen Unterschied unter den Personen, wohl
aber unter den Nöten. Die Heiligung der Seelen war seine erste Sorge
bei jeder Gelegenheit. Diese Liebe stärkte ihn auf den mühseligsten
Reisen. Sie ermunterte ihn bei den Gefahren des stürmenden Meeres.
Sie hielt ihn aufrecht auf den Wegen. Sie tröstete ihn in den
Widerwärtigkeiten und Unbilden. Sie nahm ihm sozusagen alles
Menschliche und machte ihn unempfindlich gegen alle Beleidigungen.
Sie versüßte ihm den Mangel am Nötigsten, verschaffte ihm einen so
herrlichen Sieg, dass sie selbst seine Ruhe, seine Nahrung geworden,
wie er selbst mit dem Apostel allen alles geworden ist.
An den Festtagen versammelte Bonaventura
die Kinder um sich, wie eine Glucke ihre Junge sammelt. Er wurde zu
einem Kind, um die Kinder zu guten Christen zu machen. Die Geduld,
welche bei Unterweisung des ersten Alters so notwendig ist, verließ
ihn niemals. Er brannte vielmehr von Liebe gegen die Kinder. Er
entzündete ihre jungen Herzen mit dem Feuer der Liebe Gottes, flößte
ihnen einen kräftigen Abscheu vor der Sünde ein und erweckte in
ihren Herzen die stärkste Begierde zur Tugend. Glückliche Kinder,
die einen solchen Seeleneiferer zum Lehrmeister hatten! Den
Erwachsenen predigte er mit solchem Geist, dass sie der Kraft seiner
Worte nicht widerstehen konnten. Er mochte nun öffentlich oder im
kleinen Kreis reden, so war kein Herz so verstockt, welches er nicht
erweicht hätte. Auch die Verwegensten ergaben sich den Tugenden des
Geistes, in welchem sie Bonaventura reden hörten. Alle Zuhörer
insgesamt wurden von der Ehrerbietigkeit, Hochachtung und
Bewunderung Gottes durchdrungen, von Freude entzückt, vom Verlangen
entzündet, vor Mitleid zerschmolzen und vom Schrecken erschüttert.
Die Waffen aber, mit welchen er die Sünder überwunden, ihre Herzen
besiegt hat, waren keine anderen als jene, von welchen der Apostel
spricht: nämlich die Liebe, die Sanftmut, die Zärtlichkeit des
Herzens, die Freundlichkeit der Stimme. Diese machten den Charakter
des Seligen aus, bildeten ihn zum vollkommenen Menschenfreund,
gewannen ihm die Gemüter, durch welche er die Seelen, diese
unschätzbaren Perlen, dem Herrn gewann.
Sein Beichtstuhl war nicht anders als
ein Schlachtfeld anzusehen, wo er einen Sieg um den anderen erhielt.
Da arbeitete er mit einer himmlischen Salbung und vermischte seine
mütterliche Güte mit einer väterlichen Strenge, goss Wein und Öl in
die Wunden, verwundete selbst und heilte wieder, durchdrang alle
Seelen mit dem Schwert des Wortes Gottes und hatte an seiner Liebe
gleichsam einen Magnet, durch welchen er auch eiserne Herzen an sich
zog und sie den ausgespannten Armen des Erlösers zurückgab. War es
nötig, so verstand er auch die Kunst, seiner Sanftmut eine
Ernsthaftigkeit zu geben. So hat sich seinem Oberen, wie einst
Paulus dem Petrus, widersetzt, welcher sich in dem, was unsere erste
Sorge sein sollte, in der Feier des Gottesdienstes etwas nachlässig
zeigte. Niemals aber ist sein Eifer heftiger entbrannt, wie uns die
Prozessakten erzählen, als wann er jemanden fluchen hörte. Er suchte
diesen auf, er fiel ihn mit den heftigsten Verweisen an, er brachte
ihn zum Zittern und ließ nicht nach, bis er auf den Knien Abbitte
leistete.
Die Liebe, schreibt Paulus an die
Korinther, die Liebe ist gelassen, freundlich, höflich und
wohltätig. Die Liebe ist geduldig, sie ist gütig. Sie legt alles auf
das Beste aus. Sie entschuldigt alles, sie verteidigt alles, sie
fällt über niemanden ein arges Urteil. Sie denkt nichts Böses. Sie
erträgt fremde Mängel und hat Mitleid damit. Sie leidet die
Ungemächlichkeiten, welche man ihr verursacht, ohne darüber zu
klagen. Sie äußert nicht einmal mitten unter den Beschimpfungen eine
Ahndung. Sie erträgt alles. So war die Liebe des Seligen Bonaventura
beschaffen. Unbilden, Beleidigungen, die bittersten Verfolgungen
selbst, nichts konnte seine Seele in Unordnung bringen. Er
betrachtete seine Feinde als Menschen, in welchen Gott wohnt, und er
liebte sie. Freilich kam es ihm zu Zeiten schwer an, sich zu
überwinden. Er gestand nach dem Bericht seiner Prozessakte seinen
Beichtvätern, dass er in dergleichen Gelegenheiten mit aller Gewalt
zu kämpfen habe, dass ihm die Adern anschwellen, dass ihm das Blut
in Wallung gerate. Aber er schweige und zwinge sich, keine Antwort
zu sagen, um sich auf diese Art zu besiegen. Ein junger Mensch raste
vor Zorn gegen den Diener Gottes. Er hatte durch seine Zusprüche
diesem ungehaltenen Sichem seine Dina aus den Händen gewunden, um
sie durch ihre ernsthafte Reue ihrer Fehltritte gegen alle
Nachstellungen ihres Verführers bewaffnet. Dieser sucht seinen
vermeintlichen Feind, den Bonaventura, auf. Er fällt ihn mit den
entsetzlichsten Schmähungen an. Ferner droht er ihm. Was tut
Bonaventura? Er wirft sich auf die Knie. Er hört geduldig alle
Schmähungen an. Nachdem sein Beleidiger seine Raserei beendet hat,
sagt er mit aller Sanftmut die wenigen Worte zu ihm: Was habe ich
dir Leids getan? Der junge Bösewicht wollte schon weiter gehen, von
den Worten zu den Schlägen kommen. Aber durch eine solche Sanftmut
beschämt hält er ein und geht fort, obwohl mit der Lästerung im
Mund.
Als er noch auf Ischia wohnte, hat ein
Missetäter, welchen man wegen seines Verbrechens des Todes würdig
hielt, sich in den Konvent geflüchtet. Frech beschuldigte er den
armen Bonaventura eines Kirchenraubes. Du, sagt er zu dem Seligen,
du Schauspieler, du bist der Dieb, welcher die Borden vom Altar
gestohlen hat. Du bist der Mann des Todes! Wen würde wohl solche
Beschuldigung nicht aufbringen? Nur ein Bonaventura konnte gelassen
bleiben. Dieser sanftmütige, liebe Mann schwieg nicht nur zu der
schrecklichen Beschuldigung, er trug diese nicht nur mit Geduld,
sondern übergab seinem Beleidiger auch sein bisschen Essen und
Trinken und verspricht ihm, solches so lang zu tun, wie er im
Konvent bleiben würde. Welche Liebe?
Bonaventura, dieser rechtschaffene
Arbeiter im Weingarten des Herrn, suchte diese Tugend auch in die
Herzen seiner geistlichen Kinder zu pflanzen. Einst kam M. Angela
vom Kreuz zum Beichten. Bonaventura fragte sie, was sie machen
würde, wenn sie derbe Schläge auszuhalten hätte? Die fromme
Schülerin verstand ihren prophetischen Lehrmeister nicht und sagte
zu ihm: Wer wird mich schon schlagen, wenn ich mich hüte, jemanden
zu beleidigen? Wenn es aber Gott zulässt, was wirst du tun? Ich
würde es mit Geduld von Seiner Hand annehmen, gab sie zur Antwort.
Nach zwei Tagen hat sie erfahren, dass ihr geistlicher Vater sie das
nicht ohne Grund gefragt hat. Sie fiel von ungefähr einem Bösewicht
in die Hände, der ihr die Faust so hart gezeigt, dass sie die
Streiche am vierten Tag noch fühlte. Auf eine gleiche Weise hat
Bonaventura die Laura von Montesusco zu Geduld und Leiden erzogen.
So sorgfältig nahm sich der Selige um
das Heil der Seelen an, für welche Jesus Sein Blut bis auf den
letzten Tropfen vergossen hat. Aber auch die Leiber der Menschen,
diese Meisterstücke des göttlichen Baumeisters, verdienten seine
Wachsamkeit. Er suchte die Kranken auf, verschaffte ihnen die
notwendige Pflege, schleppte selbst den Unterhalt bei, sorgte für
Arzt und für Arzneien. Es war ihm niemals der Ort zu entlegen,
niemals das Wetter zu ungestüm, niemals der Weg zu wild, die Stunde
zu unbequem. Er sah nicht auf seine eigenen Schwachheiten. Nur auf
die Mittel, dem Nächsten zu helfen, war sein ganzes Herz bedacht.
Diese Liebe war mit einer außerordentlichen Demut verbunden.
Bonaventura lässt sich zu den geringsten Diensten herab. Er betätigt
sich selbst als Krankenpfleger. Er reinigt das Geschirr. Er löst die
Binden auf und verbindet die Wunden wieder, nachdem er sie gesäubert
hat, ja er küsst die von stinkendem Eiter triefenden Wunden. Capri,
Ischia, Neapel, Amalsi, Atrani, Scala, Ravello, diese Orte können
uns sagen, mit welchem Eifer sich der Selige dem Dienst der Kranken
ergeben hat. Selbst sein Leben hat er der Gefahr ausgesetzt, um das
Leben seiner Mitmenschen zu bewahren.
Als er auf Ischia wohnte, vernahm er,
dass ein armer Mann durch einen Schlaganfall umgesunken war.
Bonaventura eilt mit der ihm gewöhnlichen Geschwindigkeit an den
Ort. Er findet den Unglücklichen, er ruft ihm als einem Halbtoten
zu, er legt sich auf ihn hin, Angesicht auf Angesicht, Hände auf
Hände, Brust auf Brust. Er versucht, ihm den Atem einzuhauchen. Da
er nichts ausrichtet, besinnt er sich nicht lange. Er lädt seinen
toten Bruder wie Tobias auf die Schulter. Er eilt mit diesen in das
nächste Gasthaus, ruft andere herbei und tut alles, was ihm die
Liebe eingibt.
Eine solche Liebe hat der liebe Gott mit
einer besonderen Gnade, mit der Gabe der Gesundmachung belohnt. Die
Prozessakten erzählen viele Heilungen der Kranken, welche
Bonaventura durch sein Gebet, durch Auflegung seiner Hände, durch
die Berührung mit seinem Gürtel, durch das Öl aus der Ampel des hl.
Antonius zuwege gebracht hat. Joseph Manso von Ravello lag in einem
Zustand nieder, bei welchem er durch Erhärtung der Nerven eine
vollkommene Lähmung erlitten hatte. Schon konnte er sich nicht mehr
regen. Mit höchster Not kommt er mit Hilfe seines Sohnes an zwei
Krücken in den Konvent. Kaum erblickt ihn Bonaventura, so sagt er
ihm, er werde sich zurückziehen. Darauf begibt er sich in seine
Zelle. Der Wundarzt Joseph D’ippolyto kam von ungefähr dazu und
wurde begierig zu sehen, was hier geschehen werde. Er hielt sich
verborgen, um den Diener Gottes durch seine Gegenwart nicht scheu zu
machen. Bonaventura kommt bald zurück. Er sagt zu dem Elenden: Mein
lieber Joseph, wie geht es dir? Seufzer aus dem Innersten des
Herzens, Worte, die der Schmerz verschlungen hat, waren die Antwort.
Ach, ächzte er endlich, mein Vater, ich bin so gut als tot. Sei wohl
auf, spricht ihm der Selige zu, bei Gott ist ja alles möglich. Der
Allmächtige kann dir helfen. Hast du ein starkes Vertrauen auf Ihn?
Glaubst du? Ich glaube, sagt der arme Tropf. Nun dann, fährt
Bonaventura fort, so knie nieder. Er hilft ihm, er hält ihn mit der
Hand, während er niederkniet. Er bereitet ihn zur Erweckung eines
lebhaften Glaubens vor, sagt ihm die heiligsten Anmutungen vor,
lässt ihn nachsprechen, befiehlt ihm, das Apostolische
Glaubensbekenntnis und endlich das Gebet des Herrn, das Vater unser
zu beten. In dieser Stellung lässt auf einmal Joseph ein großes
Geschrei los. Er springt mit neuen Kräften ausgestattet auf. Trunken
von Trost sagt er: O mein Vater, was ist dieses? Du hast mich
geheilt. Ich bin nicht mehr ich! Mit gelassener Stimme antwortet ihm
der Heilige: Der dich geheilt hat, Sohn, ist der Herr, die
Barmherzigkeit des Herrn, die Allmacht Gottes. Sei du dankbar und
schweige. Danach hat sich der Selige Gottes in seine Zelle
eingesperrt. Den ganzen Tag hat er sich nicht mehr sehen lassen.
Joanna Cippolla lag zu Bett. Schwarzes
Blut floss aus einem Auge und sie war augenscheinlichen in Gefahr,
auch das andere zu verlieren. Bonaventura kommt zu ihr, muntert sie
zur Geduld und Ergebung in den göttlichen Willen auf. Er sagt ihr,
sie möge die Binde von den Augen hinweg nehmen. Unterdessen wirft er
sich auf die Knie nieder, ruft den hl. Antonius in seinem
Responsorium an. Er nimmt seinen Gürtel, macht mit dem Ende des
Gürtels ein Kreuz über beide Augen, und in dem Augenblick sind beide
Augen gesund und sind das ganze Leben hindurch gesund geblieben.
In den Prozessakten sind mehrere
ähnliche wunderbare Heilungen zu lesen, durch welche Gott die Liebe
des Heiligen gekrönt hat.
III. Kapitel
Seine Andacht zu Maria, der seligsten
Jungfrau,
und sein beständiges Gebet.
Gleichwie derjenige, der nur die Person
des Königs und nicht auch seine Hofherren ehrt, dem König kein
Genüge leistet, so wird auch derjenige den ganzen Tribut der Liebe
dem höchsten Gott nicht bezahlen, der nicht zugleich auf die
Geschöpfe seine Augen richtet, welche mit Gott in enger Verbindung
stehen. Diese Geschöpfe sind die Heiligen, diese besonderen Freunde,
diese Kinder Gottes. Nach der hochheiligen Menschheit, welche das
Wort Gottes angenommen hat, ist kein vornehmeres Geschöpf aus den
Händen des Allmächtigen hervorgegangen als Maria, die Mutter Gottes.
Gott allein steht über sie. Unter ihr steht alles, was nicht Gott
ist, wie sich der Heilige Anselm, ihr besonderer Verehrer,
ausdrückt.
Bonaventura hat sich von Kindsbeinen an
dem Dienst Mariä hingegeben. Glückselige Kinder, die sich so bald
dem Schutz einer solchen Mutter anvertrauen! Diese Andacht aber war
bei Bonaventura keiner kindischen Unbeständigkeit unterworfen. Er
hat vielmehr diese bis an das Ende seines Lebens fortgesetzt und in
dem Dienst Mariä sein größtes Vergnügen gefunden. Die Vorabende der
Festtage dieser großen Frau, die Samstage, welche besonders ihrer
Ehre gewidmet sind, hat er bei Wasser und Brot zugebracht. Täglich
hat er Maria durch die kleinen Tagzeiten und Litaneien verehrt. In
allen Handlungen, besonders in wichtigen Unternehmungen, hat er die
Himmelskönigin um ihren Beistand angefleht, zur Ehre ihrer mehr denn
engelhaften Reinheit drei Mal den Engel des Herrn gebetet. Er konnte
den Namen Mariä nicht nennen, er konnte von den Gaben, mit welchen
sie von Gott zu dem größten Werk der Menschwerdung vorbereitet
worden ist, nicht reden, ohne im Angesicht zu glänzen.
Besonders hat Bonaventura die Seligste
Jungfrau in Hinsicht auf ihre Unbefleckte Empfängnis verehrt. Diese
Andacht, welche dem Franziskanerorden gleichsam eigen ist und in
diesem Orden eine Erbandacht genannt werden kann, beseelte sein
ganzes Herz. Maria ist ohne Makel, sie ist ganz schön, sie ist ganz
rein. Dergleichen Lobsprüche sprach er mit einer Art aus, dass man
sah, sie kamen aus seinem Innersten. Er hörte nicht auf, jenen
Augenblick zu preisen, welcher Maria zu der Glückseligsten,
Heiligsten und Schönsten aller Geschöpfe gemacht hat, der sie auf
die erhabenste Weise zu allen Vortrefflichkeiten bereitet hat, mit
denen sie einmal erfüllt werden sollte, der ihr von Anfang an die
Gunst des Himmels zugezogen hat, dass sie der Himmlische Vater für
Seine vielgeliebte Tochter, das Ewige Wort als Seine Mutter und der
Heiligen Geist als Seine Braut ansah. Für jenen unvergleichlichen
Augenblick hatte der Selige die trefflichsten Ausdrücke, die
erhabensten Lobsprüche. Wäre ich nur ein anderer Scotus!, pflegte er
zu sagen. O dass ich nur eine Gelegenheit hätte, Maria, die
Unbefleckt Empfangene, gegen ihre Feinde zu verteidigen!
Auf Ischia hat er sich mit anderen
Geistlichen in ein Gespräch über die Bedeutung der Himmelskönigin
eingelassen. Vom Eifer entflammt, fortgerissen vom Trieb seiner
Andacht, ruft er aus: Maria ist unbegreiflich schön aus den Händen
Gottes gekommen. Der Mächtige hat an ihr getan, was Er gekonnt hat.
Er sparte an dem Tempel, welchen Er selbst bewohnen wollte, nicht
das Mindeste. Es fragte ihn einer, wie er seine Aussage erproben
wolle. Mit meinem Hals, gab er zur Antwort, und streckte diesen wie
zum Schwertstreich hin. Alle staunten über den Eifer des Seligen. Es
ist aber nicht verwunderlich, dass er sich so sehr der Ehre Mariä
angenommen hat. Er zeigte sich wie ein Kind. Maria hat sich aber
auch allzeit als eine Mutter gegen ihn gezeigt. Er rief sie in allen
Nöten an, und sie hat ihm aus allen Nöten geholfen. Er flehte zu ihr
in den Versuchungen, und durch ihre Fürbitte hat er diese
überwunden. Er nannte in den größten Schmerzen den Namen Mariä, und
sein Gemüt wurde aufgeheitert. Er hat Maria, diese Königin, allzeit
auf der Seite ihres Sohnes stehend gefunden, bereit, denen
beizuspringen, von welchen sie angerufen wird.
War die Andacht des Seligen groß zur
göttlichen Mutter, so war sie noch größer zum Göttlichen Kind. Bald
stellte sich Bonaventura das Jesuskind in der Krippe zu Bethlehem
vor, bald auf den Armen Mariä. Bald fühlte er eine heilige
Eifersucht, da er dieses Kind in den Armen seines heiligen
Mitbruders von Padua erblickte.
Nach diesen Andachten zu Jesus und Maria
teilte er seine übrige Andacht, wenn man so reden darf, nach dem
Rang der Heiligen. Aber diese seine Andacht zu den Heiligen war
keine trockene Andacht, welche nur in Worten, in einigen Gebeten
besteht. Bonaventura trat in die Fußstapfen der Heiligen. Er ahmte
ihre Tugenden nach. Er sah sie als ein Vorbild an, welches die Liebe
Gottes zum Besten der schwachen Menschen herausgestellt hatte, damit
sie den Knechten nacheiferten, wenn ihnen das Beispiel des Herrn,
des göttlichen Lehrmeisters, über ihr Vermögen erschien. Besonders
hat Bonaventura seinen heiligen Vater Franziskus verehrt. Er brachte
einen guten Teil der Nacht bei seinem Altar zu, hält zu seiner Ehre
die strengsten Fasten und wird entzückt, wenn er nur ein Wort von
seinem Grab in Assisi hört.
Bonaventura war nicht nur ein großer
Verehrer des großen Wundertäters von Padua, des hl. Antonius,
sondern er suchte auch eine gleiche Andacht zu diesem Heiligen in
anderen Herzen zu erwecken und brachte es so weit, dass man von ihm
sagte: Bonaventura könne von dem hl. Antonius haben, was er wolle.
Wer ein Anliegen hatte, kam zu ihm und sprach ihn um sein Gebet zum
hl. Antonius an.
Durch diese verschiedenen Andachten, mit
welchen er niemals ausgesetzt hat, ist das Leben des Seligen eine
immerwährende Andacht geworden, und er erfüllte den Befehl des
Herrn: Betet ohne Unterlass. Bald lag er in der Zelle auf den Knien,
bald streckte er sich auf die Erde hin und goss die Seufzer seiner
inbrünstigen Seele aus. Im Chor erbaute er alle Anwesenden durch
seine Eingezogenheit. Ganze Nächte wachte er bei den Altären,
zerschmolz da in Tränen und erhob sich von der Erde. Durch was
anderes als durch sein immerwährendes Gebet hat er den Arm Gottes,
welcher den Willen derjenigen tut, die Ihn fürchten, zu Seinen
Wundern gewonnen?
IV. Kapitel
Seine unbefleckte Reinheit
Dieses ist der Wille Gottes, unsere
Heiligkeit, spricht der Apostel. Damit er aber alle Zweifel
auflöste, was er für eine Heiligkeit meine, ob er auf die
Gerechtigkeit, auf die Liebe, auf die Demut oder sonst auf eine
Tugend abziele, durch welche wir geheiligt werden können, so fährt
er fort und nennt die Keuschheit. Dieses ist der Wille Gottes, eure
Heiligkeit, damit ihr abstehet von aller Unreinheit, damit ein jeder
wisse, seine Glieder in Heiligkeit und Ehre zu besitzen, nicht in
der Leidenschaft des Verlangens, wie die Völker, welche von Gott
nichts wissen. Der Apostel hat die Reinheit für nichts anderes als
den kostbarsten Schatz angesehen. Wer aber diesen Schatz erhalten
will, der muss wachen und streiten. Benediktus hat sich in den
Dornen gewälzt, seinen Leib zerrissen, um diesen Schatz nicht zu
verlieren. Franziskus vergrub sich aus gleichem Grund unter dem
kältesten Schnee. Bernardus versenkte sich bis an den Hals in
eiskaltes Wasser. Es stellen diesem Schatz nicht nur äußerliche
Feinde nach, die innerlichen sind für ihn allzeit die
gefährlichsten. Der selige Bonaventura wusste es wohl und setzte
daher vor allem ein Misstrauen auf sich, rief mit dem hl. Augustinus
zu Gott und sagte: Der Du Enthaltung befiehlst, gib mir, was Du
befiehlst und befehle, was Du willst. Er wusste von dem weisen Mann,
dass er ohne die Gnade des Herrn nicht keusch sein könne. Er bat
daher demütig um diese Gnade.
Nach diesem demütigen Gebet zu Gott
kasteite der Diener Gottes nach dem Beispiel des Völkerlehrers
seinen Leib und suchte diesen der Botmäßigkeit des Geistes zu
unterwerfen. Den Schlaf hat er durch die Wachsamkeit, den Fraß durch
die Mäßigkeit, die Weichlichkeit durch die rauesten Arbeiten
bekämpf. Man konnte von ihm sagen, was der hl. Hieronymus von dem
hl. Hilarion schrieb: Er zürnte über sich selbst, zerschlug die
Brust mit Fäusten, als wenn er die Gedanken durch die Streiche der
Hand verjagen könnte. Ich will schon machen, sprach der zu seinem
Leib, ich will schon machen, du unbändiges Tier, dass du nicht
ausschlagen sollst. Ich will dir den Hafer entziehen und dich mit
Hülsen ernähren. Ich will dich mit Hunger und Durst ausmergeln, und
du wirst zahm werden.
Drei Jahre lang hat dem Bonaventura der
Satan nachgestellt. Da gab es keinen Waffenstillstand. Der Streit
dauerte immerfort. Das Fleisch focht den Geist an. Die Schwachheit
reizte. Bonaventura befand sich auf einer Klippe, in Gefahr, jeden
Augenblick hinabgestürzt zu werden. Die Gnade aber hat ihn erhalten.
Er blieb eine unverletzte Lilie. Er hat sich mit den Dornen der Buße
umzäunt, dass ihm die Feinde nicht nahe kommen konnten. Obschon er
in anderen Dingen mit vielen Skrupeln geängstigt worden ist, so war
er doch hier ganz ruhig. Wie er einem Vertrauten bekannte, so hat
sich der Teufel zwar viel Mühe gegeben, aber nur Mücken gefangen.
Alle seine Worte hat er auf der
Waagschale der Bescheidenheit abgewogen, um nur kein Wort zu reden,
welches ein Engel aus Fleisch und Blut nicht reden dürfte. Die
Augen, jene Fenster, durch welche der Tod bei so vielen hinein
gestiegen ist, verschloss er sorgfältig. Er wollte keine sterblichen
Schönheiten sehen, um zu der unsterblichen und unveränderlichen
Schönheit des schönsten Gottes zu gelangen. Er mochte sich nicht
einen Augenblick belustigen, um ewig zu brennen. Wie seine
Prozessakten sagen, so war Bonaventura nicht nur keusch in seinen
Augen, keusch in seinen Reden, sondern er hat durch seine Reinheit
auch in anderen Herzen keusche Gedanken und heilige Begierden
erweckt.
Gleich wie nun die Reinheit eine Gott
höchst gefällige Tugend ist, von welcher Jesus selbst sagt: Selig
sind, die eines reinen Herzens sind; denn sie werden Gott anschauen.
Also fängt der Herr schon auf Erden an, diese Reinheit zu belohnen.
Einige Seiner unbefleckten Diener hat Er mit der Gabe beschenkt, die
reinen Tauben von den schwarzen Raben, die Unkeuschen von den
Keuschen zu unterscheiden. Sie nahten sich nicht ohne Ekel
dergleichen Sündenböcken. Nichts anderes als wenn ein unerträglicher
Gestank von ihnen ausging, entfernten sie sich von jenen Plätzen.
Einer von denen, welche diese Gnade von dem Liebhaber reiner Seelen,
vom höchsten Gott empfangen haben, ist Bonaventura gewesen.
Das andere Geschlecht, in dessen
Gegenwart die Begierlichkeit wie ein Feuer aufbrennt, hat der Selige
auf alle Art und Weise geflohen, weil hier der Sieg nicht anders als
durch die Flucht erhalten werden kann. Samson, schreibt der hl.
Hieronymus, war stärker als ein Löwe, härter als ein Felsen. Dieser
Mann, der allein tausend Bewaffnete verfolgt hat, erweichte in den
Armen einer Dalila. David, jener Mann nach dem Herzen Gottes, sah
die Bethsabea in einem Bad, und brannte. Salomon, der weise Salomon
ist von dem Herrn abgewichen, sobald er ein Liebhaber der Frauen
geworden ist. Bonaventura wollte daher fliehen, um sich durch die
Absonderung von dem anderen Geschlecht den Streit leichter und den
Sieg gewisser zu machen. Nachdem er sich aber auf die Leitung der
Seelen verlegt hat und gleichsam gezwungen worden ist, sich jenes
Geschlechtes anzunehmen, welches das andächtige genannt wird, so
verdoppelte er seine Wachsamkeit, seine Strenge, und tötete
sozusagen seinen Leib, um wie ein Geist ohne Anfechtung erscheinen
zu dürfen. M. Angela, welche zwölf Jahre hindurch seine geistliche
Tochter war, gibt ihm das Zeugnis, dass, obschon sie vielmals zu ihm
gekommen ist und viel wegen der Besorgung der Kranken und der Armen
mit ihm zu tun hatte, sie doch niemals eine menschliche Schwachheit
an ihm entdeckt habe. Sie habe sich vielmehr eingebildet, mit einem
Engel aus dem Himmel zu reden.
Welches Wunder ist es also, wenn diese
Lilie, die niemals von einer bösen Lust angehaucht worden ist, die
immer rein, unbefleckt blieb, den angenehmsten Geruch aushauchte.
Der Wundarzt, welcher die Wunden des Seligen verband, legt davon mit
den zärtlichsten Worten Zeugnis ab. Einen solchen Geruch, sagt er,
hat die Erde nicht. Er kann mit keinem irdischen verglichen werden.
Das nämlich bekennt die Schwester M. Angela, welche glaubte, in das
Paradies versetzt zu sein, als sie die Luft um den Seligen mit einem
solchen Geruch vermischt fand. Sie beichtete einst, und auf einmal
brach sie die Beichte ab. Bonaventura fragte sie, was sie treibe,
warum sie auf ein Mal abbreche. Ich weiß, hat sie geantwortet, dass
Sie keine riechenden Wasser bei sich führen, und doch merke ich
einen Geruch, der mich außer mich selbst bringt, der mich in die
Gegenden des Paradieses versetzt. Bonaventura aber sagte: Der gute
Geruch, von dem du redest, ist ein Gestank. Weißt du denn nicht,
dass mein Körper schon in die Verwesung geht, fault und die Luft mit
Gestank ansteckt? So redete der Demütige, da unterdessen nicht nur
sein Leib den angenehmsten Duft von sich gab, sondern auch seine
Kleider und, was er immer berührte, nach dieser Lilie roch,
besonders der Kelch, dessen er sich bei der Heiligen Messe bedient
hat. Er ward dem kostbaren Balsamgeschirr gleich gehalten. Dieses
war das Zeugnis des Himmels, welches er der Reinheit des Dieners
Gottes abgelegt hat. Der unvergleichliche Geruch nach seinem Tod,
die Unverwestheit seines Körpers, was sind sie anderes als lebendige
Stimmen, welche seine engelhafte Reinheit bezeugen?
V. Kapitel
Von seinen Bußwerken und seiner Armut
Die Heiligkeit besteht in dem Sieg,
welchen der Mensch durch die göttlichen Beispiele über sich selbst
erkämpft. Dieser Sieg aber kostet viel Mühe, viel Kampf. Unser
Seliger hat sich in diesem Krieg besonders hervorgetan. Er hat sich
selbst als seinen ärgsten Feind angesehen, sich bekämpft und
glücklich überwunden. Er war noch ein Kind, und schon ein Feind des
alten Adams, der in den Neigungen aufwachte. Er fing an, diesen
durch Bußwerke zu bezähmen. Wie sein Körper zunahm, so nahmen auch
die Peinzeuge und Bußzeuge zu. Nichts konnte ihn von diesen
abhalten. Mäßigen konnten diese gefährliche Krankheiten, welche ihn
ohnehin genug quälten, oder der Befehl der Oberen oder das eigene
Gewissen oder der Kampf selbst, weil er minder gefährlich war. Wir
wissen, welchen und wie vielen leiblichen Schwachheiten der Diener
Gottes unterworfen gewesen war, kaum dass sein Körper lebte, und er
hasste diesen noch. Die grimmigsten Schmerzen durchtobten sein Knie,
und er schonte dieses nicht. Seine Lenden sind durchfressen, seine
Brust erschöpft, und er rennt mit apostolischem Eifer den Seelen
nach. Hat er die Last des Tages getragen, so ist es nicht genug,
sich vor Gott einen unnützen Knecht zu nennen. Er züchtigt sich als
einen solchen mit blutiger Geisel. Diese Verbitterung gegen sich
selbst war ihm nicht genug. Er entzog sich auch dasjenige, was ihm
notwendig war.
Der Gebrauch des Ciliciums ist in der
göttlichen Schrift sehr bekannt. Judit trug eines auf den Lenden.
Wenn die Feinde dem David beschwerlich waren, so legte er ein
Cilicium an. Wenn die Pest in sein Land einreißt, so tut er das
gleiche. Als Joram von einer Mutter hört, dass sie im Hunger ihr
Kind umgebracht, gekocht und gegessen habe, so zerreißt er seine
Kleider, und das ganze Volk sah das Cilicium, welches er auf dem
Fleisch trug. So war es immer der heilsame Gebrauch bei den
Israeliten, sich durch Anlegen des Ciliciums vor dem Angesicht des
Herrn zu verdemütigen. Bonaventura trug ein Cilicium auf seinen
Lenden, auf seiner Brust eine stachlige Tierhaut, auf dem ganzen
Leib nichts als raues Zeug. Alle seine Glieder waren in Cilicium
eingewickelt, schier wie der Leib des hl. Johannes des Täufers, der
sich einer Kamelhaut statt des Rocks bedient hat.
Das Abbrechen des Schlafes ist ein
Bußwerk, welches den Dienern Gottes in den ersten Zeiten sehr
bekannt war, und auch in den letzteren noch hat es Heilige gegeben,
welche sich in diesem Bußwerk geübt haben. Der hl. Petrus von
Alkantera bediente sich einer Zeit von anderthalb Stunden zum
Schlaf, und dieses 40 Jahre lang, wie uns die Bulle seiner
Heiligsprechung erzählt. Der hl. Karl von Borromäo wachte eine
längere Zeit der Nacht, als er schlief. Doch verlängerte er hernach
die Nachtruhe, weil er sah, dass er tagsüber bei seinen öffentlichen
Tätigkeiten vom Schlaf überfallen wurde. Bonaventura ahmte in diesem
Stück den Heiligen nach und gönnte seinem Leib auf seinen harten
Brettern keine längere Zeit als zwei Stunden zur Nachtruhe. Bei
diesem Bußwerk muss die Bescheidenheit besonders herrschen, damit
man nicht mit einem Raub, wie sich der heilige Hieronymus ausdrückt,
Gott ein Opfer macht, indem man seine Gesundheit schwächt und das
Leben abkürzt.
Durch Fasten kasteie ich meinen Leib,
sagt der Apostel. Bonaventura eiferte ihm nach. Wir haben schon
gehört, wie streng er im Fasten gegen sich war. Sein Gaumen kannte
die menschlichen Speisen nicht, so wenig hat er sich dieser bedient,
um sie zu genießen, weil er in der Tat nur gegessen hat, um zu
leben.
Weil ihm bekannt war, dass ein jeder
Mensch von seiner Begierlichkeit angefochten wird, dass diese wie
eine Last in die Sünde hinabzieht, so wünschte der Diener Gottes,
dass alle wie er ihr Fleisch kreuzigen und dieses durch den Geist
der Abtötung der Herrschaft der Seele unterwerfen. Er predigte daher
die Buße, die Werke der Buße. Er predigte diese mit einer so
anziehenden Art, dass sich auch die zartesten Personen diesen mit
Freuden unterwarfen. Er setzte den ganzen Menschen in Brand, ohne
ein wildes Feuer daraus werden zu lassen, welches ohne Leitung um
sich greift und sich in der Regel zuletzt bald genug in sich selbst
verzehrt. Bonaventura bremste vielmehr jene, die anfangs zu hitzig
mit sich selbst verfuhren. Er trieb aber auch andere an, welche
zuviel Mitleid mit sich selbst hatten. Die Bescheidenheit legte ihm
immer die Worte auf die Lippen.
Einst hatte der Selige seiner
geistlichen Tochter M. Angela ein Bußwerk auferlegt, welches sie in
der Nacht zum Trost der Armen Seelen verrichten sollte. Sie fühlte
Widerwillen, und beinahe wäre sie der Versuchung, das Bußwerk zu
unterlassen, unterlegen, als ihr der Selige erscheint, sie mit
drohender Stimme anredet und zur Vollziehung der Buße aufmuntert.
Ist dieses dein Gehorsam, dein Eifer, sagt er zu der Nachlässigen.
Auf, überwinde und geißle dich. Sie besinnt sich nicht lang und
vollzieht den Befehl. Es stiegen ihr hernach verschiedene Gedanken
auf, ob es eine wahre Erscheinung oder ob es nur ein Traum gewesen
sei. An dem ersten Morgen eilt sie zur Kirche. Der Beichtvater kommt
ihr entgegen. Ehe sie ein Wort sagt, redet er sie mit der gleichen
ernsthaften Stimme an, ob sie nicht wisse, dass die Armen Seelen an
dem Montag eine Steuer von ihr verlangen? Warum hast du gezaudert
und nicht gleich gehorcht? Jetzt legt sie ihren Zweifel ab und
erkennt das Wunder. Beschämt verspricht sie, künftig besser zu
gehorchen.
Gleichwie aber Bonaventura durch die
Strenge der Abtötung die Begierlichkeit des Fleisches überwunden
hat, so überwand er durch sie auch die Begierlichkeit der Augen. Er
war arm, ganz arm, und schätzte sich als den Reichsten. Auch weil er
der Begierde abgestorben war, konnte man ihn er für einen
himmlischen Menschen ansehen. Gekleidet war er armselig, und seine
Kleidung war mehr dazu gedacht, ihn zu quälen, als ihn zu bedecken,
weil er sich durch die Kleidung der Sünde erinnerte, wegen der die
Kleider eingeführt worden sind. Die Einrichtung seiner Zelle bestand
aus einem ungeformten kleinen Tisch, einem hölzernen Kruzifixbild,
einigen Papierbildchen und drei Brettern mit einem Sack, auf welchem
ein alter Fetzen von einer Decke lag. Geschah es, dass er eine
bessere Decke erhielt, so vertauschte er sie mit einem Kranken. Fand
sich ein gutes Herz, welches Mitleid mit ihm hatte und schickten ihm
gute Freunde Speise und etwas Kleidung, so konnte er nicht bewegt
werden, dieses anzunehmen. Er hatte ein besondere Abscheu, von den
Beichtkindern nur das Mindeste anzunehmen; denn er wollte ein freies
Herz und eine freie Zunge haben. Das Geld war ihm immer zuwider.
Wenn er ohne Begleiter reisen musste und ihn die Oberen zwangen, ein
Reisegeld anzunehmen, so wurde er solange im Geiste geängstigt, bis
er dieses entweder den Armen ausgeteilt oder in die Hände eines
Oberen zurückgegeben hatte.
Einst sah ihn ein Geistlicher etwas
zahlen, und er stellte sich, als ob er sich darüber ärgere. Was,
sagte er, der Pater Bonaventura hat Geld? Der Diener Gottes erschrak
darauf und zitterte, wie ein Mensch zittert, der bei einem großen
Laster erwischt worden ist. Er antwortete zwar dem Geistlichen,
sagte aber nicht, dass dieses ja erlaubt sei, sondern dass er von
seinem Oberen die Erlaubnis dazu bekommen habe.
Ein anderes Mal hat er Geld von seinem
Oberen empfangen, um dieses einem Handwerker einzuhändigen.
Bonaventura wartet lang auf diesen. Da er aber nicht kommt, bringt
er das Geld in seine Zelle. Er geht abends zu Tisch und denkt nicht
mehr an das Geld. Es bleibt über Nacht in seiner Zelle liegen. Am
Morgen erblickt er es und erschrickt. Die kurze Zeit, der geringe
Wert des Geldes selbst und die Vergesslichkeit sagten ihn von aller
Schuld los. Doch hatte er keine Ruhe, er geht und beichtet.
VI. Kapitel
Seine tiefe Demut
Gedenkst du, ein großes Gebäude der
christlichen Vollkommenheit aufzurichten, so denke zuerst an das
Fundament der Demut, so spricht der hl. Augustinus. Dort ist keine
Tugend, sagt der hl. Chrysostomus, wo die Demut nicht ist. Wer durch
diese einen rechten Grund gelegt hat, wird das Gebäude nach seinem
Gefallen zur Höhe aufrichten können. Die Demut unterscheidet die
Gerechten von den Sündern wie die Morgenröte den Tag von der Nacht.
Wie die Sonne das Licht anderer Planeten, so ersetzt die Demut den
Mangel an anderen Tugenden. Sie zeichnet den eigentlichen Charakter
der Jünger Jesu aus, der gesagt hat: Ich bin sanftmütig und demütig
von Herzen. Dem Demütigen ist die Gnade versprochen, in ihrem Schoß
will der Geist des Herrn ruhen.
Unser Seliger hat sich durch die Demut
in der Wahrheit den Namen eines Jüngers Jesu verdient. Sein ganzer
Lebenslauf war nichts anderes als eine beständige Verleugnung und
Herabsetzung seiner selbst. Ein Weltkind, ganz von der Eitelkeit
betört, trachtet nicht mit solcher Begierde nach einer glänzenden
Ehrenstelle, als sich Bonaventura vor aller Augen zu verbergen
suchte. Wenn er auch seine Werke sehen lassen musste, so suchte er
doch, seine Meinung verborgen zu halten. Er aß kein Fleisch oder nur
selten und gab vor, dass er das Fleisch nicht vertragen könne. Er
stand öfters hungrig vom Tisch auf und tat, als wenn er sich noch so
satt gegessen hätte. Er schläft auf einem rauen Sack, öfters auf dem
bloßen Boden. Durch heiligen Betrug schützt er sich gegen die
Neugier. Aber er glückte ihm nicht immer, sich und seine Tugenden zu
verbergen. Das Licht, welches ihn öfters umglänzte, der Geruch,
welcher sich aus seinem verwundeten Leib in die Luft ergoss, die
Entzückungen am Altar und auf dem Heiligen Rednerstuhl, die Liebe,
mit welcher er zum Besten des Mitmenschen die beschwerlichen Dinge
unternahm, verrieten die Heiligkeit seines Herzens. Sein Licht
leuchtete vor den Menschen. Die Menschen aber, welche gewohnt sind,
nicht immer auf den Ursprung des Lichts zurückzugehen, um den Vater
zu benedeien, der im Himmel ist, erhoben hier und dort den Diener
Gottes und lobten ihn in das Angesicht. Er verwies seinen
Lobsprechern ihre Eitelkeit, gab ihnen solche Antworten, durch
welche er in der Demut noch mehr gefestigt worden ist, und floh in
seine Zelle, um sich dort als den größten Sünder zu züchtigen.
Wie sich doch der Demütige zu allem
gebrauchen lässt. So traf man einst den Diener Gottes früh in der
Küche an, wo er etwas zum Essen zubereitete. Es schicke sich gar
nicht, sagt man ihm, dass ein Priester solches tut . Dies sei die
Arbeit der Laienbrüder, welche deswegen aufgenommen werden, damit
sie die Arbeit verrichten und die Priester bedienen. Bonaventura
antwortet seinen Mitbrüdern, sie sollten sich nur zufrieden geben.
Es sei ja besser, wenn die Sache durch priesterliche Hände gehe.
Maria Angela beobachtete an ihrem
Seelenhirten, dass er im Winter bei der größten Kälte immer
schwitzte und tropfnass war. Das ist nichts Natürliches, sagte sie
zu ihm. Dies ist ein Wunder, und dieses Wunder wird sich auch nach
Ihrem Tod an der Leiche noch zeigen. Meinst du, ich werde vor dir
sterben?, gab ihr der Selige zur Antwort, und lenkte das Gespräch
auf eine andere Sache.
Wenn er seinem Lob nicht anders
ausweichen konnte, so nahm er seine Zuflucht zu seinem geringen
Herkommen. Mein, sagte er, wie könnt ihr doch etwas Gutes von mir
denken, etwas Großes an mir suchen? Ihr könnt mich gar nicht kennen.
Ich stamme von den geringsten Eltern ab. Meine Freunde sind alle
arm, und die Kinder meiner Geschwister sind durch das Almosen
ausgesteuert worden.
Wenn sich jemand dem Diener Gottes in
das Gebet befiehlt oder, um seine Hochachtung zu bezeugen, ihn
besucht, so nennt er sich einen Sünder. So hatte sich schon sein hl.
Vater Franziskus gedemütigt und sich den sündhaftesten Menschen
genannt. Als ihn sein Begleiter fragte, wie er sich doch mit
Wahrheit den größten Sünder nennen könne, da er sich doch von allen
Lastern enthalte, in welche sich so viele andere stürzen, gab er zur
Antwort, er glaube sicher, dass der ärgste Bösewicht Gott weit
inbrünstiger lieben würde, wenn er von Gott mit den Gnaden
unterstützt würde, welche ihm zukommen. Ferner sagte er, ich würde
in Laster stürzen, welche sich noch kein Mensch getraut hat zu
begehen, wenn mir Gott einen Augenblick diese Gnaden entziehen
würde. Bonaventura, dieser würdige Sohn, ahmte dem Beispiel seines
heiligen Vaters auf das Genaueste nach, ja, er kam durch die Demut
so weit, dass ihm Zweifel aufstiegen, ob er nicht die Flamme der
Liebe in seiner Brust unterdrücken müsse, wie er die Sache einem
Freunde anvertraut hat und die Prozessakte berichtet. Wenn das Volk
zu mir kommt, um etwas zu begehren, was ein Werk der göttlichen
Barmherzigkeit oder eine Frucht des Glaubens bei den Kranken ist,
sagte er, so nennen sie mich einen Heiligen. Doch bin ich der größte
Sünder, unwürdig, dass mich die Erde trägt. So ist der Gerechte ein
Ankläger seiner selbst, wie die Sprichwörter Salomons sagen.
Der Selige hat aber nicht nur durch
Worte, sondern auch durch Werke gezeigt, wie weit er sich selbst
allen anderen hintan setzte. Die geringsten Arbeiten waren ihm die
angenehmsten Arbeiten. Er trug Wasser herbei, schleppte das Holz
heran, säuberte das Geschirr, reinigte die Gänge, sammelte das
Almosen, kurz, er tat alles mit einer munteren Geschwindigkeit, was
sonst das Amt der Laienbrüder ist, was Pflicht und Beruf von diesen
fordert.
Es ist keine besondere Demut, schreibt
der hl. Chrysostomus, sich den Höheren zu unterwerfen. Dieses
fordert die Pflicht. Dann aber ist es eine wahre Demut, wenn wir
denen hintan setzen, welche uns geringer erscheinen, und diejenigen
ehren, welche der Ehre weniger als wir würdig zu sein scheinen. Wenn
wir gemäß dem Herrn klug sind, so werden wir niemanden für geringer
halten, sondern denken, dass wir von allen Menschen übertroffen
werden. Ich sage dieses nicht nur von uns, die wir mit unzählbaren
Sünden überhäuft sind, sondern auch von denen, welche sich einer
Menge verdienstreicher Werke rühmen können. Wenn sich diese nicht
demütigen, die Letzten und Geringsten zu sein, so werden sie von dem
ganzen Schatz ihrer Verdienste keinen Nutzen haben. Bonaventura hat
sich keinen Menschen vorgezogen, auch dem geringsten Laienbruder
nicht. Wenn er mit solch einem allein einen Konvent bewohnt hat, so
würdigte er diesen aller Achtung. Ja, er unterwarf sich ihm, machte
aus seinem Untergebenen einen Oberen. Er geht nicht ohne seine
Erlaubnis aus. Er gibt ohne seine Bewilligung kein Almosen. Er hängt
gleichsam ganz von dem Bruder ab, wie in Ravello geschehen ist.
Schlecht gekleidet, vom Alter, von
vielen Krankheiten und von Leibschmerzen geschwächt, hatte der gute
Mann viele unter der Kälte zu leiden. Einstmals zittere er an allen
Gliedern, ging in die Küche, um sich zu wärmen, fand aber kein
Feuer. Er will eines anzünden. Der Laienbruder kommt dazu, murrt und
sagt ihm, es sei noch keine Zeit, Feuer anzuzünden. Er wisse ja,
dass sie Mangel an Holz haben. Bonaventura geht, ohne ein Wort zu
sagen, wie ein armer abgewiesener Bettler aus der Küche. Er reibt
die zitternden Hände und haucht in diese. Als ihn Octavian Deliani
fragt, warum er nicht zum Feuer gehe, so gibt er voll Demut zur
Antwort, der liebe Bruder habe ihm gesagt, es sei noch nicht Zeit,
Feuer anzumachen, weil sie schlecht mit Holz versehen wären.
Diese Grundtugend der Heiligkeit ist von
dem Seligen auf herrlichste Weise bezeugt worden. Perimezzi sagte:
Ich habe die große Vollkommenheit des Dieners Gottes in Hinsicht auf
seine Demut bewundert, wenn er mir die Armut seiner Freunde, die
Niedrigkeit seiner Geburt und sogar die schlimmen Neigungen seiner
Natur, die Versuchungen, unter welchen er zu leiden hatte, die
Unvollkommenheiten, welche er nach seiner Aussage an sich fand, mit
der beredsamsten Aufrichtigkeit erzählte. Er floh allen menschlichen
Beifall und er würde niemals zugelassen haben, dass ich seine Hände
küsste, wenn ich ihm nicht zuvor zugelassen hätte, meine Füße zu
küssen. Der berühmte P. Simeone gibt dieses Zeugnis: Der Diener
Gottes hat die Tugend der Demut in einem hohen Grad besessen. Er
verachtete alles, was ihm die Hochschätzung der Menschen gewinnen
und zu seiner Ehre gereichen konnte. Hingegen hat er alles gewählt,
alles aufgesucht und erzählt, was ihn verächtlich gemacht hat. Aus
diesem Grund hat er öfters von der Armut seiner Freunde gesprochen
und sich den größten Sünder genannt. Er floh allen Ruhm und
gehorchte denen, welchen er vorgesetzt war.
VII. Kapitel
Sein unvergleichlicher Gehorsam
Der gütige Gott hat uns mit
verschiedenen Gütern bereichert in diese Welt gesetzt. Die Güter des
Leibes und die des Glücks stehen doch immer weit unter den Gütern
des Geistes, weil diese dem Menschen mehr zu eigen sind. Der freie
Wille ist als ein vorzügliches Geschenk an die Seele zu betrachten,
welcher wie eine Königin in dem Körper dieser kleinen Welt herrscht
und regiert. Durch den Gehorsam aber beraubt sich der Mensch des
vornehmsten Gutes, welches er besitzt, seines eigenen Willens, und
unterwirft wegen Gott seinen Willen einem anderen. Er vernichtet
sich sozusagen selbst, will nicht mehr, was er will, ehrt in einem
anderen den obersten Gesetzgeber und lebt nach seinen Winken. Etwas
Vornehmeres, sagt der hl. Thomas von Aquin, etwas Vornehmeres kann
der Mensch Gott nicht opfern, als wenn er Ihm seinen eigenen Willen
opfert. In diesem Opfer hat sich besonders der selige Bonaventura
hervorgetan. Der Gehorsam machte gleichsam seinen ganzen geistlichen
Charakter aus, wie Seine Heiligkeit Pius VI. in dem
Seligsprechungsbrief bekennt. Einer von den Heiligen verlegte sich
besonders auf die Liebeswerke, jener hat sich in der Buße
hervorgetan, einer hat sich in dieser, ein anderer in einer anderen
Tugend besonders geübt. Bonaventura zeichnet sich durch den Gehorsam
aus. Was ihm der Obere nur immer befahl, hat er nicht anders
angesehen, als wenn es ihm vom Himmel anbefohlen worden wäre. Er
forschte niemals der Absicht, dem Ziel und Ende nach, sondern ging
gleich zur Sache. Sein Gehorsam war der Gehorsam der Apostel. Jesus
sah den Petrus und Andreas, als sie ihr Netz ins Meer warfen, und
sagte ihnen: Kommt, folgt Mir nach, und Ich will euch zu
Menschenfischern machen. Welche Einwendungen hätten die zwei Fischer
machen können? Herr, konnten sie sagen, wir sind arm und Du bist
noch ärmer. Wovon werden wir leben, wenn wir unsere Netze verlassen?
Wir sind unwissende, rohe, ungebildete, einfache Leute, die bloß zum
Netz geboren sind. Aber, sagt der hl. Bernardus, sie zögerten nicht,
sie kümmerten sich nicht um die Nahrung. Ohne allen Verzug verlassen
sie ihre Schiffe und die Fischernetze und folgen der Stimme nach,
welche sie berufen hat. Dieser geschwinde, schnelle Gehorsam war das
Vorbild, nach welchem der Gehorsam unseres Seligen entworfen ist. Es
ist nicht mehr nötig, als diesen Gehorsam zu zeigen, um sein ganzes
Leben zu beschreiben, welches ein Wunder des Gehorsams von seinen
Kindesjahren an bis zu seinem Ende genannt zu werden verdient.
Ich will nichts sagen von dem freudigen
Gehorsam, mit welchem er dem Willen seiner Eltern gefolgt ist,
nichts von dem munteren Gehorsam, mit dem er die Befehle seiner
Lehrmeister ausführte, nichts von dem geschwinden Gehorsam, mit dem
er sogar den Winken seiner Oberen begegnet ist. Ich will schweigen
und den Diener Gottes selbst zu Wort kommen lassen, weil ich
überzeugt bin, dass ihn niemand so gut schildern kann wie er sich
selbst, wie er dem Gehorsam ergeben gewesen war. Ich bin bereit,
sagte er, wenn es der Gehorsam will, die ganze Welt zu umreisen.
Seine Taten stimmten mit den Worten überein. Wir haben schon gehört,
wie er ganze Tage stehen geblieben ist, als wenn ihn der Gehorsam
angenagelt hätte, dass er selbst das Leben nicht geachtet hat, um
den Gehorsam nicht zu verlieren, vertieft in das Beispiel Jesu,
welcher bis zum Kreuztod gehorsam war.
Er ist so stark von dieser Tugend
eingenommen gewesen, dass der bloße Name des Gehorsams seine
Lebensgeister in Bewegung brachte. Niemals hat man ihn trauriger
gesehen, als wenn er den gegebenen Befehl nicht in dem Augenblick
erfüllen konnte. Er gehorchte nicht nur denen, welche ihm vorgesetzt
waren, sondern auch den Brüdern, die nur zum Dienste der Priester,
zur Verrichtung der häuslichen Tätigkeiten aufgenommen werden. Den
Laienbrüdern gehorchte Bonaventura. Er stellt nicht nur seine Hände
für ihre Tätigkeiten zur Verfügung, sondern lässt sich von ihnen
befehlen, was er verrichten soll, und ist gleichsam einer aus ihnen.
Wie lieb musste ihnen ein solcher Mann sein!
Wenn er einem Oberen nur ein Zeichen
abgelauert hatte, wenn er nur merkte, dass der Obere etwas gern
sähe, so war es ihm schon genug, zu gehorchen. Amalsi hat ein
besonders Beispiel gesehen. Der Weg, welcher in das Kloster führt,
war mit gekrümmten Rinden überstreut. Der Obere redet mit sich
selbst, dass sich dieser Unrat dort nicht schicke. Wenn er nur im
Meer läge. Bonaventura hörte dieses, und er reinigte den Weg noch in
der Nacht.
Wenn ihm der Gehorsam Ruhe ließ, wenn er
nichts auf Befehl seiner Oberen zu tun hatte, so schien er sich
einer abgelaufenen Uhr gleich zu sein, und es war ihm nirgends wohl.
Der Gehorsam allein gab ihm Freude und Leben zurück. Ohne Gehorsam
traute er sich kein Bußwerk zu. Mit dem Gehorsam will er sich in die
Marter der Hölle selbst begeben. Ohne Gehorsam traut er sich nicht,
dem Nächsten beizuspringen. Mit dem Gehorsam fliegt er zu den
Liebesdiensten und setzt sein eigenes Leben der Gefahr aus. Ohne den
Gehorsam traut er sich nicht, den Armen das Geringste auszuteilen.
Mit dem Gehorsam entzieht er sich selbst die Nahrung, leidet Hunger,
um die Armen zu speisen. Wird er zu einem Kranken gerufen, so eilt
er zuvor zu dem Oberen. Er sucht ihn auf. Wenn er diesen nicht
findet, so geht er zu einem Priester. Kann er zu keinem Priester
kommen, so meldet er sich bei einem Laienbruder, um nur nicht ohne
Gehorsam aus dem Kloster zu gehen. Er gehorcht immer mit gleicher
Einfalt, mit gleicher Ehrerbietung, mit gleicher Geschwindigkeit,
mit gleicher Freude. Diese Freude ist nur umso größer, je geringer
derjenige ist, dem er zu gehorchen hat. O, bei ihm hat man niemals
die dem Gehorsam so abträglichen Worte gehört, dass er älter sei als
sein Guardian. Er glaubte, durch nichts weniger als durch das Alter
von dem Gehorsam entbunden zu werden, weil die Tugend wachsen,
niemals abnehmen soll, weil man bei einem Alten die Vollkommenheit
sucht, welcher die Jugend erst entgegen geht. Aus dieser Ursache hat
der Selige alle Grade, alle Würden verabscheut. Er verlangte, einem
jeden untertänig zu sein, und zitterte, wenn er nur hörte, dass er
das Amt eines Oberen erhalte solle, weil er fürchtete, die
Verdienste des Gehorsams zu verlieren. Er wusste wohl, was der hl.
Hieronymus sagt, es gäbe keinen schlimmeren Führer als den eigenen
Willen. Auch die Aussage des hl. Bernhards war ihm bekannt: die
Hölle würde aufhören, wenn der eigene Wille aufhörte, dieser
Verführer der menschlichen Herzen!
Nach diesen Grundsätzen hat er als ein
Seelenführer auch andere Seelen geleitet. Er gab nicht nach, bis er
das Gebäude des eigenen Willens in denjenigen, die sich seiner
Anweisung anvertrauten, gänzlich niedergerissen hatte. Unter anderen
Mitteln hat er sich besonders der besonderen Nachforschung über die
Lieblingsneigung bedient, damit diese vollkommen ausgerottet würde,
und wenn sie auch noch so unschuldig schien. Eben das hat er
befohlen, was dem Willen zuwider war. Die Schwester M. Angela,
welche unter der Leitung dieses Führers, so weit im Geist
vorankommen ist, diese kann davon berichten. Einst befahl er ihr,
bei Wasser und Brot zu fasten. Sie gehorchte. Nichts desto weniger
ist sie stark versucht worden, einen Kuchen zu essen. Als sie wieder
beichtete, ausgeredet und doch kein Wort von der Versuchung gesagt
hatte, fragt sie der Diener Gottes, welcher die Gnad hatte, die
Herzen zu durchdringen, ob sie nicht auch eine Versuchung zu einer
gewissen Speise empfunden habe? Mein Gott, sagte die Erstaunte, er
weiß alle meine Gedanken, und bekennt ihm, wie sie versucht worden
sei, außer dem Brot etwas anderes zu genießen. Gut, sagte der
Selige, welcher verlangte, sich auch in gleichgültigen Sachen zu
verleugnen, ich befehle dir, dich sechs Monate lang vom Kuchen zu
enthalten. Angela hat es versprochen und gehalten.
Ein gehorsamer Mann wird von Siegen
reden, sagt die Heilige Schrift; denn der Gehorsam überwindet alles,
sogar den Allmächtigen, der den Willen derjenigen vollzieht, die Ihn
fürchten. Daher hat die Kraft der Wunder den Gehorsam des Dieners
Gottes begleitet. Angela kam einst zu ihm und erzählte das besondere
Vergnügen, welches sie an dem Gesang eines Vogels empfunden hatte.
Die unschuldigen Seelen finden an mancher Sache Freude, welche von
den Sündern nicht gefunden wird. Verspreche mir eine vollkommene
Verleugnung deiner selbst, sagte der Selige zu seiner geistlichen
Tochter, verspreche mir einen vollkommenen Gehorsam, und ich
verspreche dir, einen noch vollkommeneren Gehorsam zu zeigen. Angela
verspricht alles. Wenn du nach Hause zurückkehrst, fährt jetzt der
Selige fort, so wirst du auf dem selben Baum, auf dem selben Ast den
selben Vogel erblicken. Er wird singen, wie er zuvor gesungen hat.
Nähere dich sodann dem Baum, strecke die Hand aus und sage: Geschöpf
Gottes, ich befehle dir durch den heiligen Gehorsam, dass du ohne
alle Furcht zu mir fliegst und dich auf meine Hand setzt. Wenn du,
meine Tochter, vollkommen gehorchen wirst, so wirst du Wunder sehen.
Voll Freude kehrt M. Angela in Gesellschaft einiger frommer Frauen
zurück. Sie kommt an den Ort, und schon sieht, schon hört sie den
Vogel. Sie nähert sich diesem, sie ruft ihn Kraft des Gehorsams vom
Baum herab. Nicht anders, als wenn er eine menschliche Vernunft
hätte, kommt er dem Befehl nach, fliegt auf die Hand, so zahm wie im
Paradies, ehe die Sünde das Band zwischen Menschen und Tieren gelöst
hatte. Angela staunte über das Wunder, über die Kraft des heiligen
Gehorsams, eilt von ihren Begleiterinnen, die sich ihre Gedanken
darüber gegenseitig mitteilen, weg und verliert sich in den
heiligsten Betrachtungen über die Tugend des Gehorsams. Am folgenden
Tag eilt sie in aller Frühe zu ihrem geistlichen Vater. Ehe sie den
Mund öffnet, sagt er ihr schon: Erkenne, meine Tochter, die große
Kraft des Gehorsams. Auch die Vögel erkennen ihn und kommen ohne
Furcht. Der Gehorsam ist die Tugend, welche uns in das Paradies
zurückführt, aus welchem uns der Ungehorsam verstoßen hat. Es lässt
sich daraus schließen, wie tief der Meister selbst in dieser Tugend
gefestigt gewesen sein muss, in welcher er es so weit mit den
Schülen gebracht hat.
VIII. Kapitel
Seine Entzückungen und Wissenschaft
Nachdem sich der Diener Gottes durch die
strengste Verleugnung seiner selbst gleichsam in sich verloren
hatte, konnte er sich nirgends anders als in Gott wieder finden. Er
hat sich sozusagen ausgeleert, sich vernichtet. Sein Körper ist zum
Geist geworden, seine Sinne hörten auf zu wirken. Er kam außer sich.
Dieses ist, was wir eine Entzückung nennen. Der Heilige gab sich
zwar alle Mühe, diesen Schatz himmlischer Gaben zu verbergen, aber
die Liebe war zu stark. Sein Herz eilte zu seinem Geliebten und zog
durch heilige Gewalttätigkeit den Körper nach sich. Da schwebte der
Engel in der Luft und zeigte, dass er einer von jenen war, deren die
Welt nicht würdig war. Alle seine Gebete, er mochte sie nun
öffentlich oder geheim verrichten, waren Entzückungen der Liebe.
Besonders traf man ihn entzückt in der Nacht vor dem Heiligsten
Altarssakrament an. In Ravello ist er einst durch eine Entzückung so
dahin gerissen worden, dass er weder durch Rufen, noch durch
Bewegung zu sich selbst zurückgebracht werden konnte. Wenn er vom
Liebesmahl des Herrn, von jener Engelspeise, oder vom bittersten
Leiden Jesu Christi reden hört, so heftet er seine Augen an den
Himmel, steht unbeweglich, wie eine Bildsäule außer sich, da, in
seinem Gott versenkt. So geschah es ihm auch, da er von Antonius,
dem großen, jenem heiligen Einsiedler, redete.
Einer seiner Novizen legt im
Seligsprechungsprozess folgendes Zeugnis ab: Bonaventura hatte die
Gabe der Entzückungen, von denen er zu sagen pflegte, dass es
Zerstreuungen seien. Nachdem ich aber die Sache mit ihren Umständen
genauer beobachtet habe, habe ich herausgefunden, dass es keine
Zerstreuungen, sondern Entzückungen waren. Ich habe ihn nicht nur
einmal so entzückt gesehen, vertieft in Betrachtung der Größe
Gottes, besonders aber wenn er am Altar das große Opfer verrichtet
hat. Die sichersten Anzeichen dieser Art himmlischer Wirkungen waren
plötzliches Aufleuchten des Angesichtes, ein ungewöhnliches Licht
seiner Augen, ein Glanz um das Haupt, ein häufig hervordringender
Schweiß. Diese Anzeichen äußersten sich meist in der Heiligen Messe
nach der Wandlung. Ihnen folgte die Entzückung. Die Entzückung ist
nicht nur einmal mit einer Levitation einhergegangen. Erhoben über
eine Spanne (ca. 20 cm) von der Erde blieb er manchmal eine halbe
Stunde und noch länger als ein Schauspiel der Engel und Menschen in
der Luft.
Geistliche und weltliche Personen zeugen
von dieser Tatsache. Unter anderem sagte einer: Ich weiß, dass er
entzückt worden ist. Ich habe ihm öfters am Altar gedient, und da
sah ich ihn nach der Wandlung über vier Finger über der Erde erhoben
schweben. Sein Angesicht war gerötet, glänzte und schwitzte. In
dieser Stellung ist er etwa dreiviertel Stunde gerblieben. Meist
geschah dieses an Werktagen, an denen er die Messe verzögerte, weil
weniger Messbesucher anwesend waren. Ich hielt diese Entzückungen
immer für übernatürlich. Furcht und Freude teilten mein Herz. Wenn
er entzückt war, hörte man keinen Atem. Es war keine Bewegung an
ihm. Er sah einer Statue gleich. Außerhalb der Messe werden zwei
Levitationen gezählt, von welchen die in Ravello wegen ihrer ganz
besonderen Umstände bemerkenswert ist.
Dergleichen Seelen schwingen sich durch
die Hilfe der Betrachtung zur Erkenntnis vieler himmlischer Dinge
empor. Gott, welcher mit den Einfältigen spricht, offenbart sich
ihnen und erfüllt sie mit einer Wissenschaft, in Hinsicht derer alle
irdische Weisheit nichts als blendende Eitelkeit und Torheit ist.
Bonaventura war einer von den Kleinen und Geringen, dem der Herr die
erhabensten Geheimnisse anvertraut hat. Die Philosophie, welche
seinen Geist trocken ließ, hat er aufgegeben, und verlangte, weiter
nichts zu wissen oder besser zu reden. Wenn er noch etwas zu wissen
verlangte, so war es allein Jesus Christus, der Gekreuzigte. Er
verlegte sich auf die Demut des Herzens, auf die Abtötung und auf
einen apostolischen Seeleneifer. Es kamen Personen von allen Ständen
zu ihm. Sie legten ihm ihre Zweifel vor. Sie forderten
Unterrichtung. Sie brachten die verworrensten Sachen und begehrten
Erläuterung. Bonaventura hat ihre Finsternis erleuchtet, die Zweifel
zerstreut, und dieses alles durch jene Weisheit, welche Gott von der
Wohnung Seiner Herrlichkeit herab sendet und Seinen Dienern
mitteilt.
Perimetzi, welcher Bonaventura zum
Seelenführer hatte, konnte sich nicht genug wundern, wie dieser
Mann, der sonst so wenig zu reden pflegte, aus dem Stehgreif mit
unglaublicher Salbung dem Volk die geheimsten Lehren vortrug, wie er
mit einem unerschöpflichen Reichtum der Worte, mit den
tiefsinnigsten Gedanken, mit den ausgesuchtesten Beweisen und
eindringlichsten Beweggründen die Wahrheiten der Religion mit
solcher Leichtigkeit abhandelte, als wenn er der geübteste Redner
wäre. Wie die Prozessakten sagen, beschämte er durch seine Reden die
Ungläubigen, stärkte die Gläubigen, demütigte den Hochmut, erweichte
den Geizigen, entzündete die Lauen mit neuem Eifer, erbaute,
unterrichtete, pflanzte, riss aus, war wie ein Strom, der alles mit
sich fort reißt, voll des Geistes des Herrn, und zeigte, dass der
Heilige Geist durch ihn redet. Denn, wie seine Oberen bezeugten, so
hatte er keine Bücher in seiner Zelle. Das Kreuz machte seine ganze
Bibliothek aus, gleichwie es die Bibliothek seines hl. Ordensbruders
war, von dem er den Namen hatte. Von jener Wissenschaft, welche man,
wie der hl. Cyprian anmerkt, nicht durch viele Betrachtungen, noch
mit der Zeit erlangt, sondern deren Ursprung die Gnade ist, welche
man eher empfindet, als dass man sie erkennt, war er angefüllt.
Ich will das Zeugnis des P. Simeone
nicht umgehen, eines Mannes von gründlicher Gelehrtheit, von großer
Vernunft und von einem erbaulichen Lebenswandel. Im Jahr 1708, sagte
er, hatte ich Gelegenheit, im Konvent zum Heiligen Geist in Neapel
mit dem Diener Gottes Umgang zu pflegen. Ich machte mir öfters das
Vergnügen, ihm die schwersten theologischen Fragen zu stellen. Er
löste diese zu meinem Erstaunen mit unglaublicher Geschwindigkeit.
Ich brachte die stärksten Einwürfe, und sagte, jetzt würde er nicht
antworten können. Mit der Hilfe Gottes werde ich antworten, gab er
mir zur Antwort. Schon war er mit der geschicktesten Antwort fertig.
Auf diese Art stärkte er mich in meinen Gedanken, dass seine
Wissenschaft keine menschliche Wissenschaft ist, sondern dass sie
von oben kommt, dass er diese nicht durch Mühe erworben hat, sondern
dass ihm diese eingegossen worden ist.
IX. Kapitel
Sein prophetischer Geist und
Erkenntnis der Herzen
Das Herz des Menschen ist
unerforschlich. Nur dem Auge des höchsten Gottes steht es offen.
Sonst niemand weiß um seine Geheimnisse. Einigen von Seinen
Auserwählten hat Gott die Gabe verliehen, diese Geheimnisse zu
durchdringen, doch in gewissen Grenzen. Gegenüber dem seligen
Bonaventura aber ist Er weit freigiebiger gewesen. Er breitete ihm
gleichsam die Herzen vor den Augen aus. Maria Angela kann es sagen,
welche ihn zwölf Jahre hindurch zum Beichtvater hatte. Er ist von
meinem Inneren derart unterrichtet, bekennt diese fromme Büßerin,
dass er alle meine Gedanken weiß, dass er mir alle meine Begierden
vorhält und meiner Anklage mit seiner eigenen Entdeckung zuvorkommt.
Viele von denen, welche sich zu seinen Füßen von ihren Sünden
befreit haben, bekennen das Gleiche. Nachdem sie sich ihrer
Fehltritte angeklagt hatten und glaubten, das ganze Herz
ausgeschüttet zu haben, so erzählte er ihnen ihre Lebensgeschichte
weit genauer. Er erinnerte sie an Dinge, welche schon lange ihrem
Gedächtnis entfallen waren. Er zeigte ihnen die Zeit an, wann die
Sache geschehen ist. Er fügte die Umstände hinzu, welche die Sache
begleitet haben, und setzte alles in ein solches Licht, dass den
Büßenden nichts mehr übrig blieb, als ihre Schuld mit aufrichtigen
Herzen zu bekennen und Gott zu danken, dass Er dem Haus Israel einen
solchen Arzt gegeben hat.
Einst saß dieser Engel an dem
Schwemmteich der Buße, um die Kranken hineinzulassen und zu
reinigen. Nächst an dem Beichtstuhl kniete Angela Dimesa, eine edle
Frau von Ischia. Sie hatte einen spanischen Ritter bei sich.
Bonaventura naht sich der Frau, ohne jemanden ein Wort zu fragen,
wer dieser fremde Herr sein möge, und fragte sie ganz leise, was
dieses für ein Engel sei, den sie an diesem Morgen mit sich bringe.
Betroffen dachte die gute Frau, welcher Diener Gottes ist doch
dieser Geistliche! Sie sagt es dem edlen Spanier, welcher zu
Bonaventura hingeht, sich mit ihm in ein Gespräch einlässt und von
ihm die unerwartete Neuigkeit vernimmt, er werde in einen
Ordensstand gehen. Die Weissagung des Seligen ist eingetroffen. In
Neapel ließ sich dieser Herr später als ein Franziskaner von der
Reform Peters von Alkantera einkleiden, legte die feierlichen
Gelübde ab und lebte im Ruf der Heiligkeit.
Laura von Montefusco hat mit ihrer
Schwester die Andacht verrichtet. Beide überfiel eine Schwermut.
Arm, wie sie waren, hatten sie schon lange kein Brot über den Mund
gebracht. Sie fühlten die ganze Last der Armut. Der Selige hatte
sich unterdessen in die Süßigkeit himmlischer Dinge versenkt. Er
kommt aber in dem Augenblick zu sich, verlässt Gott auf eine Zeit
wegen der Mitmenschen, eilt zu den Traurigen hin und sagt ihnen, sie
sollen die Schwermut ablegen und getröstet hingehen. Der Herr,
welcher den jungen Raben im Nest ernährt, den Spatzen auf dem Dach
speist, werde sie nicht vergessen. Er werde Vorsehung treffen. Ganz
getröstet, voll Vertrauen auf die göttliche Vorsehung, gehen jetzt
beide frommen Schwestern aus der Kirche. Kaum sind sie einige
Schritte weit gekommen, so finden sie eine Silbermünze, welche für
sie genug war, einige Zeit zu leben. Jetzt dankten sie dem Herrn,
dessen Auge über alle Menschen wacht.
Einst hat der Diener Gottes, bei dem es
den Anschein hatte, als hätte ihm Gott die Schlüssel der Zukunft
anvertraut, Joanna von Sasso auf folgende Art angeredet: Frau, es
war eine Zeit, wo du nichts mehr gesucht hast, als der Welt zu
gefallen, dich einen Engel, eine irdische Göttin nennen zu lassen.
Dadurch hast du deinem höchsten Schöpfer unendlich missfallen. Aber
wisse, Er will dich auf dieser Welt von deinen Sünden reinigen. Er
wird dich durch das strafen, durch was du gesündigt hast. In deinen
letzten Jahren wird dein Gesicht, durch welches du dir das
Wohlgefallen der Welt zuzogst, von einem abscheulichen unheilbaren
Krebs zerfressen werden. Das Lebensende der armseligen Joanna hat
diese Aussage bestätigt.
Bonaventura unterredet sich mit der
bekannten M. Angela über geistliche Dinge. Ein Knabe von neun Jahren
läuft in die Kirche. Bonaventura bricht auf einmal das Gespräch ab.
Er fragt die Angela, ob sie diesen Knaben kenne, ob er nicht ihr
Freund sei. Aber sie kennt den Knaben nicht, noch weniger kann sie
diesen unter ihre Freunde zählen. So wisse dann, fährt der Selige
fort, dieser Knabe wird in der Zeit des Jammers dein Trost, in der
Verlassenheit dein Vater, deine Stütze sein. Nachdem der Diener
Gottes in ein glückseligeres Leben übergegangen war, wurde Angela
von allen Freunden verlassen. Sie irrte wie ein Schäflein herum, das
seinen Hirten verloren hat. Ihr Leib ist von Fieber, von
Gliederschmerzen, vom Schlaganfall ans Bett geheftet. Da lag die
Ärmste, verlassen von allen, und hatte keinen Trost, als das
Vertrauen auf Gott. Ihre Armseligkeit nahm von Tag zu Tag zu. Seht,
da kommt auf einmal Blasius Tirabella, ein Priester, zu ihr. Sie
wundert sich über den unerwarteten Besuch. Er bietet ihr bald alle
Hilfe an. Er hält auch sein Versprechen und sorgt die acht Jahre
hindurch, welche sie noch zu leben hatte, wie ein Bruder, wie ein
Vater für sie.
Unter den fünf Novizen, welchen
Bonaventura in Nocera den Tod geweissagt hatte, befand sich
Bonaventura Cassela, welcher nach den Worten des Seligen noch vor
Empfang der Heiligen Weihen sterben sollte. Im Jahr 1710 wohnte er
in Montela, war gesund und ging wirklich mit einigen Begleitern, um
die Weihe des Subdiakonats zu empfangen. Jetzt, sagt er, geschieht
einmal etwas, was Bonaventura nicht erraten hat. Nach seiner Aussage
sollte ich vor Empfang der Heiligen Weihen noch sterben. Aber ich
bin gesund, und morgen werde ich ein Subdiakon sein. So sagte er
abends, konnte aber morgens nicht aufstehen. Ein unheilbares Fieber
hielt ihn im Bett zurück und führte zum Tod. Er ging, ohne die Weihe
zu haben, in die Ewigkeit.
Mit Tränen übergossen, seufzend und die
Hände ringend wirft sich die Mutter eines gewissen Andreas
Chiaramonte dem Seligen zu Füßen. Ihr Sohn lag lange in Ketten und
Fesseln, und jetzt, wie sie hört, ist er zum Tod verdammt. Es lässt
sich leicht denken, welcher Worte sich eine Mutter bei dieser
Gelegenheit bedient haben wird, um das Gebet des Heiligen für ihren
Sohn, der an der Schwelle des schändlichsten Todes stand, zu
erbitten. Fürchte dich nicht, meine Tochter!, sagte Bonaventura zu
der Untröstlichen. Gehe nur gleich nach Neapel. Ich sage dir, durch
die Fürbitte des hl. Antonius wird dein Sohn frei sein. Sie eilt
nach Neapel. Dort kommt ihr der geliebte Sohn, für unschuldig
erklärt, aus dem Kerker entgegen.
Der Theresia Garafalo hat der Selige
nicht nur einmal die Lehre des Apostels vorgepredigt, dass es besser
sei, nicht zu heiraten und den Engeln im unsterblichen Leib
nachzueifern. Dieser Paulus wünschte, dass sie wäre, wie er war, und
in dem Stand verharrte, wo das Herz unzerteilt in den Händen Gottes
bleibt. Aber sie hatte keine Ohren zu hören. Bonaventura drohte der
törichten Jungfrau und sagte ihr: Du wirst deinen irdischen
Bräutigam dem Himmlischen vorziehen, aber wisse, der Himmlische wird
sich rächen, und du wirst Zeit deines Lebens unter dem schwersten
Kreuz seufzen. Dennoch hat die Unselige einen Mann genommen. Kurz
danach kränkelt sie, und kränkelte drei Jahre lang. Endlich hat ihr
Gott die Wohltat der Fruchtbarkeit in eine Strafe verwandelt. Sie
musste zwölf lebendige Kinder haben und diese Last, diese zu
erziehen, bis ans Ende ihres Lebens schleppen.
Anton Greco hatte sich durch einen
Aufruhr unter den französischen Truppen die Fessel, den Kerker und
die Gefahr des Todes zugezogen. Seine Schwester, voll Angst, er
würde sein Leben im Kerker oder am Galgen lassen müssen, kam heulend
zu dem Seligen. Bonaventura aber ging zum Heiligen der Wunder. Er
betete mit einigen Mitbrüdern das Responsorium des hl. Antonius.
Dann kommt er zu der Weinenden zurück, sagt ihr, sie solle guten
Mutes sein. Ihrem Bruder werde keines von dem vermeintlichen Übeln
zustoßen. Am nächsten Fest des hl. Antonius, bis zu dem noch ein
Monat war, werde sie diesen in ihrem Haus frei und gesund sehen.
Dieses ist auch geschehen.
X. Kapitel
Seine prophetischen Zeichen in der
Stadt Ravello
Von der Stadt Amalphi kam Octavius
Deliani in den Konvent. Bonaventura eilt ihm entgegen und sagt: Du
bist derjenige nicht mehr, der du vorgestern gewesen bist. Octavius
leugnet es. Bonaventura aber fährt fort und sagt: Nein, dass du es
leugnest! Ich weiß wohl, in welchen Streit du gestern mit deinem
Freund geraten bist. Wenn du ihm nicht ausgewichen wärest, so würde
er dich ermordet haben. Octavius staunte, weil sich diese
Begebenheit im Haus ganz geheim zugetragen hatte. Aber noch mehr
staunte er, als ihm der Selige sagen konnte, wie er mit dem Vorsatz,
sich zu rächen, seinen Freund niederzustrecken, nach Ravello
gekommen sei. Er gab sich schuldig und versprach, seinen Vorsatz zu
ändern, welches er auch getan hat. So hat auch der Selige einen
anderen an der Klosterpforte gewarnt, sich nicht auf dem
gewöhnlichen Weg nach Haus zu begeben, weil ihm dort sein Feind mit
blutgierigen Dolchen auflauerte.
Die Schwester Catharina Bonito, eine
edle Jungfrau im Kloster St. Klara wünschte, nur Oberin über sich
selbst, über ihre Neigungen zu sein, und wollte sonst kein Wort von
einer obrigkeitlichen Würde hören. Bonaventura sagt ihr voraus, sie
werde Äbtissin sein müssen. Sie werde diese lange bleiben und in
dieser Würde sterben. Sechs Jahre später ist diese Vorhersage
eingetroffen.
In dem selben Kloster war eine vornehme
Kostjungfrau Anna d’Afflitto, von Ravello. Sie war den guten
Klosterfrauen gar zu lustig, immer aufgeweckt und hatte den
lebhaftesten Geist. Die Klosterfrauen waren betrübt, dass sie sich
so gar nicht der klösterlichen Ordnung fügen wolle. Vor allem
betrübten sich ihre Blutsfreundinnen. Eine von diesen klagte es dem
Diener Gottes und befiehlt ihm ihre Base in das Gebet. Sei getrost,
gibt der Selige zur Antwort, diese Jungfrau wird nicht weltlich
bleiben, wie sie den Anschein gibt und ihr befürchtet. Ehe ein Jahr
vergeht, wird sie das Ordenskleid anlegen, das Noviziat anfangen und
beenden und als eine erbauliche Jungfrau im Kloster leben. Seine
Worte sind eingetroffen.
Im Jahr 1711, im letzten Lebensjahr des
Seligen kam ein edler Jüngling, Emmanuel d’Afflitto von Scala nach
Ravello. Er war gesonnen, dem P. Bonaventura seine Beichte
abzulegen. Weil er aber mit einer gewissen Jungfrau, die in Ravello
im Kloster war, Bekanntschaft hatte, so suchte er, dem Bonaventura
auszuweichen, und beichtete einem anderen. Nachmittags begegnete er
dem Diener Gottes. Dieser redete ihn sogleich mit den Worten an: O,
warum bist du nicht gekommen. Ich habe dich in der Frühe begierig
erwartet. Der gute Jüngling entschuldigte sich. Er habe bei einem
anderen gebeichtet. Bonaventura führte ihn beiseite und sagte ihm,
er solle sich nur keine Mühe um das Frauenzimmer geben, welches sein
Herz gefesselt habe. Gott verlange ihn zum Priester. Eine Neuigkeit,
die er nicht zu wissen verlangt hat und von welcher er noch weniger
erwartete, dass sie eintreffen würde, und doch ist sie nach drei
Jahren, nach dem Tod des Dieners Gottes wahr geworden.
XI. Kapitel
Seine Wunderwerke,
Erscheinungen, Unverwesenheit und
Wunder bei Öffnung seines Grabes
Nachdem wir in möglichster Kürze das
Leben des Seligen Dieners Gottes erzählt haben, so wollen wir noch
einige von den Wundern hinzufügen, welche der Gebieter der Natur im
Hinblick auf seinen getreuesten Dieners gewirkt hat.
Auf der Insel Ischia hat einst
Bonaventura eine elende Kranke, Luceretia di pietro, besucht. Er
munterte sie zur Geduld auf, sprach ihr zu, sich in den heiligsten
Willen des höchsten Gottes zu ergeben. Nachdem er ihre Seele
erfrischt hatte, war er auch darauf bedacht, ihrem Leib zu helfen.
Er schickte ihr etwas Geld und ein Brot von vier Pfund. Ein Almosen,
welches zwar gering war im Hinblick auf die vielen Armseligkeiten,
mit denen die Kranke umgeben war, aber groß im Hinblick auf den
Armen, der es gegeben hat, gleichwie die kleine Münze, welche die
Witwe in den Opferkasten warf, im Hinblick auf ihren guten Willen
die Goldstücke der Pharisäer überwog. Es waren außer der Kranken
noch fünf weitere Personen im Haus. Alle diese, welche sonst nichts
hatten als das geschickte Brot von 4 Pfund, aßen sechs Tage an
diesem, wurden alle Tage satt und hatten allzeit übrig. Da sehen wir
das Wunder des Elias zu Sarephta erneuert.
Der Konvent in Ravello war sehr arm und
benötigte das tägliche Almosen. Doch hat Bonaventura bei alle dieser
Armut alle Armen erhalten. Es befand sich einst ein ganzer Schwarm
vor der Pforte. Bonaventura sagt es dem Laienbruder, dieser aber
gibt ganz mürrisch zur Antwort, was er den geben könne. Sie haben ja
selbst nichts. Das Brot sei gestern aufgegessen worden, und heute
habe er noch nichts gesammelt. Bonaventura will ungeachtet all
dessen, dass man den Armen Brot gebe. Dem lieben Bruder stieg die
Galle hoch. Er murrte den guten Bonaventura an und sagte ihm, so
soll er denn selbst gehen und die Speisekammer durchsuchen. Wenn er
ein Brot fände, könne er es ja den Armen geben. Der Wundarzt Joseph
D’ippolyta kam dazu, und sie gingen alle drei in die Speisekammer.
Der höhnisch lächelnde Bruder sagt zu Bonaventura, er möge sich
recht umschauen, wo Brot sei. Da ist ja Brot, sagte Bonaventura ganz
fröhlich. Schon hatte er den vollen Korb in den Händen. Der Bruder
schämt sich. Er ruft aus: O Pater Bonaventura, dieses Brot ist
gestern noch nicht da gewesen. Es ist ein Wunder der Vorsehung, ein
Wunder eurer Liebe. Der Selige aber eilte in Begleitung des
D’ippolyto mit dem Brotkorb zur der Pforte und ließ den Bruder in
seiner Verwunderung staunen. Aus dergleichen Gründen nahmen die
Kranken und die Armen auch nach dem Tod des Dieners Gottes ihre
Zuflucht zu ihm, empfahlen sich seiner Fürbitte an und erfuhren,
dass der alte Gott noch für ihre Notdurft lebe.
Getreu und kurz wollen wir auch einige
Erscheinungen des Seligen erzählen, wie sie in der Prozessakte nach
ihrer genauesten Prüfung enthalten sind. Die Schwester M. Angela
berichtet: Ein fürchterlicher Schlaganfall hat mir die Zunge so
unbrauchbar gemacht, dass ich auch die Beichte nicht anders als
durch Zeichen ablegen konnte. Auch das Heilige Abendmahl habe ich
nicht mehr empfangen können. Nachdem es keine Hoffnung auf Besserung
gab, hat man mir die letzte Ölung erteilt. Schon hat mich der
hochwürdige Herr Blasius Tirabella für den letzten Augenblick
vorbereitet. Er stand mir bei, gut zu sterben. Ich empfahl mich dem
Diener Gottes an und stritt bis zum Aufgang der Morgenröte des
dritten Tages, gleichsam in Zügen. Schon hatte ich die Sterbekerze
in meinen Händen. Auf einmal erschien mir der Diener des Herrn und
sagte diese Worte: Schwester M. Angela, sei guten Mutes! Es ist noch
nicht Zeit! Und er verschwand wieder. Kaum hatte die Sterbende diese
Erscheinung gesehen, so redet sie wieder, und die ersten Worte, in
welche sie ausbricht, bestanden in dem Geschrei: Pater Bonaventura,
Pater Bonaventura. Von dem Augenblick an war sie gesund. Alle
Umstehenden haben den Hergang der Sache mit ihren Zeugnissen
bestätigt.
Joseph Messina sagt Folgendes: Es sind
23 Jahre her, dass mich der Herr mit einer heftigen Krankheit
heimgesucht hat. Schon war es mit mir auf das Äußerste gekommen. In
diesen elenden Umständen kam in aller Frühe M. Angela zu mir, welche
ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Zugleich kam der Chorherr
Andreas Morgione mit ihr. Sie nahte sich meinem Bett, warf sich auf
die Knie nieder und bat mich, niemandem zu sagen, was sie mir sagen
wollte. Dann sagte sie zu mir: Ich weiß nicht, ob ich im Traum oder
ob ich wachend den Diener Gottes, P. Bonaventura, gesehen habe. Er
sagte mir, Sie seien gefährlich krank. Ich solle Sie besuchen und
Ihnen sagen, dass Sie guten Mutes sein und sich nicht fürchten
sollen. Sie werden gesund werden und zu einer geistlichen Würde
gelangen, welche Ihnen der Herr geben wird, um andere Seelen zu Ihm
zu führen. Jetzt stand der Kranke gesund vom Bett auf, wurde
Chorherr in der Kathedrale und Beichtvater der Klosterfrauen von St.
Klara.
Ludwig Tramutoli von Potenza, den ein
hartnäckiges Fieber schon 14 Tage gepeinigt hatte, der von den
Ärzten verlassen, sich schon wirklich am Rande des Lebens befand,
bezeugt eine andere Erscheinung, von welcher seine Genesung die
Frucht war. In der Nacht, so lautet seine Aussage, wäre ich schier
den Schmerzen meiner Krankheit erlegen gewesen. Aber außer mir bin
ich nicht gekommen. Ich sah, wie mir ein Konventual-Minorit
erschien, seinen Gürtel ablöst, sich meinem Bett nähert, mich
aufhebt und meine Lenden mit seinem Gürtel umgibt. Zugleich hörte
ich ihn sagen: Wohlauf, sei gesund, und dann verschwand er. In dem
Augenblick waren Fieber und Schmerzen weg und ich habe das Bett
verlassen.
Die Schwester M. Joanna wurde 20 Jahre
lang von den entsetzlichsten Schmerzen gemartert. An der Brust hatte
sie eine Wunde und spie immer Blut. Vom ständigen Fiebern war sie
ganz ausgemergelt, und überdies war sie schwere gefallen. Sie konnte
kein Glied mehr bewegen. Diese bekennt, dass sie auf den seligen
Bonaventura ihr Vertrauen gesetzt und dass er ihr mit einem
ehrwürdigen, glänzenden, himmlischen Gesicht und paradiesischem
Geruch erschienen sei. Er sagte ihr: Vertraue auf Gott, meine
Tochter, und wisse, dass du durch diese Schmerzen in die ewige
Freude eingehen wirst. Finde dich, sei guten Mutes! Nachdem er
dieses gesagt hatte, verschwand er. Am Morgen stand Joanna ohne alle
Hilfe allein auf, eilte zu den Hausgeschäften und verrichtete diese
mit großer Munterkeit. Felix Cappola, ein Arzneiverständiger, und
Antonia di Amato, ihre Mutter, sind die Zeugen dieses Wunders.
M. Fortunata di Afflitti, ein adeliges
Fräulein, hatte an der Nase ein Geschwür, welches ihr ganzes Gesicht
verunstaltete. Der Arzt, zu welchem sie ihre Zuflucht nahm, gab alle
Hoffnung auf. Sie nahm daher ihre Zuflucht zum Himmel, setzte ihr
Vertrauen auf den seligen Bonaventura, lässt sich zu seinem Grab
hinbringen, legt sich auf ihr Angesicht nieder, benetzt das Grab mit
ihren Tränen, erhebt sich auf einmal, und ihr Gesicht ist ganz
gereinigt, ohne Wunden, ohne Narben. Dieses Wunder ist öffentlich
verkündet worden.
Eine Mutter brachte voll Betrübnis ihr
zweijähriges Knäblein, Joachim Guerrasio, das schon drei Monate von
einer sehr hartnäckigen Krankheit gemartert worden ist und kaum noch
Atem schöpfte, zum Grab des Dieners Gottes. Sie legte den Knaben auf
dieses nieder. Kaum hat er dieses berührt, so richtet er sich auf,
scherzt und eilt in die Arme seiner Mutter, welche das Wunder zur
Ehre des Seligen verkündet.
In Ravello stürzte der Laienbruder
Angelus Amandola vom Glockenturm herab, verletzte sich äußerst
empfindlich den Arm und lag halbtot auf dem Boden. Man eilt ihm zu
Hilfe und bringt ihn zum Grab des Bonaventura, legt ihn auf dieses
nieder, und bald steht der Bruder frisch und gesund auf.
Dominikus Coppala unf Candida Gascone
sind auf dem Grab des Seligen von ihren sehr beschwerlichen
Leibsschäden befreit worden. Andere erfuhren bei ehrerbietigem
Gebrauch der Reliquien des Diener Gottes die gleiche Hilfe. Cesare
Carola war selbst ein Arzt, aber er konnte sich nicht helfen. Drei
Jahre hatte er ein abscheuliches Geschwür im Mund. Da keine irdische
Arznei helfen will, so erhebt er seine Augen zum Himmel, wo jene
Ärzte wohnen, denen der Herr des Lebens Seine Kraft mitteilt. Er
ruft den seligen Bonaventura an, berührt mit lebhaften Vertrauen den
schadhaften Teil mit einem Zahn des Seligen, und im Augenblick ist
das Geschwür fort. Brigida Lombardo, welche von einer toten
Leibesfrucht nicht entbunden werden konnte, nähert sich einem sehr
schmerzvollen Tod und dem Grab, da sie schon selbst das Grab eines
Toten war, der in die Verwesung überging und die Lebendige mit der
gleichen Fäulnis anzustecken drohte. Die Umstehenden sind vom
zärtlichen Mitleid gerührt. Sie rufen für die schon in den letzten
Zügen liegende Brigida den Seligen Bonaventura an. Sie sprechen auch
ihr ein lebhaftes Vertrauen ein und lassen sie eine Reliquie vom
Diener Gottes berühren. Seht! Im Augenblick wird sie entbunden. Sie
kehrt gleichsam verjüngt, mit vollen Kräften aus dem Rachen des
Todes zurück, gesünder, als sie jemals gewesen war. Dieses Wunder
gab Anlass zur Hoffnung auf ein weiteres Wunder. Die Anwesenden
sahen in dem Kind einen jungen Lazarus, der schon drei Tage tot ist
und stinkt. Die Mutter schreit mit allen, die zugegen sind, zum
seligen Bonaventura; sie seufzt, sie weint, und das Kind fängt an zu
leben und wächst.
Die zwei folgenden Wunder sind
diejenigen, welche Klemens XIV., dieser große Papst, dessen Ruf
immer weiter wächst, je mehr er dem Tode naht - die folgenden
Wunder, sage ich, sind diejenigen, welche Klemens XIV. seligsten
Angedächtnis, nachdem er in einem feierlichen Dekret vom 4. Juni
1770 die Tugenden des Seligen als heroische Tugenden anerkennt, in
einem anderen Dekret vom 8. November 1774 als hervorleuchtende und
bestätigte Wunder verkündet hat.
Andreas Dipino, ein Kind von 40 Tagen,
ist wegen Mangel an Muttermilch einer Amme übergeben worden. Als die
Mutter, eine ehrbare Frau von Ravello, einst das Kind aus den
Windeln nahm, so hat sie an allen Gliedern zitternd mit größtem
Mitleid sehen müssen, wie das Kind mit dem abscheulichsten Aussatz
überzogen ist. Man hat alle Mittel angewendet, aber alles umsonst.
Das Kind hatte keinen Schlaf, der für Kindern so notwendig ist. Das
Fleisch wurde vom Eiter durchfressen, so dass das Kind anfangs wie
ein Ecce-Homo-Bild, später aber wie ein noch atmendes Gerippe
ausgesehen hat. Der Tod war unvermeidlich. Die bestürzte Mutter und
die mitgerührte Amme weinen zum Himmel auf. Sie nehmen das Kind,
tragen es unter heißen Tränen und seufzenden Gebeten in die Kirche
und legen das arme Würmchen auf das Grab des seligen Bonaventura.
Kaum hat das Kind das Grab berührt, so fängt es an zu lächeln. Es
spielt mit der Amme. Man trägt es nach Haus, öffnet die Windeln und
findet keinerlei Spur von einem Geschwür, obwohl zuvor am ganzen
Leib kein gesunder Fleck mehr war.
Andreas Russo, ein Chorherr von Ravello,
ist über vier oder mehr Monate mit einer so heftigen Krankheit
geplagt worden, dass sie ihm die Gebeine aus dem Gewebe trieb und
die eindringende Feuchtigkeit das Übel noch weiter verschlimmerte.
Die Ärzte erklärten seinen Zustand für unheilbar. Von den Menschen
verlassen jammerte er bei seinen unerträglichen Schmerzen
untröstlich. Wende dich zu einem von den Heiligen, diesen Rat gibt
Job den Not leidenden Menschen. Andreas hat sich zum seligen
Bonaventura gewendet und sich mit einer Reliquie des Dieners Gottes
berührt. Hier war Berühren und Keine-Schmerzen-mehr-Fühlen eines.
Die Gebeine suchten ihre Fügung. Der gesunde Priester eilt aus
seinem Bett, rennt zur Kirche und dankte Gott, der ihm durch Seinen
Heiligen geholfen hat. Von da geht er zu seinem Bischof Perimezzi
und erzählt ihm das Heil, welches ihm durch die Fürbitte des
Heiligen widerfahren ist.
Am 9. April 1740 bekam der Herr Augustin
Gianini, Bischof di Lettere, den apostolischen Auftrag, den Leichnam
des Dieners Gottes zu besichtigen, zusammen mit den Bischöfen Anton
Maria Santero von Ravello, und Anton Maria Lucci von Bovino. Auch
dieser Letztere, den der Orden der Väter Konventualen erzogen und
gebildet hat, ist voller Verdienste im Ruf der Heiligkeit gestorben.
Sein Lebenswandel war ohne Tadel, sein Tod kostbar und die
wunderbaren Zeichen, mit denen er geleuchtet hat, bezeugten die
Tugenden seines Lebens. Diese Bischöfe nun öffneten das Grab des
seligen Bonaventura. Sie fanden den Leib wie den Leib eines lebenden
Menschen vor, noch ganz unversehrt, beweglich, vom süßesten Geruch
umgeben. Augustin Gianini gibt uns folgendes Zeugnis. Ich habe im
Beisein anderer Bischöfe und Assistenten während der Besichtigung
des Leibs des Dieners Gottes seinen Leib in einem mit zartester
Leinwand ausgefütterten Sarg gefunden. Man nahm den Leib aus dem
Sarg heraus. Als man den Leichnam in diesen zurücklegen wollte, war
der Sarg zu eng. Die Breite der Schultern übertraf die Breite des
Sarges um vieles. Bei diesen Umständen spürte ich einen Antrieb, der
von oben kam. Durch diesen aufgemuntert, sagte ich laut folgende
Worte, welche alle Umstehenden hörten: Auf, Pater Bonaventura,
schickt euch in den Sarg. Wir wissen ja nicht, was wir tun sollen.
Kaum hatte ich diese Worte gesagt, so sah ich, und alle Umstehenden
haben es auch gesehen, wie sich der Körper zusammenrüttelte und sich
in den Sarg fügte. Nur der Kopf lag zu hoch. Mit dem gleichen
Vertrauen streckte ich die Hände aus, fasste das Haupt an, um dieses
aufzuheben, und sagte zugleich: Pater Bonaventura, habt ihr das
Größte getan, vollzieht auch das Geringere. Nachdem ich auch dieses
gesagt hatte, so legte Bonaventura ordentlich sein Haupt auf das
Kissen nieder. Noch immer leben Augenzeugen von diesen Wundern, die
sich bei der feierlichen Besichtigung des Leichnams zugetragen
haben.
Nachdem am 2. Mai 1775 in einer
allgemeinen Kongregation von den Hochheiligen Gebräuchen sämtliche
Stimmen für die Seligsprechung des Dieners Gottes ausgefallen sind,
gefiel es Seiner Heiligkeit, Pius VI., die Sache noch zu
verschieben, um den Herrn um Sein göttliches Licht in dieser
wichtigen Entscheidung zu bitten. Am 29. Juni aber, am Tag der
Apostelfürsten Peter und Paul, hat sich Seine Heiligkeit
entschlossen, die Erklärung für den Diener Gottes in der Form eines
Briefes abzufassen und diesen am 26. November, als das ganze Volk
noch von den freudigen Gedanken des Jubiläums eingenommen war, unter
feierlichem Gepränge vorlesen zu lassen. So hat die Kirche einen
neuen Heiligen, die Christen ein neues Beispiel, die Notleidenden
einen neuen Fürbitter empfangen.
Gebete der Kirche zum seligen
Bonaventura von Potenza
O Gott, der du uns im seligen
Bonaventura, Deinem Beichtvater, ein besonderes Vorbild des
Gehorsams geschenkt hast: Verleihe uns, dass wir durch die
Nachahmung desselben unserem Willen ableugnen und Deinen Geboten
allzeit folgen mögen, durch Jesus Christus, Deinen Sohn, unseren
Herrn. Amen.
Gebet
Zum seligen Bonaventura von Potenza
Allmächtiger, ewiger Gott! Du bist die
Quelle und der Urheber der Heiligkeit! Du hast Deinen Diener
Bonaventura schon in der ersten Jugend mit der zartesten Andacht
erfüllt, seinem Herzen einen Ekel an allem Irdischen eingegossen und
ihn ganz an Dich gezogen. O ziehe auch uns an Dich, dass wir nur
Dich allein suchen, dass wir Dich allein lieben, Dir allein
anhangen, dass wir von Dir als unserem letzten Ziel und Ende niemals
abweichen, dass wir unser ganzes Leben in Deinem Dienst zubringen
und endlich zu Deiner Anschauung gelangen mögen.
Jesus Christus, o Du Bräutigam der
reinen Seelen, Du hast den seligen Bonaventura im schwachen Fleisch
als einen Engel in der reinsten Unschuld erhalten. Du hast seinen
Leib noch auf Erden mit einem himmlischen Geruch begeistert. Ach
erbarme Dich durch die Fürbitte Deines getreuen Dieners über die
Schwachheit unseres Fleisches. Du unbeflecktes Lamm, lass nicht zu,
dass wir uns durch die geringste Unreinheit Deines Reiches unwürdig
machen, in welches nichts Beflecktes eingehen kann. Die Reinheit ist
eine Gabe von Dir. Um diese bitten wir Dich durch die Unbefleckte
Reinheit Deiner jungfräulichen Mutter, von welcher der selige
Bonaventura der eifrigste Verehrer war.
Gütigster Jesu, Du hast Deinem geliebten
Diener Bonaventura die Gnade verliehen, Dein bitterstes Leiden und
Sterben immerdar unter den zärtlichsten Tränen des Mitleids zu
betrachten und Dir durch eine beständige Abtötung des Fleisches im
Leiden nachzufolgen. O rühr auch unsere Herzen, damit wir das Werk
unserer Erlösung, Dein heiligstes Leiden nicht ohne Tränen
betrachten, damit wir durch eine immerwährende Kreuzigung des
Fleisches Deine Nachfolge an unserem Leib herumtragen und endlich
die Früchte Deines Leidens selbst erlangen mögen.
Süßester Jesus, der Du den Glanz Deines
göttlichen Angesichts unter dem reinen Schleier der Brotsgestalten
verbirgst, du hast Deinen Diener Bonaventura mit einer wunderbaren
Liebe, Andacht und Sorgfalt zum Heiligsten Geheimnis des Altares
beschenkt. Entzünde auch unsere Herzen mit einer gleichen Andacht! O
dass wir gleich den Seraphinen brennen, so oft wir in die Kirche, in
Deinen Palast vor dem Tabernakel erscheinen, in welchem Du Deinen
Thorn aufgeschlagen hast!
O liebster Jesus, der Du lieber das
Leben als den Gehorsam hast verlieren wollen, der Du Deine Diener
wie die Sterne unterscheidest, einen mit einem vorzüglichen Glanz in
der Reinheit, einen anderen mit helleren Strahlen in der Liebe
umgibst, der Du den seligen Bonaventura besonders durch den Gehorsam
ausgezeichnet hast, flöße uns den Geist des Gehorsams ein, damit wir
nichts verlangen, als was das Gesetz will, damit wir niemals dem
eigenen Willen folgen, welcher die Hölle mit Seelen füllt, damit wir
vielmehr auf das Genaueste den Willen derjenigen vollziehen, die
unsere Vorgesetzten sind und Dir wegen unserer Seelen werden
Rechenschaft geben müssen. Gebe, o Jesu, dass wir den seligen
Bonaventura nachahmen, gleichwie er Dein Nachfolger gewesen ist.
Gebet
in einem Anliegen zu dem seligen
Bonaventura
Ich wende mich zu dir, seliger
Bonaventura, um durch deine Fürbitte die Befreiung von meinem
Anliegen NN. zu erlangen. Als du noch auf Erden wandertest, hat dich
niemand zu Rate gezogen, ohne in seinen Zweifeln Erläuterung zu
empfangen. Niemand hat in den Nöten seine Zuflucht zu dir genommen,
ohne die verlangte Hilfe zu erlangen. Kein Mensch hat dir sein
Betrübnis ohne Furcht offenbart, du hast seine Wunden geheilt.
Die Armen hatten an dir einen Vater, die
Waisen einen Pfleger, die Kinder einen Lehrmeister, die Sterbenden
den treuesten Freund. Du bist allen alles geworden. Um deinem
Nächsten einen Liebesdienst zu erweisen, hast du weder Mühe noch
Arbeit, weder Hitze noch Kälte, weder Gefahren noch Verdruss
geachtet. Wenn du hier unten gegen jedermann so wohltätig gewesen
bist, wenn du auf Erden so viele Gnaden und nicht selten scheinbare
Wunderwerke zum Nutzen des Nächsten erbeten hast, was darf ich nicht
von dir hoffen, da du im Himmel wohnst, wo deine Liebe weit
inbrünstiger ist, wo du meine Mühseligkeiten weit besser erkennst,
wo deine Fürsprache weit mächtiger und eindringlicher ist. Ich
bekenne dir zwar aufrichtig, dass ich nichts weniger als die
Befreiung von meinem Anliegen verlange, wenn mein Verlangen mit dem
Willen Gottes nicht einstimmt.
Er ist der Herr. Er mache mit seinem
Diener, was Er will. Wenn Er mich vernichtet, so ist Er doch ein
Vater. Weil dieser liebenswürdigste Vater nichts anderes als mein
Heil sucht, und dieses weit mehr, als ich es selbst suche, so will
ich auch dann nicht erhört werden, wenn mein Anliegen mit meinem
ewigen Heil verbunden wäre. Ist es ein Kreuz, durch welches mich
Gott von den Sünden meines Lebens reinigen, meinen Tod heiligen
will, so fahre Er nur fort. Er senge und brenne. Ich bin bereit,
wenn Er nur in der Ewigkeit verschont.
Wenn es aber ein Kreuz sein sollte,
welches zu meiner Prüfung dient, wenn es mir Gott nur darum
aufgeladen hat, um mein Vertrauen auf Seine Güte, auf die Fürbitte
Seiner Heiligen zu erwecken – so komme ich zu dir, seliger
Bonaventura! Ich bitte, ich flehe, ich seufze zu dir, damit du mir
deine Fürsprache beim Thron des Allmächtigen schenkst. Er wird dir
nichts abschlagen. Deine Fürbitte wird vielmehr Seinem väterlichen
Herzen eine süße Gewalt antun, teils wegen deiner Verdienste, teils
wegen deiner inbrünstigen Liebe, mit welcher du Gott liebst und von
Ihm wieder geliebt wirst.
Werfe so einen gnädigen Blick von der
Höhe herab auf mich Armen. Höre mein Seufzen, sammle meine Wünsche
und begleite sie beim Spender alles Guten mit deiner mächtigen
Fürsprache. Weil du aber als ein Heiliger nicht minder ein Vorbild
für meinen Lebenswandel als ein Fürsprecher in meinen Anliegen bist,
so werde ich mich besonders bemühen, deine Tugenden in meinem Leben
nachzuahmen, damit ich mich um so eher in meinem Anliegen deines
Beistandes trösten kann. Amen.
Gesang
Auf den seligen Bonaventura
Fromme Lippen freudig singet
Bonaventurens Tugendkron,
Fromme Herzen, euch erschwinget
Schwingt euch hoch zum Himmelslohn.
Dass die Nachfolg an euch stalte
Bonventurens Ebenbild.
Das die Tugend in euch walte,
Und im Streiten sei der Schild!
Gott das ganze Herz zu schenken,
Ist des Menschen erste Pflicht,
An den Herrn allein gedenken
Übergießt die Seel mit Licht.
Gott den Herrn allein zu lieben
Bonventura sich befleißt,
In der Tugend sich zu üben
Sorgt allein sein frommer Geist.
Brenn, o Lieb, in unsern Herzen,
Bis wir eine Leiche sind!
Fülle uns mit Reu und Schmerzen,
Bis die Buße Gnade find!
Alle Laster wir verdammen,
Aus des Herzens tiefsten Grund:
Brenn, o Liebe, gleich den Flammen,
Ewig sei mit dir der Bund.
Bonventura in den Ketten
Schleppt den Körper wie ein Tier,
Durch die Bußzeug zu erretten,
Was so oft nicht achten wir.
Mit gespornten Geißelstreichen,
Treibt er an den Leib nur Scherz,
Weil er Jesu möchte gleiche,
Der am Kreuz selbst ist der Schmerz.
Wir, die voller schweren Schulden,
Voller Sünden ohne Zahl,
Wollen öfters nichts gedulden,
Jammern über jede Qual.
Ach, lasst uns in Tränen baden,
Weinet, Augen, weinet Blut,
Dass ihr durch des Himmels Gnaden,
Löschet aus der Hölle Glut!
Wenn er zum Altar hingehet,
O, brennend tritt er hin!
Wie ein Seraph er da stehet,
Mit entzücktem Herz und Sinn.
Wenn er jenes Brot erhebet,
Das nur Brot dem Schein nach ist,
In der Höh sein Körper schwebet,
Da die süße Träne fließt.
Mutter Jesu, schöne Rachel,
Schöne Nazarenerin,
Unbetast vom Sündenstachel,
Rein im Wort, im Werk, im Sinn.
Bonventur zu dir entbrennet
Von der zartsten Kindeslieb,
Seine Mutter er dich nennet,
Ganz entflammt vom Liebestrieb.
Wirst du Mutter uns verachten,
Uns – die kindlich lieben dich,
Die nach deiner Liebe trachten,
Nach dir, Mutter, sehnen sich?
Bitt für uns, für deine Kinder,
Jetzt, und in der letzten Not,
Bitt für uns, für arme Sünder,
Bitt im Leben, bitt im Tod.
Bonventura flößt den Kleinen,
Sanft die Milch der Tugend ein,
Harte Sünder vor ihm weinen,
Seufzen laut und werden rein.
Äußerst arm, gibt er den Armen
Seinen Bissen von dem Mund,
Als ein Mann, der voll Erbarmen,
Macht er Gottes Güte kund.
Wenn der Kranke sich bekümmert,
Da sich naht die letzte Zeit.
Wenn er traurig, ängstig wimmert,
An dem Rand der Ewigkeit.
Bonventura ihm beistehet,
Spricht ihm Mut und Hoffnung zu.
Vor dem End er nicht weggehet,
Unruh ist hier seine Ruh.
Bonventura, wenn wir sterben,
Wenn die Uhr zum Richter ruft,
Hilf uns, Gottes Gnad erwerben,
Eh’ wir sinken in die Gruft.
Hilf uns kämpfen, hilf uns streiten,
Stärke unsern schwachen Geist,
Stärke uns in allen Leiden,
Bis es bei uns Amen heißt.
Ende
Anmerkung:
Cilicium ist die Bezeichnung für
einen groben, aus Ziegenhaaren gewebten Stoff. Der Name leitet sich
von der Herkunftsregion Kilikien in Anatolien ab. Aus diesem Stoff
wurden Kleider hergestellt, die zur Buße getragen wurden.
Spanne ist
ein natürliches Längenmaß: Abstand zwischen Daumen und
Mittelfingerspitze (kleine Spanne) bzw. zwischen Daumen und der
Spitze des kleinen Fingers (große Spanne, ca. 22–29 cm).
Adprobatio
Legi Vitam Beati
Bonaventura a Potentia ex Italico Idiomate in Germanicum traductam;
cumque ea fidei nostrae dogmatis respondeat, & ad bonos mores
inducendos mirifice apprime faciat, dignissima est, quae lucem
publicam aspiciat.
Constantiae 9. Maji 1776
Pro ordinario Censore
Antonius Faber
Poenitentiarius major
Herausgeber
Blaue Gebetsoase, Postfach 50 11 08,
50971 Köln
e-mail: herzmariens@netcologne.de
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