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Leben des Seligen Bonaventura von Potenza

Sel. Bonaventura von Potenza

Bekenner
* 16. Jan. 1651

26. Okt. 1711

Gedenktag: 26. Oktober 

Bonaventura von Potenza,
Bekenner (1651 -1711)

Am 3. Dezember 2001 erschienen in Sievernich der hl. Charbel, Papst Pius XII., der heilige Josaphat, die hl. Mirjam von Abellin, die hl. Schwester Faustine, der hl. Robert Bellarmin und ein Mann in einem braunen Gewand mit Bart. Nach sechs Jahren konnte jetzt neben dem hl. Hieronymus auch der letzte in Sievernich erschienene Heilige namentlich zugeordnet werden.

Bei dem Mann im braunen Gewand mit Bart handelt es sich um den seligen Bonaventura von Potenza. Sein richtiger Name war Antonio Carlo Gerardo Lavanga. Er wurde Anfang Januar 1651 in Süditalien geboren und am 4. Januar getauft. Schon sehr früh, mit 16 Jahren, hat er den Ruf empfunden, Mönch zu werden und trat mit 16 Jahren dem Franziskanerorden bei.

 

Er war Vorbild vor allem im Gehorsam und in der Selbsterniedrigung. Er kümmerte sich um die Gefangenen, sorgte für sie und besuchte sie. Er wirkte vor allem in Süditalien. An seiner zweiten Stelle hat er einen sehr guten Seelenführer gefunden. Dieser war für ihn ein großes Vorbild. Von ihm hat er vor allem die Einfachheit, die Bescheidenheit, die Demut und den Gehorsam gelernt. 1675 wurde er Priester. Er wurde dann in eine andere Ordensniederlassung nach Neapel versetzt. Auch dort hat er sich hervorgetan durch seine Einfachheit, seine Bescheidenheit, seine Armut und ein ganz einfaches und hartes Leben.

Er erhielt von Gott die Gnade der Seelenschau und der Prophezeiung. So hat er Bischöfen, Mönchen und seinen Vorsetzten Prophezeiungen gemacht, die wirklich eingetroffen sind. Er hat Leprakranke geheilt. Sie wurden auf der Stelle gesund. Beim Ausbruch einer großen Plage hat er viele Menschen geheilt. Bei Gebeten und während der Meditation wurde er in die Luft gehoben. Dadurch hat er in seinem Orden viel Verwunderung und Respekt erlebt.

Er hatte - wie der Pfarrer von Ars - Probleme mit seinem Theologiestudium. Nachher hat man aber festgestellt, dass er ein sehr tiefes Wissen im Glauben hatte. Obwohl er wegen seiner Lernprobleme während seines Studiums nur wenig im Gedächtnis behalten konnte, setzte er seine Vorgesetzten und seine Umgebung immer wieder in Erstaunen, weil er mehr wusste, als alle diejenigen um ihn herum, die viele Jahre intensiv Theologie studiert hatten. Außerdem war er ein großer Prediger.

1710 wurde er am Fuß operiert. Von da an war er bettlägerig. Obwohl er jetzt selber nicht mehr aufstehen konnte, kamen viele Menschen zu ihm, um ihn zu sehen und um Trost oder auch Heilung zu erhalten. Am 26. Oktober 1711 starb der sel. Bonaventura von Potenza.

Von Pius VI. wurde er am 26. November 1775 selig gesprochen. Es kann sein, dass er inzwischen auch heilig gesprochen wurde. Das wird noch geprüft. Allerdings ist es bei den Franziskanern oft der Fall, dass die Seliggesprochenen nicht heilig gesprochen werden, weil der Orden das Verfahren der Heiligsprechung nicht in die Wege leitete.

 

Leben des Seligen Bonaventura von Potenza

Aus den Akten des Seligsprechungsprozesses!!!

 

 

Ein Beispiel der Heiligkeit aus unserem Jahrhundert
(17. Jahrhundert) für alle Stände.

 Priester aus dem Orden der Franziskaner Konventualen,

aus den Prozessakten der Seligsprechung
gezogen von einem Priester dieses Ordens

Seligsprechung: 26. November 1775

Drucklegung des Originalbuches: 1776

Konstanz, im Verlag Jacob Frid. Bez & Compagnie.

Der Text wurde der heutigen deutschen Sprache angepasst.

 

Vorwort

Von der Weis und Art, nützlich die Lebensgeschichte der Heiligen zu lesen.

 Die Lebensgeschichten der Heiligen können uns wie ein Spiegel dienen, das innere Angesicht des Geistes zu betrachten, indem wir uns den Heiligen entgegen halten. Dieser Spiegel zeigt uns die vielen Gefahren, welchen wir ausgesetzt sind; die heimlichen Wege, auf denen uns die Feinde nachstellen; wir erkennen in ihnen die Tugenden, welche uns notwendig sind. Wir werden, da wir uns in diesem Spiegel betrachten, gegen die Versuchungen gestärkt, in den Widerwärtigkeiten aufgemuntert, gegen alle Zufälle vorbereitet.

Aber man muss sich aus einer wahren Begierde der Nachahmung, und nicht aus dem unechten Antrieb des Vorwitzes, oder um die Zeit zu verkürzen, sich den Geschichten der Heiligen nahen. Ehe die Augen zu lesen anfangen, ist es notwendig, das Herz vorzubereiten, Gott um Seine Gnade anzusprechen, ohne welche keine Änderung des Lebens vorgehen kann. Man muss dann aufmerksam lesen, den Heiligen kennen lernen; und zugleich die Augen auf seinen eigenen Lebenslauf werfen, der nach dem Leben der Heiligen soll eingerichtet werden. Dies heißt nichts anderes als einen Richterstuhl in seinem Herzen aufrichten, alle seine Handlungen zur Rechenschaft rufen, und sofern man diese von den Grundsätzen, nach welchen die Heiligen gehandelt haben, unterschieden findet, sich zu ihrer Verbesserung entschließen. Das will Gott von uns. Die Heiligen sollen nichts anderes als unsere Vorbilder sein. Weil wir uns mit unserer Schwachheit entschuldigen würden, dem Mensch gewordenen Gott, unserem Herrn selbst nachzuahmen, so stellt Er uns von Zeit zu Zeit neue Heilige auf, damit wir diesen als unseren Brüdern nachfolgen, weil sie unsere Brüder sind, weil sie mit uns auf der nämlichen Welt lebten; die nämliche Natur, die nämlichen Gefahren, die nämlichen Nachstellungen und Feinde wie wir hatten. Wir dürfen nur ihre Lebensbeschreibung lesen, so werden wir von allen diesen überzeugt werden. Wir müssen ihnen nachfolgen, weil wir die gleiche Seligkeit erwarten, welche sie schon erlangt haben; weil wir mit ihnen unter einem Evangelium und Gesetz leben. Welches Verlangen muss so das Lesen ihrer heiligen Geschichten in unseren Herzen erwecken, wenn wir diese Geschichten mit einer heiligen Aufmerksamkeit, reifer Überlegung und bedachtsamen Anwendung auf uns selbst durchgehen? Es scheint nicht möglich zu sein zu lesen, wie ein Heiliger den Schatten der Sünde geflohen habe, ohne eine Reue über die Sünden zu empfinden, welche man mit lachendem Mund begangen hat. Es scheint nicht möglich zu sein, zu lesen, wie ein Heiliger die empfindlichsten Schmerzen mit freudigem Gemüte überträgt, ohne seine eigene Ungeduld zu verdammen. Aber man muss mit dem Auge nicht forteilen, bis das Herz gebessert ist. So lang muss man sich bei einer Tat aufhalten, bis man sich zu ihrer Nachahmung fähig gemacht hat. Auf diese Art wird der Sünder durch das Lesen auf die Wege des Heils zurückgeführt werden, der Büßer wird in seinen Vorsätzen gestärkt, und der Laue mit einem neuen Feuer entzündet werden. Der Gerechte wird in den Fußstapfen der Heiligen von einer Tugend zur anderen wandern. Der Verfolgte wird die Sanftmut lernen, der Gekreuzigte sich in den göttlichen Willen ergeben und keiner ohne Nutzen lesen, wenn er mit einer Begierde sich zu bessern und mit einer Anwendung auf sich selbst liest, kurz, wenn er liest um nachzufolgen.

Freilich können wir den Heiligen nicht in allem nachfolgen. Sie haben Taten hinterlassen, welche mehr zur Bewunderung als für die Nachahmung sind. Es wären dazu außerordentliche Gnaden notwendig, welche unsere Hoffnung übersteigen. Doch auch diese Taten können wir nicht ohne Nutzen lesen, weil wir durch diese von den Vorurteilen befreit werden, die wir von der Strenge der Evangelischen Sittenlehre hegen. Das Joch Jesu Christi, welches die Heiligen mit so viel Freude des Geistes gezogen haben, muss nicht so schwer sein, wie wir glauben. Es muss ein anderes als ein sinnliches Vergnügen geben. Die Buße, in welcher sich die Heiligen mit aller Strenge geübt haben, muss ihnen durch einen anderen Trost ersetzt worden sein. Wenn wir bei Lesung jener außerordentlichen Bußübung nur auf dergleichen Gedanken verfallen, wenn wir nur unsere Vorurteile ablegen und erkennen, welches süße Joch das Joch Jesu Christi sei, so haben wir die göttliche Absicht schon erreicht. Wenn wir nur unsere Tugend an der Höhe der Heiligen abmessen und sehen, wie weit wir noch zurück sind, wenn wir nur dadurch aufgemuntert werden, allzeit weiter in der Tugend zu gehen, weil wir niemals zu weit gehen können, nachdem uns gesagt worden ist: Seid vollkommen, gleichwie euer Himmlischer Vater vollkommen ist.

Wer dieses gegenwärtige Leben des seligen Bonaventura von Potenza so lesen will, der lese es zu seiner Erbauung, zur Nachahmung. Es können alle von ihm lernen, die Kinder den Gehorsam, welcher die Haupttugend dieses Seligen ist, die Eltern die Erziehung der Kinder nach jener Art, auf welche Bonaventura seine Novizen erzogen hat, die Reichen ein Mitleid gegen die Armen, die Armen die Geduld, die Sünder die Buße, die Angefochtenen, wie sie streiten sollen. Man sollte aber nicht zum Zeitvertreib lesen, sondern mit einem begierigen Nachdenken, mit einer sorgfältigen Anwendung auf sich selbst, und die Frucht wird folgen.

 

Leben des seligen Bonaventura von Potenza

 

I. Kapitel

Seine Geburt, Kindheit und erste Studienjahre

 

Nichts ist geschickter, den Menschen zur Tugend anzutreiben, als die Beispiele. Gott hat daher in allen Zeiten Männer von vortrefflicher Heiligkeit und Tugend erweckt. Gleichwie es in der Kirche eine Weitergabe der Lehre gibt, welche in derselben die Reinheit des Glaubens erhält, und die Irrgläubigen zu überzeugen dient, eben so findet sich in der Kirche eine Weitergabe heiliger Handlungen, welche von einem Heiligen zu dem anderen fortgeht, um die guten zur Tugend aufzumuntern und die schlechten Christen zu beschämen. Ein solches Muster der Heiligkeit, nach welchem sich alle Stände bilden können, welches zur allgemeinen Erbauung dient, hat die Güte Gottes unserem Jahrhundert an dem seligen Bonaventura vorgestellt.

Zu Potenza, einer Stadt in Basilicata, dem Reich Neapolis, erblickte er im Jahr 1651 das Licht der Welt. Bei der heiligen Taufe, welche ihm am 4. Januar zu Teil geworden ist, erhielt er den Name Karl Anton. Lelius Lavanga, Katharina Pika – so nannten sich seine Eltern. Sie waren zwar arm an zeitlichen Mitteln, aber reich an Tugenden und bemüht, diese an ihr Kind weiterzugeben. Am 11. März des Jahres 1657 brachten sie ihren Karl zum Bischof Bonaventura Klaverio aus dem Konventual-Orden des Hl. Franziskus von Assisi, aus dessen Hand er das Hl. Sakrament der Firmung empfangen hat.

Kein ungewöhnliches Zeichen eines Himmelgestirns, noch eine Prophezeiung – Karl Anton verkündigte selbst seine Heiligkeit. Er hatte als Kind gar keine Freude an all dem, was sonst die Kinder freut. Von dem liebenswürdigen Gott hören, von Ihm reden, die Grundsätze des Glaubens lernen, dieses war sein einziges Vergnügen, welches ihn ganz eingenommen hatte. Sein Umgang, seine Gespräche, seine Augen, seine Schritte, sein ganzes Betragen waren so zurückhaltend, dass es schien, Karl Anton habe schon in der Kindheit Jungfräulichkeit geschworen. Wie der Prozessakte seiner Seligsprechung sagt, so hat die Reinheit aus seinen Augen und ganzem Angesicht geschaut. Er war schon damals ein Feind unnützer Reden und hasste nichts mehr als den schädlichen Müßiggang. Maria, die Mutter des Jesuskindes, war ein besonderer Gegenstand seiner kindlichen Andacht. Ihr zu Ehre richtete er ein Altärchen auf und zierte ihr Bildnis nach seinem Vermögen. Da warf er sich stundenlang auf seine zarten Knie, da betete er in voller Unschuld, entwickelte durch die frühzeitigsten Betrachtungen die ersten Gedanken seiner Jugend und glaubte nicht, ein Kind Mariä, dieser Schmerzensmutter zu sein, wenn nicht zugleich die Geißel seine Glieder mit Blut färbte. Die zärtlich gerührten Eltern konnten ihre Freude über die ungemeine Geschwindigkeit, mit welcher er ihre Befehle vollzog, nicht bergen. Sie übergaben ihren Sohn einem frommen Geistlichen, damit er zugleich in den Wissenschaften der Gelehrten und jenen der Heiligen unterrichtet würde. Wenige Tage hatte Karl Anton unter der Aufsicht seines neuen Lehrers zugebracht, und schon erkannte dieser seinen pünktlichen Gehorsam, sein engelhaftes Gemüt. Die ganze Schule konnte ihn als ein Muster jugendlicher Tugenden sehen. Knaben, welche durch sein Verhalten beschämt wurden, schlugen nach ihm. Aber er beschämte sie noch mehr durch seine Sanftmut und Geduld. Die Zeit, welche ihm vom Studieren übrig blieb, brachte er in der Kirche zu. Mit erbaulicher Andacht diente dieser irdische Engel den Priestern, welche das große Opfer verrichteten. Mit inbrünstigstem Eifer nahte er sich den Heiligen Sakramenten, welche ihm sein Alter zuließ. Mit völliger Sammlung des Geistes staunte er solange dem Geheimnis Gottes nach, bis die Zeit diesen heiligen Studenten zu seiner Berufsarbeit, zu den Büchern oder in die Schule zurückrief. Als die Bürger von Potenza den jungen Karl Anton sich der Vollkommenheit mit so großen Schritten nahen sahen, versprachen sie sich einen Heiligen.

 

II. Kapitel

Er begibt sich in einen Heiligen Orden;
legt die Gelübde ab;
gibt die Philosophie auf und
verlegt sich gänzlich auf die Wissenschaft des Heils.

 

Er lebte 15 Jahre mitten in der Welt ohne Welt, und wusste das Kleinod seiner Unschuld gegen alle Nachstellungen sicher zu stellen. Obschon ihn die göttliche Vorsicht mit allen Gnaden an Leib und Seele, reichlich ausgeschmückt hatte, so sah er doch, dass sein Beruf nicht von dieser Welt ist. Er ging mit dem Heiligen Geist zu Rat, spürte seine eigenen Neigungen aus, prüfte sein Herz und entschloss sich zum Klosterleben. Die Eltern, welche in dem Entschluss ihres Sohnes einen Fingerzeig des Himmels erkannten, brachten ihn zum Pater Anton da Pescopagana, Provinzvorsteher der Väter Konventualen, hielten bei ihm um die Aufnahme ihres Sohnes in den Hl. Orden an, und erhielten, was sie verlangten. Karl Anton wurde dem Konvent seines Geburtsortes selbst einverleibt. In Nocera legte er alsbald das geistliche Kleid an, und dieses unter zärtlichen Tränen, weil es am 4. Oktober zum Fest des hl. Franziskus geschah. Bonaventura war der Name, welcher ihm bei der Einkleidung zugelegt worden ist.

Kaum war diese kostbare Pflanze in ihr natürliches Erdreich versetzt, so eilte sie, von Tag zu Tag neue und herrliche Früchte hervorzubringen. Der Last seiner frommen Begierden zog ihn besonders dahin, sich in der Befolgung der Anweisungen hervorzutun, und die Ämter, welche ihm der Finger des Oberen gezeigt hat, auf das genaueste zu erfüllen. Kurz, der Wille des Oberen war der Kompass, nach dem sich Bonaventura einzig gerichtet hat. Sich, seinem Willen war er gänzlich abgestorben. Reich an verdiensten, glänzend an Tugenden, hat dieser heilige Novize sein Probejahr zurückgelegt. Nun legte er unter dem Vater Franz de Cerchiano, Vorsteher jenes Konvents, die feierlichen Gelübde ab. Den Ordensbrüdern schlug das Herz vor Freude bei dieser Beute, welche sie der Welt in diesem Augenblick abgenommen. Bei Bonaventura aber brach die Freude, welche sich in seiner Brust ausgegossen hatte, auch ins Äußerliche aus. Die Banden der Welt sind zerrissen, jauchzt seine Seele, sie sind zerrissen, ich bin frei, und nun gehöre ich Gott ganz an. Mein Geliebter ist mein, und ich bin Sein.

Jetzt wird er einem Lehrer zur Erlernung menschlicher Wissenschaften übergeben. Aber Bonaventura findet wenig Geschmack an diesen, weil sie durch die Zerstreuung seinen Geist von göttlichen Dingen abhalten, und durch die Trockenheit des Herzens, das Gefühl zur Tugend erlöschen. Dennoch gab er dem Gehorsam und der Gewohnheit des Ordens nach und blieb ein Schüler. In Matalona aber, wohin er hernach verschickt worden ist, hat der Herr ihm Seinen Willen erkennen lassen. Der Hl. Vater Franziskus hat in jenem Ort im Jahr 1222 ein Kloster für seine Brüder erbaut. Bonaventura erfuhr, dass ihm diese diese enge Zelle zur Wohnung angewiesen war, welche Franziskus selbst bewohnt hatte. Wie jammerte, wie seufzte der Demütige, der sich so unwürdig schätzte, die Erde zu betreten, welche einen solchen Heiligen getragen hatte. Der Vater Sebastian di Caesare hörte das wehmütige Winseln Bonaventuras. Er fragte ihn nach der Ursache seines Seufzens, und er glaubte in der Antwort seines geliebten Mitbruders die Demut selbst reden zu hören. Er lernte aus seiner Antwort seinen Geist kennen und gibt ihm den gut gemeinten Rat, das Studieren aufzugeben und sich einzig und Aber auf die Wissenschaften der Heiligen zu verlegen. Aus dieser Absicht ist Bonaventura mit Erlaubnis seiner Oberen in den Konvent des Städtchens Pio gekommen. Die Einsamkeit des Ortes, die Gesellschaft der Geistlichen, welche die Begierde eines strengen Lebens dort versammelt hatte, feuerten den Eifer Bonaventuras noch mehr an. Die göttliche Vorsicht aber, welche auf das Wachstum dieser großen Seele gleichsam eifersüchtig war, hatte einen noch bequemeren Ort für Bonaventura ausgesehen, nämlich die Stadt Amalsi. Da traf er wieder ein Wohnzimmer seines Hl. Ordensstifters an, und zugleich den berühmten Diener Gottes, Dominikus a Muro, einen Mann, der zur Leitung der Seelen die größten Fähigkeiten besaß. Diesem und seinem Oberen hat sich Bonaventura gänzlich übergeben. Er eiferte mit seinem Lehrer Dominikus auf dem Weg der Vollkommenheit. Sie sprachen einander zu, sie munterten einander auf, und verkosteten miteinander in der Stille die Süßigkeiten der Gnade. Acht Jahre hat Bonaventura in der Gesellschaft seines geistlichen Lehrers zugebracht und hat es unter dessen Anführung sowohl in den Wissenschaften des Heils als in der Erlernung der geprüften Gottesgelehrtheit und in der Ausübung der Tugenden zur Vollkommenheit gebracht. Der Grund, auf welchem Bonaventura sein geistliches Gebäude aufgebaut hat, war die Demut, ohne welche auch die glänzendsten Tugenden nichts als Eitelkeit sind. Die verächtlichsten Werke waren ihm nicht zur gering. Ein Wink, ein Wort des Oberen war dem Diener Gottes genug, sich zu den niedrigsten Tätigkeiten herabzulassen. Unbilden, Verachtungen, Schimpfworte konnten seine Tugend nicht schwächen. Er umarmte mit Jesus und in Jesus seine Beleidiger. Um sich verächtlich zu machen, sagte er alles, was ihm zur Unehre gereichen konnte. Darum hat er so oft von seiner niederen Herkunft gesprochen. Mit Paulus nennt er sich einen Sünder, den Sündhaftesten, den Verwerflichsten unter den Sündern.

Christus Jesus, welchen Bonaventura nachfolgte, hatte weder eine Höhle zur Wohnung, noch einen Stein als Kopfpolster. Darum wollte auch Bonaventura nichts haben. Ein einziger Rock, der schon ein Bußkleid war, der nur dazu diente, die Blöße des Adams und die Bußzeuge des Bonaventura zu bedecken, war sein ganzer Reichtum. Einige wenige Bilder von Papier machten die Zierde seiner Zelle aus, und diese war ihm allemal gut genug, wenn sie nur der Kirche nahe war. Auf einem Strohsack, auf einem harten Brett oder gar auf der bloßen Erde suchte er die Nachtruhe, wenn ihn der Schlaf überfiel. Von seinen Bußzeugen aber legte er keines ab, auch in den Krankheiten nicht, wenn es der Obere nicht schaffte. Das Geld, welches die Welt mit Zwietracht füllt, die Augen blendet und die Herzen von den Schätzen des himmlischen Vaterlandes abzieht, verdiente seinen völligen Abscheu. Er dachte an die Silberlinge, mit welchen Jesus verkauft worden ist, und glaubte, an der geringsten Münze die ganze Last zu fühlen, welche den unglückseligen Judas in den Abgrund des Verderbens zog. Seine Oberen fanden ihn des eigenen Willens entblößt. Sie lebten gleichsam in ihm. Ihr Wille war das Uhrwerk seiner Seele. Nicht nur einmal haben sie erfahren, dass Bonaventura, vertieft in das Beispiel seines göttlichen Lehrmeisters, lieber das Leben als den Gehorsam verlieren wollte. Niemals hat er der Absicht seiner Oberen nachgegrübelt. Niemals machte er einen Unterschied in ihren Befehlen, sondern er freute sich, wenn er nur gehorchen konnte, ein anderer Paulus simplex.

 

III. Kapitel

Seine Andacht zu dem Hochheiligsten Altarssakrament.
Er wird Priester, kommt nach Neapel und
wächst in der Tugend, wie im Ruf der Heiligkeit.

 

Der liebste Aufenthalt des Dieners Gottes war vor dem Tabernakel des göttlichen Heilandes. Es war seine Herzenslust, recht oft von dem Heiligsten Altarssakrament reden zu können. Dieses Liebesgeheimnis war der immerwährende Gegenstand seiner anmutsvollen Betrachtungen. Ganze Nächte hat er bei der Bundshütte des Herrn, dem Tabernakel durchgewacht. Er benetzte die Staffel des Altars mit seinen Tränen und die Mauern des Tempels erhallten von den Seufzern seiner Liebe. Musste er ausgehen, so ging er bei keiner Kirche vorbei, ohne dass Hochwürdige Gut zu besuchen und anzubeten. Hörte er andere nur von demselben reden, so entbrannt sein Herz. Sein Angesicht wurde glühend von der Liebesflamme und brach in Schweiß aus. Dieses waren die gewöhnlichen Zeichen, welche seinen Entzückungen vorausgingen. Wenn Bonaventura dieses merkte, sprach er zu sich selbst: Warten wir noch ein wenig, warten wir. So ist er nach und nach entzückt gleichsam in die Arme der Liebe gefallen. Kam er zu sich, so eilte er in seine Zelle, um sich zu erholen, wurde aber dort auf ein Neues von dem Feuer der Betrachtungen dahin gerissen. Er suchte, das Kirchengerät in möglichster Reinheit zu erhalten. Er wachte über die heiligen Gefäße mit strengster Sorgfalt. Wenn er etwas Zeit übrig hatte; so musste diese zur Ehre des Hochwürdigsten im Tabernakel verwendet werden. Nichts konnte seine ruhige Seele mehr aufbringen als eine undankbare Unehrerbietigkeit gegen dies Sakrament. Die Engel zittern da, sagte er, und der Mensch – wie ehrerbietig sollte dieser sein? Seinetwegen Aber hält sich der Herr unter den Brotsgestalten auf. Wurde er wegen des allzu großen Eifers in seiner Lieblingstätigkeit, die Besorgung des Altars, getadelt, so verlangte er zu wissen, was wohl hier zuviel geschehen könne? Wisse, sagte er, ich bin bereit, für die Ehre des Hochheiligen Sakramentes mein Leben zu lassen. Welche Hochschätzung für das Haus Gottes, diesen irdischen Himmel!

Es lässt sich daraus leicht vermuten, mit welcher Sorgfalt sich Bonaventura wohl zum Priestertum vorbereitet hat. Voll von der Größe dieses göttlichen Amts schloss er sich gleichsam in sich selbst ein, und hatte keinen anderen Umgang als mit Gott. Hat die Demut seinen hl. Vater Franziskus von dem Altar zurück gehalten, so führte die Liebe und der Gehorsam den Sohn dorthin. Bonaventura empfängt die heilige Weihe, er liest die erste Heilige Messe, er liest sie mit seraphischem Eifer, er steht wie ein himmlischer Mensch an dem Altar. Es kann eher gedacht als geschrieben werden, was in seinem Herzen wohl vorgegangen ist, als er die mächtigen Worte das erste Mal aussprach, welche die höchste Majestät auf den Altar herabziehen, als er das erste Mal das göttliche Lamm in Händen trug. Die Zeit hatte keine Gewalt über die Andacht dieses Priesters. Sein Eifer nahm vielmehr zu, wie ein Feuer zunimmt, das immer neue Nahrung erhält. Bonaventura hat niemals das unblutige Opfer verrichtet, ohne dieses mit seinen Tränen zu begleiten. Öfters hat sich ein himmlischer Glanz über sein Angesicht ausgebreitet, und er stand entzückt an dem Altar, wobei er kaum noch die Erde mit den Zehen berührte.

Dadurch ist Bonaventura in den Ruf der Heiligkeit gekommen. Die Konvente seines Ordens, die Städte selbst, in welchen sich diese Konvente befanden, hielten bei dem Vater Dominikus um ihn an. Der Provinzobere schickt ihn nach Neapel in den Konvent des hl. Antonius. Der Abschied war hart. Dominikus und Bonaventura waren ein Herz und eine Seele, wie es David und Jonathas gewesen sind. Sie hatten einander innig geliebt, aber der Gehorsam will, dass sie voneinander scheiden. Sie umarmen einander, und der Vater Dominikus entlässt seinen geistlichen Sohn mit dem Trost, Ravello werde der Ort seines Hinscheidens sein: und so würden ihre Leiber nach dem Tod Nachbarn werden, gleichwie es ihre Seelen im Leben gewesen sind.

Bonaventura kommt in Neapel an. Er lässt sich dort zu den geringsten Tätigkeiten brauchen, so dass man ihn eher für einen Laienbruder als für einen Priester gehalten konnte. Er war bemüht, jedermann zu dienen und an Leib und Seele beizustehen. Weil er von seinem großen Lehrer, dem Vater Dominikus, die Wissenschaft des Geistes ganz verinnerlicht hatte, so war er fähig, auch die vornehmsten weltlichen Menschen mit seinen Ratschlägen zu unterstützen. Wer nur ein Anliegen hatte, kam zu Bonaventura. Ein jeder wollte ihn zum geistlichen Vater, zu seinem Führer und Seelenarzt. Wenn man nach der Aussage des hl. Karl Borromäus glücklich ist, unter zehntausend nur einen solchen Mann gefunden zu haben, so zweifelt man gar nicht, dass Bonaventura dieser ist. Keine Mühe war ihm zu viel für Gott, und für die Seelen war ihm alles zu wenig. Er hörte nicht auf, die Unwissenden zu lehren, die Sünder zu bekehren, die Büßer aufzumuntern, die Gerechten auf dem Weg des Heils zu stärken. Die Krankenzimmer waren für ihn eine Schule der Tugend, und er erschien dort nicht anders als wie ein Engel mit dem Kelch des Trostes. Einen Kranken munterte er zur Geduld gegen die Schmerzanfälle auf, einen anderen bereitete er durch die Ergebung in den göttlichen Willen zum feierlichen Schritt in die Ewigkeit zu. Er eilte von einem Haus in das andere, von einer Lagerstatt zur anderen. Bei den Sterbenden liegt er auf der Erde, hält ihnen die Bildnisse des Gekreuzigten vor, spricht ihnen die anmutigsten Seufzer der Reue und Liebe zu. Er stärkt sie im Todeskampf und drückt gleichsam dem Heil der Menschen das letzte Siegel auf, da er durch seinen Zuspruch alle Eingebungen des Fürsten der Finsternis in jenem bedenklichen Augenblick vereitelt. Die Liebe Jesu, der Seine Seele für Seine Brüder gab, hat das Herz Bonaventuras so eingenommen, dass er nicht nur einmal sagte, wenn ihm alle Türen verschlossen, alle Wege verlegt wären und er zu einem Sterbenden gerufen würde, so würde er sich einen Weg durch das Fenster suchen. Es ist nämlich das eingetroffen, was die heiligen Väter sagen: Eine wahre Liebe achtet keine Hindernisse. Aber Bonaventura wurde dabei aufgezehrt wie eine Kerze, die nur zum Besten anderer brennt. Er sah einer noch herumwandelnden Leiche gleich. Er war sozusagen ein Geist. Doch gab es keine Ruhe für ihn. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Einer verlangte Rat von ihm, ein anderer suchte Trost bei ihm. Dieser kam, seine Ehrerbietung zu zeigen, jener, sein Gewissen bei ihm in Ruhe zu versetzen, ein anderer forschte bei ihm nach der Zukunft.

In der Stadt Neapel hat sich ein besonderes Ereignis zugetragen. Der Vater Paska litt an den Steinschmerzen, von welchen nur diejenigen reden können, welche diesen Schmerz empfunden haben. Er klagte dem Seligen seine Pein. Er bat ihn, er möge mit ihm in die Kirche kommen und das so genannte Responsorium des hl. Antonius für ihn beten. Bonaventura, ein Mann der Barmherzigkeit, vom Mitleid innig gerührt, beginnt mit festem Vertrauen das verlangte Gebet, und seht, als er die Worte sagt: die Kranken stehen gesund auf, so geht ein Stein von einer außerordentlichen Größe von dem Kranken. Jetzt danken beide dem lieben Gott für Seine große Gnade.

 

IV. Kapitel

Sein Aufenthalt in den Konventen Maranola,
di Giuliano und di Capri.

 

Die Beispiele sind mächtiger als die Worte. Man lehrt mit Werken weit besser und vollkommener als mit der Stimme, wie der hl. Papst Leo spricht. Dies wussten die Oberen des seligen Mannes. Darum haben sie ihn an verschiedene Orte geschickt, und zwar zuerst nach Maranola. Bonaventura war auf jeden Wink hin reisefertig, weil er immer in seinem Oberen das Bild Jesu Christi betrachtete. Wenn es der Gehorsam will, sagte er, so gehe ich bis in die Hölle. So konnte nur ein Bonaventura sprechen, der den Gehorsam am meisten ausgeübt hat, bei dem der Gehorsam die Triebfeder aller Handlungen war. Von Maranola zog er mit der gleichen Geschwindigkeit des Gehorsams nach dem Konvent di Giuliano. Gewiss würde er den Anstrengungen der Reisen unterlegen sein, wenn der Himmel, welcher dem Gehorsam ein langes Leben und herrliche Siege verspricht, ihn nicht gestärkt hätte. Seine Mitbrüder sahen ihn und staunten, als sie sein vieles Wachen, die Strenge seiner Abtötung, die Sparsamkeit im Essen und die Länge seiner Betrachtungen sahen. Hatte er auch etwas Gutes vor sich, so musste es sein Nachbar haben.

Etwa im Jahr 1685, als er 34 Jahre alt war, kam er nach Montella und von da nach St. Eusemia, einer kleinen, aber alten Stadt, di Sorrento, wo ihm der Glanz seiner Tugenden den größten Ruhm erwarb. Es war ihm aber alles eins, wo ihn der Gehorsam immer haben wollte. Er glich einem Baum, der nirgends tiefe Wurzeln schlägt, sondern gleich ausgehoben werden kann. Nur Potenza, sein Geburtsort, war gegen seine Neigung. Dort wünschte er, niemals wohnen zu müssen. Weder die Stimme des Blutes, noch das Ansuchen Heinrichs Loffredo, eines Grafen jener Stadt, konnten ihn bewegen, einen Propheten in seinem Vaterland abzugeben. Das Beispiel des Heiligen Antonius von Padua, seines Ordensbruders, schwebte ihm vor Augen, der den Ort, den Orden und auch den Namen verändert hat, um sich gegen den Anlauf der Freunde zu schützen und im Geist ruhiger leben zu können. Der Gehorsam aber hat endlich in Bonaventura über allen Widerwillen gesiegt. Der Obere befiehlt ihm, nach Potenza zu gehen, um seine kranke Schwester zu besuchen, und Bonaventura geht. Er kommt mit seinem Begleiter bis nach d’Eboli. Da sagt er zu diesem: Halten wir inne, meine Schwester ist schon gestorben und der Gehorsam ist erfüllt … Demut und Gehorsam … beide Tugenden, eine wie die andere, sind hier vom Himmel gekrönt worden. Der Gehorsam, welcher ihn nach Potenza führte, und die Demut, welche sich vor dem Lob der Landsleute entsetzte.

Nachdem diesen ihre Wünsche fehlgeschlagen waren, bewarb sich Carpi, eine kleine Stadt auf einer kleinen Insel gleichen Namens, um den seligen Bonaventura, um an ihm sowohl ein Beispiel der Frömmigkeit, als auch einen Führer der Seelen zu haben. Der Provinzobere beruft ihn nach Neapel und erklärt ihn zum Superior in dem neu errichteten kleinen Haus in dem nahe gelegenen Carpi. Bonaventura erschrickt, weil er weiß, wie viel sicherer es ist zu gehorchen als zu befehlen. Der Obere liest ihm die Ursache seines Erschreckens an der Stirne ab und ernennt einen anderen Superior. Jetzt geht Bonaventura in Begleitung zweier Priester und eines Laienbruders mit Freuden nach Carpi. Die Armut des neuen Hospiz gereicht ihm zum besonderen Trost. Er teilt mit dem Laienbruder die klösterlichen Tätigkeiten. Bald besorgt er die Ordnung der Kirche, bald hilft er in der Küche. Jetzt macht er den Pförtnerdienst, dann teilt er den Armen das Almosen aus. In dem Beichtstuhl ist er unermüdlich und auf der Kanzel brennt er vom Eifer des Herrn. Er ist allen alles geworden, um alle zu gewinnen. So emsig er sich aber der Heiligung anderer Seelen annahm, so hat er doch niemals vergessen, sich selbst zu heiligen. Denn bei allen seinen Liebesübungen hat er keine einzige seiner geistlichen Übungen unterlassen.

Was den Kindern Israels jene wunderbare Wolke war, das war dem Bonaventura der Wille seines Vorgesetzten. Rückte die Wolke fort, so rückten auch die Israeliten nach. Blieb sie stehen, so wich das auserwählte Volk nicht vom Platz. Nicht anders hat sich der Selige verhalten. Sagte ihm der Obere, er solle da warten, bis er zurückkäme, so blieb Bonaventura ganze Tage stehen und verließ nur auf die Stimme des Gehorsams jenen Ort, an welchem ihn der Gehorsam hingestellt hatte. Wie ein toter Leib, der mit sich umgehen lässt, wie man will, muss ein wahrer Gehorsam sein, pflegte der hl. Franziskus zu sagen. Ein solcher ist Bonaventura gewesen.

Eine Frau kam mit weinenden Augen zu ihm. Sie hatte einen Ring verloren, und nun fürchtete sie ihren Mann, der ein rauer Tyrann war, der sie nicht als eine Gehilfin seines Lebens, sondern als eine Sklavin ansah. Sie fürchtete Schläge von diesem Ungehobelten. Sie sind ein heiliger Mann, sagte sie zu dem Seligen, Sie haben Umgang mit den Heiligen. O machen Sie doch, dass ich wieder zu dem Ring komme. Meine Tochter, hat ihr der Selige zur Antwort gegeben, du redest doch einfältig. Mit den Heiligen hab ich einen Umgang, sagst du? Ein Sünder bin ich, der größte Sünder. Ein Mensch, der voll böser Begierden steckt, der die schlimmste Natur hat, eine Natur, die sich allzeit sträubt, das Gute zu tun. Wie kannst du glauben, dass mich Gott erhören werde? Ich will dennoch den hl. Antonius für dich bitten. Morgen kannst du wieder kommen. Sie kam, und Bonaventura fragte sie, ob sie sich nicht erinnern könne, dass sie den Ring auf die Kiste gelegt habe, aus welcher sie an einem Festtag die Kleider nahm. Als sie den Deckel aufgemacht hätte, sei der Ring rücklings hinab gefallen. Jetzt ging die Frau voll Trost. Sie fand das verlorene Gut wieder. Sie posaunte diese Sache in der ganzen Nachbarschaft aus. Es kam auch dem Oberen des Seligen zu Ohren. Dieser fragte ihn, woher er doch die Sache mit dem Ring habe wissen könne. Der Gehorsame, der eben so demütig war, bat nur um Verschwiegenheit und gestand, dass ihm der hl. Antonius erschienen sei, der ihm jenen Hergang erzählt habe.

Drei Monate und nicht länger dauerte der Aufenthalt des Seligen in Carpi. Aber es war genug, den Geruch der Tugenden und das Licht des guten Beispiels in der ganzen Gegend zu verbreiten. Er wurde von da nach Neapel verschickt, von Neapel nach Ischia. Er ging ohne Klage, wie ein Schäflein, das die Stimme seines Hirten hört.

 

V. Kapitel

Der Aufenthalt des Seligen auf der Insel Ischia.

 

Bonaventura ehrte in seinem Oberen denjenigen, der da gesagt hat: Wer euch ehrt, ehrt Mich. Daum fiel er auf die Knie nieder, sobald er dem Vorsteher des Konvents auf Ischia zu Gesichte kam, und übergab sich diesem ganz. Der Obere freute sich über seinen neuen Untergebenen, von dem ihm der gute Ruf schon vieles erzählt hatte. Er suchte seine Bekanntschaft und wurde sein Vertrauter. Der Tugendschimmer des Seligen verbreitete sich bald und nahm alle Gemüter gefangen. Unter dem Vorwand, das Fleisch sei ihm schädlich, genoss Bonaventura nichts als Bohnen, raue Zwiebeln, die in stinkendem Wasser gesotten waren. Einfaches Brot, welches den Armen an der Pforte ausgeteilt wurde, war auch sein Brot. Wachen und Fasten, dieses nannte er die Künste, von denen er sagte, dass er durch diese die Welt, das Fleisch, die Hölle überwinde, den Seinigen Genüge leiste und Gott gefalle. Er fastete aber an alle Vigilien der Kirche und des Ordens sowohl nach den Regeln des Ordens als auch nach den Geboten der Kirche, so strenge, dass er nichts genoss außer Kräuter. Die Novene des hl. Vaters Franziskus, alle Vorabende der Marienfeste und überdies drei Tage in der Woche brachte er mit Wasser und Brot zu. Von der glorreichsten Auffahrt des Herrn bis zu dem Freudenfest der Pfingsten waren Kastanien, Bohnen und Waldkräuter seine Nahrung. Er sah den Leib als nichts Anderes als einen Knecht an und hielt diesen mit der Geißel in strengster Zucht. Die Nächte zum Freitag nannte er Bußnächte. Dann war sein Geist auf dem Kalvarienberg verzückt. Wie eine Taube hat er sich in der Seitenwunde jenes Felsens, der Christus ist, ganz versenkt. Er zerfloss vor dem Kreuz in Tränen. Er konnte die blutigen Wunden des göttlichen Lammes nicht anblicken, ohne sich selbst bis auf das Blut zu zerfleischen. Sein stachliger Bußgürtel war drei Spannen (etwa 60 cm) breit. In diesem führte er sein Fleisch wie ein wildes Tier gefangen. Als ihn ein anderer um ein gleiches Bußkleid ansprach, so antwortete er ihm, dass es ihm nur schaden würde, weil er ihm nicht zugleich auch seine dicke raue Haut geben könne. Bonaventura hat neben diesen Marterzeugen einer heiligen Grausamkeit, welche Gott bei einigen zulässt oder ihnen eingibt, um der Zärtlichkeit anderer allen Vorwand zu nehmen und um zu zeigen, was der Mensch ertragen kann, neben diesen Peinigungen, sage ich, hat er einen Rock von schärfsten Tierborsten getragen. Je härter er aber mit seinem Leib umging, desto wütender raste Satan gegen ihn. Erst nach einem dreijährigen immerwährenden Kriege zog sich der Feind beschämt zurück und überließ dem Seligen den herrlichsten Sieg. Gott hat mich erhalten, sagte Bonaventura zu einem seiner Freunde, Gott hat mich erhalten. Der höllische Raubvogel hat nichts als Mücken gefangen. So küssen die Heiligen die Hand des himmlischen Vaters und schreiben ihr den Sieg zu, den sie der Hölle abgenommen haben.

Wenn Bonaventura jetzt von der Hölle Ruhe hatte, traute er doch dem Fleisch nicht. Er kreuzigte dasselbe wie zuvor. Der Bußgürtel durchfraß ihm die Lenden, das beständige Knien zog einen Knieschwamm nach sich. Er warf gleich einem Lungensüchtigen einen faulenden Speichel aus und öfters lag er wie ein Toter. Aber dieser Tote lebte noch für den Gehorsam der Oberen, für das Heil seiner Nächsten.

In der Mitte des Frühlings kam ein Abrufungsbrief für ihn. In dem Konvent der Hl. Anastasia, nah an dem Tal des Vesuvs, sollte er dem Vater Bonaventura di Ferrara beistehen, welcher krank zu Bett lag. Ungeachtet der Nacht, welche einbrach, ungeachtet der vielen Übel, welche seinen Körper erschöpft hatten, ungeachtet der Seestürme, welche zu befürchten waren, ungeachtet aller Gefahr, gleich wollte Bonaventura abreisen, um durch eine Verzögerung sich der Verdienste des Gehorsams nicht zu berauben. Aber sein damaliger Oberer, welcher seine Umstände, seine Armseligkeiten kannte und vom Mitleid gerührt war, hielt ihn noch drei Tage zurück. Kaum fing der vierte Tag an, so brach Bonaventura mit seinem Begleiter auf. Die Schiffsleute trauen der See nicht. Sie sehen die Stürme voraus, die Gefahr des Schiffbruchs schwebt ihnen vor Augen. Sie können sich nicht entschließen abzusegeln, ohne sich der äußersten Gefahr auszusetzen. Bonaventura spricht ihnen zu und lässt nicht nach. Sie fahren auf sein Wort ab. Bald fängt das Meer an zu stürmen. Die Schiffsleute wollen verzweifeln. Bonaventura betet und sie landen glücklich in Neapel. Da fallen die Seefahrer dem Seligen zu Füßen. sie verdanken seinem Gebet ihr Leben. Bonaventura wird gebeten, mit seinem Begleiter in dieser Stadt auszuruhen. Aber er lässt seinen Begleiter dort zurück. Er achtet weder die Nacht, noch die abschüssigen Wege. Er eilt fort, schont sich nicht und kommt zu seinem Kranken. Vier Tage hält er sich bei demselben auf. Dann geht er mit seinem Begleiter nach Ischia zurück. Das Reisegeld hat er auf dem Weg unter die Armen verteilt.

Man sagte ihm bei seiner Ankunft, dass sein Enkel von Potenza gekommen sei, um ihn besuchen. Bonaventura war der Welt viel zu viel abgestorben, als dass er diesen hätte sprechen wollen. Er als ein Priester nach der Ordnung Melchisedech verlangte ohne Vater und Mutter, ohne alle Freunde zu sein. Er war besorgt, das Blut könne sich regen und der Geist könne ausschweifen, wenn die Augen einen Enkel erblicken. Doch die Furcht, Gott zu beleidigen, siegte über alle seine Entschließungen. Er sprach mit seinem Neffen, vor allem sprach er wegen seiner Enkelinnen mit ihm, die vater- und mutterlose Kinder waren. Damit ihre Tugend keiner Gefahr ausgesetzt würde, bat sich Bonaventura die Erlaubnis aus, in der Stadt ein Almosen zur Aussteuerung dieser verlassenen Töchter sammeln zu dürfen, und er hat sie erhalten.

VI. Kapitel

Seine geistlichen Früchte und
seltene Taten auf der Insel Ischia.

 

Man kann von ihm sagen, dass er wie Job den Blinden ein Auge, den Lahmen ein Fuß, den Kranken eine Arznei, ein Vater aller geworden ist, und was noch mehr ist, ein Apostel, vor dessen Angesicht das Laster floh. Sein Eifer im Bekehren der Sünder war unbeschreiblich. Wenn er dabei das größte Ungemach auszustehen hatte, so war er gleichsam unempfindlich, gleich dem Apostel, der da sagte: Ich lebe nicht, Jesus lebt in mir. Jetzt lallt er den Kindern die ersten Grundsätze des Christentums vor. Dann bricht er den rohen Schiffsleuten das Brot christlicher Lehre. Bald ist er von einem Haufen Landleuten umgeben. Bald sind die Armen seine Zuhörer. Diejenigen, welche die Fähigkeiten dazu besitzen, lehrte er das Betrachten. Sie finden, dass wir keiner Gebetbücher bedürftig sind, wenn wir unser eigenes Herz benutzen können. Er hört die Sünder in dem Beichtstuhl an. Er söhnt sie mit ihrem göttlichen Richter aus, legt ihnen zum Unterpfand des Heils das Lamm Gottes auf die Zunge und kehrt in den heiligen Richterstuhl zurück, vergisst Ruhe und Speise darüber, unersättlich in dem Seelenheil.

An den Freitagen, welche der Betrachtung des bittersten Leidens und Sterbens Jesu Christi gewidmet sind, glich sein Eifer einer Brunst, welche mit Gewalt aufbricht, um sich greift und die ganze Gegend ansteckt. Stadt und Land hat Bonaventura an diesen Tagen zusammengerufen. Er predigte seinen Zuhörern das Leiden des Erlösers. Er stellte ihnen dasselbe so lebhaft und rührend dar, dass Tränen ausbrachen. Man hätte sagen können, es wäre ein anderer Johannes der Täufer auf der Insel Ischia erschienen. Sünder, die Bonaventura nur einmal gehört haben, bekehrten sich. Sie gingen mit dem offensichlichsten Beispiel der Buße von ihm und ersetzten jetzt durch die Abtötung dem göttlichen Schöpfer die Ehre, welche sie durch Missbrauch ihrer Glieder ihm entwendet hatten. Prudenza Crucio, eine bekannte Sünderin auf der Insel, hat sich bei dem Seligen einmal ihrer Sünden angeklagt, und sein Zuspruch hat ihr Herz so durchdrungen, dass sie von all ihren schändlichen Gewohnheiten abließ. Ciana di Sasso war der Prudenza in Lastern gleich. Sie ist ihr aber nicht nur durch die Bemühung des Seligen in der Buße gleich geworden, sondern sie eilte aus der Welt, um in einem Kloster ihr Leben lang die Sünden zu beweinen, welche sie in der Welt begangen hatte. Einen erbosten Soldaten, der seine Sünden, mit welchen er dem Herrn der Heerscharen trotzte, für Großmut ansah, hat er so das Herz umgekehrt, dass er diesen selbst als ein Muster eines gereinigten Gewissen vorstellte. Der kostbarste Fang dieses Seelenfischers ist die berühmte und große Dienerin Gottes, Ma. Angela de la Croce gewesen. Zu seinen Füßen ist sie ein Opfer der Reue und Bußfertigkeit geworden, und dasselbe bis an ihr Ende geblieben. Immer sind ihre Augen in Tränen geschwommen. Sie hörte nie auf, sich in der Buß zu üben und starb voller Verdienste. Ein Bösewicht, der in seiner Verstockung soweit gekommen war, dass er rühmte, drei Jahre nicht gebeichtet zu haben, und dass er auch keinen Gedanken habe, sich in drei Jahren dem Beichtstuhl zu nahen, ist der apostolischen Nachstellung Bonaventuras nicht entgangen. Kaum hatte der Selige von dem Verstockten gehört, so eilte er aus seiner Zelle. Er suchte denselben in der Kirche auf. Er irrte ihm durch alle Gassen nach, mit der Begierde, mit welcher ein guter Hirt sein irrendes Schäflein aufsucht. Er findet ihn endlich. Er umarmt ihn wie der Vater seinen verlorenen Sohn. Er dringt mit Wort und Tränen in sein Herz und gibt nicht nach, bis er dem Herrn eine Seele, einer Seele das Heil gewinnt. Mit einem gleichen Eifer lief er den Sündern, die sich nicht ergeben wollten, auf den Feldern nach. Er suchte sie auf den Straßen auf. Er drang sogar in die Finsternisse der Kerker, wie ein heller Mond, um ein Tränentau der Buße dahin zu bringen. In dem Schloss auf Ischia saß ein so Verwegener im Kerker, der den ganzen Glanz seines Geschlechts durch die Ungeheuer seiner Laster verdunkelt hatte. Er so weit, dass zum Maß seiner Sünden seine Verzweiflung hinzukam. Bonaventura, so mächtig er in der Bekehrung der Seelen ist, richtet nichts mit diesem Unglücklichen aus. Er sät acht Tage lang auf einem felsigen Boden, wird aber nicht müde. Er fährt fort, er weint vor dem Unbußfertigen. Er seufzt vor ihm, er fällt auf die Erde vor ihm nieder, er weicht ihm nicht von der Seite. Die Bewohner von Ischia wussten nicht, wo ihr Bonaventura hingekommen ist. Sie suchten ihn überall und fanden ihn endlich im Kerker. Sie fragten ihn, wie er doch so lange an diesem Ort verweilen konnte. Er gibt ihnen zur Antwort, dass er sich im Kerker begraben lassen würde, um im Kerker eine Seele zu gewinnen, welche Gottes Ebenbild ist. Gott segnete auch seine Arbeit. Sein Schweiß, seine Tränen waren nicht unfruchtbar; denn jener Verstockte gab dem Eifer seines Bußpredigers nach und brachte die herrlichsten Früchte der Buße. Kurz die ganze Insel bekam ein anderes Aussehen, gleich einem Feld, von welchem eine unermüdliche Hand Disteln und Dörner ausrottet, welches jetzt eine goldene Ernte trägt.

Auch für die Notdurft des Leibes sorgte der für seinen Nächsten lebende Bonaventura. Es war kein Armer, der nicht zu ihm seine Zuflucht nahm. Einem reichte er Brot, dem anderen Kleidung. Keiner ging ohne Erleichterung seines Elends von ihm. Er war ein Gastgeber aller, ein Vater aller, ein Lehrer aller, das Herz aller. Er war allen alles. Es kam ein bekehrter Jude mit Frau und Kind auf die Insel Ischia. Bonaventura verschaffte ihnen ein Obdach. Er sorgte für ihren Unterhalt. Als der arme Israelit erkrankte, ließ der Selige die Ärzte rufen. Er besorgte ihm die Arzneien. Er stand ihm in allem bei. Er pflegte ihn, wie eine Mutter ihr Kind pflegt. Er verharrte bis zum Ende bei ihm. Er segnete ihm die Seele aus. Er betete für den Verstorbenen, schickte ihm in die Ewigkeit die Werke seiner Liebe nach und besorgte die Leiche. Kurz hernach erkrankte die Frau. Bonaventura erweist ihr die gleichen Liebesdienste. Die Tochter war noch übrig. Sie litt heftige Schmerzen an einem verwundeten Knie. Bonaventura lässt sie heilen und bringt sie in einem Kloster in Neapel unter. Welche schöne Krone seiner Liebeswerke! Ischia konnte den Eifer Bonaventuras nicht genug bewundern. Daher kam es, dass sich einige seiner Bürger mit einem Gelübde verbanden, nichts abzuschlagen, alles mit Freuden zu geben, was ihnen immer im Namen des Seligen abgefordert würde. Unter diesen hat sich die Schwester M. Angela befunden. Ungeachtet ihrer eigenen Freigebigkeit, ihrer glänzenden Geburt und anderer Vorrechte ging sie selbst Almosen sammeln und hinterlegte das Empfangene bei dem Diener Gottes, der ein Hafen aller Notleidenden war. Ein Herr von Rang sah diese Wunder der Liebe. Er gab für die Armen ein Fass Öl. Maria Angela zapfte täglich aus diesem Fass. Sie füllte manchen Krug mit Öl, und doch nahm das Fass nicht ab, wie das Öl der Witwe nicht abgenommen hat, da Elias den Segen Gottes mit sich in ihr Haus nach Sarephta gebracht hat.

 

VII. Kapitel

Seine besondere Liebe gegen die Kranken und
seine Abreise von der Insel Ischia.

 

Wenn es unter allen göttlichen Werken das göttlichste ist, bei der Bekehrung der Seelen mit Gott mitzuwirken, welche Verdienste muss sich Bonaventura in den Krankenzimmern gesammelt haben? Allzeit war er der Erste bei diesen Armseligen. Von morgens an bis in die späte Nacht ist stand er ihnen mit möglichstem Fleiß bei. Niemals ist er in seinem Eifer erlahmt. Er sah nicht auf die Personen. Sein uneigennütziges Auge wurde vor allem auf jene gezogen, die armseliger waren als andere. Diese hatten das erste Recht auf sein Herz. Er scheute sich so wenig vor ihren eiternden Geschwüren, dass er sich auf die Kranken hinlegte, diese anlächelte, nicht anders, als wollte er ihnen die Heiterkeit seiner Seele eingießen. Die Würmer, welche in ihren Wunden herumwühlten, hatten nichts Abscheuliches für ihn, weil sie ihn an die Würmer des Grabes erinnerten und er sich selbst als einen Wurm ansah. Einigen Geistlichen, die ihn ein Pflaster von einer stinkenden Wunde abnehmen sahen und vor Abscheu das Angesicht abwandten, sagte er: Wo ist denn eure Liebe? Ihr müsst wissen, dass ihr nicht euer seid. Ihr gehört den Schafen: Verrichtet die Dienste der Hirten.

Bei allen seinen apostolischen Arbeiten, durch welche er seinen Nächsten geheiligt hat, unterließ er nicht das Mindeste, was zu seiner eigenen Heiligung diente. Er war der erste im Chor und erschien dort wie ein Engel, der das Lob Gottes absingen will. Er legte die Hände kreuzweise zusammen. Sein Leib hatte die anständigste Stellung. Er stand so da, wie ein Mensch da stehen soll, wenn er sich mit dem König der Könige in ein Gespräch einlassen will. Sein Herz war ganz mit himmlischen Gedanken erfüllt. Darum schien er im Chor immer wie entzückt. Dem Brevier setzt er die Tagzeiten der Himmelkönigin, Litaneien, den Rosenkranz und andere Gebete hinzu. Das heilige Sakrament der Beichte sah er als jenen gnadenreichen Schwemmteich an, bei welchem der lossprechende Priester die Stelle des Engels vertritt. Er hat sich öfters zu diesem heilsamen Bade der Gnade begeben. Als er einst seinem Beichtvater beschwerlich fiel, sagte dieser zu einem anderen, mit dem er sich in ein Gespräch eingelassen hatte: Was soll ich doch mit diesem Menschen machen? Ich finde ja nicht einmal eine lässliche Sünde an ihm… Zeitweise wurde er von Skrupeln gequält. Aber weil er sowohl demütig als auch gehorsam gegen seinen Seelenführer war, so hat er sich niemals in diesen verloren. Er genoss vielmehr die süßeste Gewissensruhe. Lasst uns Gott lieben, sagte er, lieben wir Ihn als einen Vater, fürchten wir Ihn als einen Herrn. Lasst uns Kinder, keine Knechte sein… Die Altäre waren sein Trost, sein Himmel. Wenn er die Heilige Messe las, so schien er sozusagen ein Priester und eine Hostie mit Jesus Christus zu sein. Es ist leicht zu erkennen, mit welcher Erbauung die Anwesenden seinem göttlichen Opfer beigewohnt haben. Nach der Heiligen Messe verbarg er sich hinter dem Altar, brach in Liebesseufzer aus und verkostete die Süßigkeit, mit welcher ihn die Gegenwart seines Bräutigams überströmte. Waren Büßer da, so eilte er in den Beichtstuhl. Er sprach zu, er weinte, wie Ambrosius den Büßenden vorgeweint hat, um die Herzen zu erweichen. Er nahm den Gefesselten die Bande der Sünden ab und schickte sie mit dem Trost eines vollkommen gereinigten Gewissens von sich. Nachdem er als Beichtvater den Letzten abgefertigt hatte, so eilte er in seine Zelle und machte dort den Büßer.

Durch einen solchen Eifer ist Bonaventura täglich höher in der Vollkommenheit gestiegen. Er nahm am Leib ab, wie er am Geist täglich zunahm. Die Luft der Insel war ohnehin nichts für ihn. Seine Mitbrüder fürchteten, ihn zu verlieren und gaben ihm den wohlmeinenden Rat, sich in eine andere Luft zu begeben. Aber er konnte nicht beredet werden, seinen Oberen selbst darum zu bitten. Der Herr weiß alles, sagte er, Gott sieht alles. Will mich der liebe Gott anderswo haben, so wird Er schon die Oberen leiten. Befehlen diese mir meine Abreise, so werde ich im Namen Gottes gehen. So geschah es auch. Er wurde nach Neapel in den Konvent zur Erscheinung Mariä berufen, wo ihn die Väter begehrt hatten. Die Bewohner der Insel konnten sich über den Verlust dieses Schatzes nicht trösten. Sie glaubten, alles mit Bonaventura zu verlieren. Der Jammer war allgemein, wie bei den Ephesern, als diese von Paulus Abschied nahmen und ihn ans Meer begleiteten. Sie weinten wie Kinder, die ihren geliebten Vater verlieren.

Bei seinen Mitbrüdern aber hat er seine Abreise durch eine Prophezeiung denkwürdig gemacht. Sie standen nach der Messe um ein Feuer, unterhielten sich in einem geistlichen Gespräch. Bonaventura aber brach dieses auf einmal ab, wandte sich dem Vater Thomas de Cereto zu und sagte ihm diese Worte: Liebes Brüderchen, bringt die Sache eurer Seele in Ordnung. In Punkt zwei Jahren von jetzt an werdet ihr sterben. Der Mann, welcher ein guter Geistlicher war, ist über diese Ankündigung des Todes so wenig erschrocken, dass er vielmehr mit ruhigem Gemüt und ergebenem Herzen zu diesem Propheten sagte: Was Gott will, das geschehe. Möchtet nur ihr meine Seele in die Ewigkeit schicken… Und so ist es auch geschehen. So jung Thomas war, starb er nach zwei Jahren.

 

VIII. Kapitel

Sein Aufenthalt in beiden Konventen zu Neapel und
seine Abreise nach Nocera di Pagani

 

Der erste Schritt in den Konvent zu Neapel führte den Seligen zu seinem Oberen. Wie dieser in der Prozessakte aussagt, war Bonaventura ein vollkommener Diener Gottes. Er brannte vor Begierde, wie er bezeugt, sich zur Ehre des Allerhöchsten und zum Heil seines Mitmenschen aufzuzehren. Dieses Ziel zu erreichen war ihm kein Unternehmen zu beschwerlich, keine Beschwerlichkeit zu groß. Seine Worte waren lauter Salbung, lauter Feuer. Es entzündete die Herzen, sobald er den Mund öffnete, und erweckte den Glauben bei allen. Der Vater Johannes Brochetti, welcher Bonaventuras Beichtvater war, bekennt, dass er kaum einen Makel an dem Seligen gefunden habe, an welchen er eine lässliche Sünde hätte erkennen können. Der Vater Grillo konnte sich nicht genug über die Verdemütigung eines Menschen wundern, der doch mehr ein Engel als ein Mensch war.

Die Bewohner Ischias, seine alten bekannten Vertrauten und Beichtkinder besuchten ihn gar fleißig in Neapel. Sie suchten das Original zu der Kopie auf, welche sie in ihrem Herzen herumtrugen. Einige klagten dem Seligen ihre Not und verlangten Trost, einige fragten um Rat. Einige reinigten ihr Gewissen wieder bei ihm.

Unter anderem kam ein gewisser Andreas Chiaramonte mit seiner Frau. Sie hatten ihr liebes Kind mitgebracht und befahlen das kranke Kind mit den ausgesuchtesten Worten liebender Eltern dem Seligen an. Dieser lächelte, nahm das Kind auf seinen Arm, liebkoste dasselbe und sagte: Ein liebes, liebes Kind! Bald wird es in den Himmel abfliegen. Man erwartet es dort. Nach einigen Tagen starb das Kind.

Der Obere des Konvents kam mit schwerem Herzen zu dem Seligen und klagte ihm den Diebstahl, welcher die Sakristei geleert hatte. Bonaventura sprach ihm Mut zu. Er soll nur auf Gott hoffen, und die Sache werde vielleicht morgen schon an den Tag kommen. Sie kam an den Tag, da am folgenden Tag ein großer Teil des geraubten Silbers zurückgegeben wurde.

Am 7. Juni 1701 ist Bonaventura von dem Konvent von der Erscheinung Mariä, in den Konvent zum Heiligen Antonius außerhalb der Stadt gekommen. Er ließ dort in seiner Strenge nicht nach. Er beobachtete das strengste Schweigen und vergrub sich lebendig in seiner Zelle, die ihm ein Himmel war. Die Geschwulst an seinem Knie nahm täglich zu. Der Krebs setzte an diesem an und sein Körper wurde ein lebendiges Marterhaus. Er hätte nicht länger gelebt, wenn ihm der Herr des Lebens nicht durch eine besondere Stärke erhalten hätte. Das Opfer war schon zubereitet, aber es durfte noch nicht geschlachtet werden.

Ein besonderes Liebeswerk! Ein armer Priester aus Polen kam in den Konvent. Wind, Regen, Wetter und die Länge der Reise hatten seine Kleider ganz zersetzt. Bonaventura erblickt kaum den armen Polen, so winkt er ihm. Er führt diesen in seine Zelle. Er drängt ihm seinen alten, zersetzten Rock ab, gibt ihm den seinigen, zieht jenen an, mit dem er kaum seine Blöße bedecken kann, und sagt: Hier muss die Schamhaftigkeit der Liebe weichen.

Alle Ordensstände wissen, wie viel ihnen an der Zucht der Novizen gelegen ist, und sie wissen auch, dass nicht eine jede Hand geschickt zu diesen Pflanzen ist. Es wird ein Mann erfordert, der Furcht und Liebe zu paaren weiß, der nicht nur mächtig in Worten ist, sondern der auch selbst mit dem Beispiel vorangeht. Die Oberen, welche einen Novizenmeister suchten, verfielen gleich auf Bonaventura. Sie setzten ihr ganzes Vertrauen auf diesen Mann. Aber wird er auch dieses Amt annehmen? Auf welche Art wird man ihm diesen Gehorsam vortragen können? Nur dieses kostete Überlegung, aber keine lange, weil man gleich auf den Gehorsam selbst, seine Haupttugend, verfiel. Der Pater Provinzial begab sich mit dem Pater Simone, einem angesehenen Mann, nach Neapel. Sie ließen Bonaventura zu sich kommen. Sie gaben ihm Nachricht von dem gefassten Entschluss. Er aber unterließ nichts, was er mit Bescheidenheit, ohne Verletzung seines Gewissens, zur Abwendung desselben sagen konnte. Die Oberen erwiderten ganz kurz, er solle gehorchen. Diese Worte trafen ihn wie einen Donner. Aber sofort erinnerte er sich nach einer kleinen Betäubung, dass dieser Donner vom Himmel komme. Kaum hat er das Wort gehorsam gehört, so ist er schon reisefertig. Er will aufbrechen. Seine Oberen aber halten ihn noch drei Tage auf; dann geht er nach Nocera di Pagani.

 

IX. Kapitel

Seine Art, Novizen zu erziehen.

 

Im Oktober 1703 kam Bonaventura in Nocera in seinem Weingarten an, damit er diesen pflanzt und baut. Jedermann hatte die größte Hoffnung auf ihn gesetzt. Alle sagten: Die Zöglinge werden heilig bei diesem Heiligen sein. Bonaventura fing dort sein Amt als Novizenmeister an, wo Jesus Sein Lehramt selbst angefangen hat. Er ging mit seinem Beispiel voran. Er wirkte zuerst, dann gab er Lehren. Er spürte alle Neigungen seiner Novizen aus. Er lernte ihre Leidenschaften kennen und spähte alles genau aus, was sie aus der Welt mit sich in das Kloster gebracht hatten. Er stellte ihnen dann die Notwendigkeit vor, die Leidenschaften nicht nur zu bekämpfen, sondern sie auszurotten, und ein neues Leben zu führen. Er gab ihnen die Mittel an die Hand und machte sich das Vertrauen, welches er gleich am Anfang gewonnen hatte, ganz zu Nutzen. Die Novizen offenbarten ihm ihre Wunden mit aller Aufrichtigkeit. Er wandte alles an, diese zu heilen. In kurzer Zeit waren sie keine Weltmenschen mehr. Nun sollen sie Geistliche werden.

Er hielt sie zu den Tugenden an. Er führte sie täglich auf dem Tugendweg weiter, weil auf diesem stehen zu bleiben eben soviel als zurückzugehen heißt, und weil ein Ordensmann, der nicht weiter geht, entweder lau oder hoffärtig ist. Seine Novizen also, diese jungen Adler, mussten sich immer höher zur Sonne der Vollkommenheit schwingen, der alte Adler aber flog voran.

Der Gehorsam, jene Tugend, welcher der Lohn eines langen Lebens versprochen ist, welche das Band ganzer Gemeinden ausmacht, diese Tugend, durch welche sich Bonaventura besonders ausgezeichnet hat, wünschte er seinen jungen Ordensbrüdern tief ins Herz zu prägen. Er lehrte sie daher, in den Oberen Gott zu erkennen, nicht auf ihre Person zu sehen, viel weniger auf ihre Fehler zu achten, von welchen sie als Menschen nicht frei sein können, da auch die Sonne ihre Makel hat, sondern ihnen blind zu folgen, wie wenn Gott geredet hätte. Als einst der Obere des Konvents Paschalis Roßi in das Noviziat kam, sagte er zu seinen Novizen: Habt diesen Mann vor Augen. Geht, küsst ihm die Hände. Nicht nur, weil er der Obere des Konvents ist, sondern weil er bald der Obere der Provinz sein wird, welches noch im diesen Jahr gegen alle Vermutung geschehen ist.

Die Novizen sahen, wie ehrerbietig ihr Lehrer seinem Oberen begegnete. Sie hörten, wie ehrerbietig er von ihnen redete. Es war so nicht anders möglich, als dass sie sein Beispiel mitriss, dass sich die Haupttugend des Lehrers auch in den Jüngern ausdrückte.

Musste er etwas verbessern, so hat er auf die Quelle geachtet, aus welcher der Fehler entstanden war. Wenn er strafen musste, so strafte er diesen so, jenen anders. Er ordnete die Arzneien nach Beschaffenheit der Kranken. Doch hat er stets mehr auf die Verbesserung des Fehlers als auf die Bestrafung geachtet. Seine Novizen aber nahmen diese mit Freuden an, weil sie sicher waren, dass sie nicht von einer bösen Laune, sondern von einer väterlichen Liebe herkam. Er liebte sie zärtlich wie Kinder, und sie liebten ihn wie einen Vater. Sie fürchteten ihn aber auch als einen Mann, der die Sünde auf das Äußerste hasste, in welche sie ihre Schwachheit jeden ‚Augenblick stürzen konnte. Er war ihnen daher im Geist allzeit gegenwärtig. Sie verhielten sich in seiner Abwesenheit nicht anders, als sie sich in seiner Gegenwart aufführten. Allzeit bei ihnen zu sein, wollte seine Liebe nicht dulden, welche ihn allen Menschen zugehörig machte. Er predigte die Buße, er nahm die Sünder auf. Er stand den Sterbenden bei, fing ihre letzten Seufzer auf, stärkte sie in dem gefährlichen Streit, wo der Versucher wegen der Kürze der Zeit alle Kunstgriffe anwendet. Er betrachtete selbst, übte sich in der Buße und ergab sich gänzlich der Liebe, welche ihn leitete.

In seinen Zöglingen sah er die zukünftigen Priester und Väter der Menschen. Er gab sich daher viel Mühe, ihnen Mitleid gegen alle einzuflößen, in ihnen die Begierde einer Dienstwilligkeit zu allen anzufachen. Niemals aber hat man ihn bei all seinen Armseligkeiten klagen gehört. Niemals hat er Mitleid für sich selbst gesucht. Ja er hat nicht einmal zugelassen, dass ihn seine Novizen bedienten und sein Amt wenigstens etwas erleichterten. Er ließ sich vielmehr selbst zu ihnen herab. Er war gleichsam einer von ihnen. Er war sozusagen ihr Mitnovize und behielt nichts für sich als die Beschwernisse seines Amtes.

Unter den Aposteln befand sich ein Judas, und wo wird die Herde sein, welche nicht ein räudiges Schaf unter sich hat? Unter den Novizen befand sich ein Mensch von dem ungestümsten Charakter, so unehrerbietig gegen seinen Lehrer, dass er ihm, ich weiß nicht aus welcher geträumten Ursache, einen Krug Öl auf den Rücken goss. Bonaventura war Herr genug über sich selbst, um sich nicht beleidigt zu sein. Er wollte diesen jungen Menschen um eines Fehlers willen nicht auf immer verderben, sondern sagte zu seiner Besserung dieses kurze Wort: O Sohn, was hast du getan? Das übrige sagten seine väterlichen, mitleidigen Blicke, welche samt diesen Worten Mark und Bein des Jünglings durchdrangen und sein Herz folterten. Er kann der Sanftmut seines Lehrers nicht widerstehen. Er fällt vor ihm nieder, er leistet ihm Abbitte. Er trägt jetzt die größte Hochschätzung gegen seinen Novizenmeister, hält Ohren und Herz für seine heilsamen Ermahnungen bereit, folgt seinem Willen, kommt seinen Winken zuvor und lernt durch diesen Gehorsam gegen seinen Novizenmeister die Unterwerfung für sein ganzes Leben.

Ein gewisser Frater, Archangelus Rossi, der das Kleid, aber nicht die Demut des demütigen Franziskus angezogen hatte, begegnete seinem Onkel, der Oberer zu Nocera war, mit geringer Hochachtung, dem er sie doch doppelt schuldig war. Er widersprach ihm bissig und wollte sich auch nicht bessern lassen. Die Väter wurden einig, diesen Starrkopf in das Noviziat zurückzuführen, dort seinen Nacken zu beugen. Bonaventura nimmt den Unartigen mit brüderlicher Liebe auf. Er nimmt den schmeichelnden Ton der Freundschaft an, um sein Gemüt zu gewinnen, aber alles umsonst. Der Aufgebrachte fährt in dem Ton der Beleidigung fort. Bonaventura lässt ihn in seine Zelle kommen. Da fällt er vor dem Aufgebrachten nieder, hebt die Hände gefaltet auf und leistet ihm Abbitte, als wenn er selber der Beleidiger wäre, als wenn er selber ihm Gelegenheit gegeben hätte, jene Schmähungen auszustoßen. Der Frater wird bei diesem Augenblick gerührt. Der Nebel verschwindet vor seinen Augen, er geht in sich, bessert sich und tilgt das gegebene Ärgernis durch eine erbauliche Unterwürfigkeit und geschwinden Gehorsam. So hat die Demut des Seligen die Gemüter besiegt, welche die Sanftmut nicht hat überwinden können. Von dieser seiner Demut sagte ein Novize, ihr Lehrer setze sich unter alle hinab. Er wolle immer der Letzte, der Geringste sein und ziehe sogar die Novizen seiner eigenen Person vor.

Einer von den Novizen, welcher die Höhe seiner Tugenden nicht genug bewundern konnte, der den Umgang seines Meisters suchte, wo er nur konnte, traf ihn einst wie von einem himmlischen Licht umgeben an. Er sah sein Angesicht wie das Angesicht eines Engels glänzen und sagte zu ihm: Mein Vater, welcher Glanz umgibt euch doch, der Glanz eines himmlischen Lichtes. Eure Gegenwart ist mein einziger Trost. Ich muss euch nur reden hören, so wird mein Herz aufgemuntert. Es verschwinden alle Ängste. Bonaventura hört seinen Schüler. Er wird darüber verwirret, erblasst, sagt kein Wort und kehrt betrübt in seine Zelle zurück. Ein Anderer von seinen Novizen bekannte, dass er seinen Vorgesetzten öfters in der Entzückung gesehen habe, so erhaben, dass er kaum mit einem Punkt die Erde berührte, so glänzend, dass jener Glanz mit keinen irdischen Strahlen zu vergleichen sei. Welche Gewalt mussten die Worte eines solchen Novizenmeisters über die Herzen seiner Untergebenen haben? Wie ziehend müssen die Beispiele eines solchen Mannes für junge Leute gewesen sein?

 

X. Kapitel

Fortsetzung des vorigen.

 

Mein Sohn, habe Acht auf die Zeit, spricht der Sohn Syrachs… der sehrgeringe Teil der flüchtigen Zeit ist ein Preis, für welchen man die Ewigkeit einhandelt, sind die Worte des hl. Hieronymus. Bonaventura ist in Hinblick auf die Zeit der genaueste Haushalter gewesen. Vier Stunden gab er richtig dem Geist, die übrige Zeit brachte er mit der Unterweisung seiner Lehrlinge und im Dienst der Gemeinde zu. Alle Tage erklärte er den Novizen eine Stunde hindurch ihre Ordenssatzungen und die Kirchengebräuche. Immer waren seine Gespräche so gewürzt, dass sie die innerste Empfindung zur Tugend erweckten. Redete er von dem verborgenen Leben, so redete er als ein Meister, den man nicht genug bewundern konnte. Er redete so, dass er die Gemüter mit sich fortriss oder sie mit Reue zurückließ, weil sie ihm nicht nachfolgen konnten. Wenn ihn jene hörten, die einen widersprechenden Geist hatten, so gaben sie ihm nach, traten seinen Grundsätzen bei, Grundsätzen, die er aus der reinsten Quelle der Heiligen Schrift und aus den Heiligen Vätern geschöpft hat, die weit von jenen Grundsätzen entfernt sind, welche die Gefallsucht erfunden und ausgebreitet hat. Die kalt zu ihm gekommen sind, gingen mit feurigen Herzen von ihm weg, und die Lauen, welche der Mund Gottes schon ausspeien wollte, wurden von ihm wieder angezündet. Seine Novizen wurden mit guten Lehren wie ein Schwamm mit Balsam angefüllt. Gleich wie dieser, seinen kostbaren Saft fließen lässt, sobald er gedrückt wird, so gaben diese zu jeder Gelegenheit eine Probe der Tugend von sich.

Es verging kein Tag, wo nicht Bonaventura seinen jungen Ordensbrüdern etwas aus dem Leben der Heiligen vorlas. Er zeigte ihnen das Nachzuahmende in diesen Geschichten auf und führte sie gleichsam mit einer unwidersetzlichen Beredsamkeit in die Fußstapfen der Heiligen. Er selbst konnte bei seinem Zuspruch die himmlischen Empfindungen und den Antrieb zu ihrer Nachfolge nicht bergen. So gewöhnte er seine jungen Ordensbrüder, nützlich zu lesen, nach dem Lesen eine Anwendung auf sich selbst zu machen und dasjenige in ihr Leben einzuführen, was an den Heiligen unsere Nachahmung verdient.

Eine Stunde hat er verwendet, um seine Novizen das Betrachten zu lehren. Heilsame Beschäftigung! Er lehrte sie eine Zeit lang, den Verstand in Erkenntnis der Wahrheit zu üben und hernach den Willen zur Ausübung des Guten zu entflammen. Er betrachtete selbst mit ihnen. Er legte ihnen ein bestimmtes Material vor, führte diese mit ihnen aus, kaute ihnen gleichsam die Speise und ließ nicht nach, bis sie in dieser Kunst vollkommen unterwiesen waren. Er dachte wohl, dass dieses das einzige Mittel ist, den Ordensmann zu einem Geistlichen zu machen, und ihn nicht nur gegen alle Anfälle der Sünde zu schützen, sondern sie auch zur Tugend zu entflammen. Einst kam er auf den Gedanken, von der Ungewissheit des Todes zu reden. Er redete eindringlich davon. Seine Novizen waren gerührt, und gewiss muss es ein zu Herzen gehender Anblick gewesen sein, wie sich einer nach dem anderen von ihnen bei ihrem Lehrer nach seiner Sterbestunde erkundigte. Frater Bonaventura Casela war der Erste, und Bonaventura antwortete ihm kurz: Du wirst sterben, bevor du zu den Heiligen Weihen gelangst… Und ich, Pater Novizenmeister?, fragte Frater Eugen de Pescopagno. In der Blüte deiner Jugend wirst du sterben, hat ihm der Selige anvertraut… Während die Ersteren sich mit den fürchterlichen Gedanken des Todes beschäftigten, fragte der Dritte, Joseph von Sapponara: Was wird mit mir werden? Priester wirst du zwar werden, war die Antwort für ihn, aber du wirst gleich hernach in die Ewigkeit gehen… Jetzt traute sich keiner mehr, noch zu fragen. Es drängten sich zwei auf einmal zu ihm hin, Joseph von Picinello und Bonaventura von Karosalo, und fragten zugleich mit etwas schweren Herzen nach ihrem Ende. Dem Ersten sagte er: Du wirst nicht nur jung sterben, sondern an einer schmerzhaften Wassersucht wirst du sterben. Dem Anderen aber gab er die Information, es seien für ihn nur noch wenige Jahre übrig, dann werde auch ihn das Grab verschlingen. Jetzt waren Thomas Albanese und Paulus Maßastro noch übrig. Aber sie wollen an dem Propheten ihr Glück nicht versuchen. Alles traf ein. Die guten Novizen starben, wie er ihnen vorgesagt hat.

Von dem Leiden Jesu Christi hat er so zärtlich, so rührend, mit so angemessenen Ausdrücken gesprochen, dass sich seine Novizen der Tränen nicht halten konnten. Sie sahen ihren Lehrer zuerst in diesen zerfließen. Er glühte bei seiner Erzählung vom Liebesfeuer. Seine Augen gaben einen Schimmer von sich. Er wurde von der Erde erhoben und schmachtete in einer heiligen Liebesohnmacht.

Hatten seine Novizen einen Kommuniontag, so tat er alles, um diese durch die demütige Erkenntnis ihrer selbst, durch die genaueste Prüfung ihres Herzens, durch die inbrünstigste Begierde, durch den lebhaftesten Glauben, durch Hoffnung und Liebe auf diesen Engeltisch vorzubereiten.

Zu Maria, der seligsten Gottesgebärerin, hat er ihnen das zärtlichste Vertrauen, die reinste Andacht eingepflanzt. Die letzte Stunde hat Bonaventura mit seinen Novizen in einer geistlichen Übung zugebracht, welche er die Kunst, gut zu leben und gut zu sterben genannt hat. Er streckte sich gleich einem Toten auf die Erde hin, schloss die Augen, und mehr, als die Augen zu schließen, war nicht nötig bei ihm, um eine Leiche darzustellen. Die Novizen mussten um ihn herumstehen und die Tagzeit für die Toten hersagen. Nach dieser heilsamen Handlung entließ er sie mit dem Gedanken, ob sie morgen noch leben würden, in die Ruhe. Einen von den Novizen nahm er mit sich in die Zelle und brachte einen ziemlichen Teil der Nacht in himmlischen Gesprächen zu.

Der sagt die Wahrheit, der das Noviziatshaus des Bonaventura eine Eremitage, ein Paradies der Engel nennt. Freilich sagt man, dass die Jugend Ergötzlichkeiten zur Erholung haben müsse und dass der Geist einem Erdboden ähnlich sei, welcher Ruhe nötig hat, um desto bessere Früchte zu tragen. Aber da wurde nichts von zerstreuenden Ergötzungen gesprochen. Die Jugend selbst suchte keine Freude, weil sie ihren Lehrer immer im Geist vertieft sah. Sie dachte unter seiner Führung nur an das Ewige. Geschah es, dass Bonaventura seine Novizen außerhalb des Klosters führte, und dies geschah sehr selten, so stellte er ihnen zuvor ihren heiligen Vater vor, welcher bei stillschweigendem Mund durch seine Eingezogenheit auf den Straßen gepredigt hat. Er lehrt sie, alle Handlungen Gott aufzuopfern, die gleichgültigen, auch geringsten Werke durch die gute Meinung verdienstlich zu machen. Ihre Gespräche mussten von Gott sein und, wenn sie einen einsamen Weg antrafen, so schafften sie die Steine und, was den Reisenden zum Hindernis war, auf die Seite, um sich allzeit im Guten zu üben.

Ich muss es gestehen, alles dieses war hart, sehr hart, besonders für junge Menschen, die aus der Welt kamen. Aber sie hatten einen Bonaventura zum Novizenmeister, einen Mann, der nichts als die Ehre Gottes und das Heil ihrer Seelen suchte, der sie mit einem himmlischen Feuer entflammte, der ihnen nichts befahl, was er nicht selbst getan hat, der mit seinem Beispiel allzeit voran ging und gleichsam das Licht war, welches ihnen auf dem Weg der Vollkommenheit vorausgeleuchtet hat. Sie dachten nur, seine Nachfolger zu sein, wie er ein Nachfolger Christi war. Er befahl ihnen, sie sollen sich abtöten, und sie wussten, wie er mit sich selbst umgeht. Will er, dass sie sich geißeln, so sehen sie das Blut an den Wänden seiner Zelle. Fällt ihnen das viele Knien schwer, so kniet ihr Lehrer selbst bei ihnen, dessen Knie mit einer fürchterlichen Geschwulst überzogen ist. Sie wussten, dass sein Leib gleichsam mit Wunden übersät war, und doch mergelt er noch mehr mit Fasten aus. Er eilte zu den Kranken hin. Er ging dem Kirchenwärter an die Hand. Die Unterrichtung der Armen, der Beichtstuhl, alle Liebesdienste waren ihm angelegen. Und auch dieses wussten sie, dass ihr Lehrer nach allem diesen keine andere Ruhe genießt, als dass er die Nacht durchwacht. Neben diesem erkannte Bonaventura ihre Neigungen. Er sah ihnen in das Herz. Er sagte ihnen vor, was sich in der Zukunft mit ihnen zutragen würde, so dass es kein Wunder war, wenn sie ihren Lehrmeister zärtlich liebten und nicht nur mit möglichster Sorgfalt seine Befehle vollzogen, sondern auch nach seinen Ratschlägen lebten, dass sie nicht nur in seiner Gegenwart fromme Kinder waren, sondern auch in seiner Abwesenheit sich in der Tugend übten. Glückselige Lehrer, welche dieses von ihren Lehrjüngern erhalten!

Der Kardinal Vallemani, Protector des Ordens, hatte dem Fr. Franz Maria Tolbe einige Reliquien in einem Kästchen geschickt. Dieser misstrauische Novize war nicht zufrieden, den heiligen Schatz, jene kostbaren Überbleibsel der Heiligen Gottes in Händen zu haben. Damit sie seinem Novizenmeister nicht zu Gesicht kamen, versteckte er dieselben. Bonaventura sagte ihm einst, er möge die Reliquien in das Kästchen zurücklegen, aus welchem er diese genommen und verborgen hätte. Ich?, sagte Fr. Franz. Da brauchst du nicht leugnen, fuhr Bonaventura fort, bring die Reliquien in ihren Ort, wohin sie gehören.

Ein anderes Mal ging er mit seinen lieben Novizen im Garten Da erblickte Bonaventura einen jungen gesunden Mann, der kaum die Ordensgelübde abgelegt hatte. Gerührt vom Mitleid wegen der Jugend dieses Geistlichen sagte er mit wehmütiger Stimme: Ach, er wird bald sterben und nicht einmal zum Priestertum gelangen. Die Weissagung ist eingetroffen.

Pater Simeone überbrachte dem Bonaventura einen Gruß von Pater Gagliani. Ich weiß nicht, antwortete Bonaventura, warum mich dieser Mann doch immer grüßen lässt. Wir kennen einander von Ischia her und dort sagte ich ihm einst, er werde Bischof werden. Der gute Mann wird mich durch seinen Gruß an meine Aussage erinnern wollen. Schreibt ihm nur, es werde geschehen, was ich gesagt habe. Das sagte er im Jahr 1707, da er noch in Nocera war, und im Jahr 1713, zwei Jahre nach dem seligen Hinscheiden Bonaventuras ist Gagliani Bischof von Umbrien geworden.

 

XI. Kapitel

Er kommt nach Neapel,
dient in einer ansteckenden Krankheit und
mildert aus Gehorsam die Strenge gegen sich selbst.

 

In der Stadt del Vomere, welche außerhalb Neapel auf einem Berg liegt, brach eine ansteckende Krankheit aus, und was das Beklagenswerteste dabei war, dass die Furcht vor dem Tod auch die Priester zerstreute. Niemand hatte das Herz, ein Beichtkind anzuhören oder den Sterbenden das Brot des Lebens zu reichen. Die Seelen befanden sich in keiner geringeren Gefahr als die Leiber.

In diesen armseligen Zeiten hat die göttliche Vorsehung, welche immer über die Menschen wacht, den Seligen Bonaventura von Nocera nach Neapel in den Konvent zum Heiligen Geist berufen. Er freute sich darüber, dass ihm das Amt als Novizenmeister abgenommen wurde, mehr als ein Mensch, dem man die beschwerlichste Last abnimmt. Eben so sehr freute sich dieser apostolische Arbeiter auf die neu angewiesene Ernte, seinem Nächsten in der ausgebrochenen Krankheit zu dienen und seine Seele für die Schäflein Jesu auszusetzen. Er gab sich eilends zu dem Ort der Ansteckung. Er wanderte täglich durch alle Gassen, deren Anblick schauerlich eine traurige Einsamkeit vermittelte. Er ging in alle Häuser durch den tödlichen Odem hinein. Er setzte sich zu den Kranken. Er beklagte ihr Elend. Er jammerte mit ihnen. Er gewann ihre Herzen. Er lenkte ihre Gespräche auf das Ewige. Er füllte sie mit der ernsthaftesten Reue wegen der verflossenen Lebensjahre. Er hörte sie Beichte. Er stärkte sie gegen alle Anfälle der Seelenfeinde. Er scheute sich nicht, die ansteckenden Seufzer zu sammeln, die aus der Brust der so Sterbenden kommen, um die Lebenden zu töten. Er rannte von einer Gasse in die andere, von diesem Haus in jenem. Er schonte sich keinen Augenblick, um keine Seele zu verlieren. Er war den ganzen Tag im Schweiß, im Gift, und opferte sein Leben so vielmal der Liebe auf, wie er sich in eine neue Gefahr begab. Kam er zu einem Kranken, der am zeitlichen Leben klebte, der nicht auf seine verflossenen Jahre zurücksah oder vielleicht darum zu sterben fürchtete, weil ihn die Ankunft des Richters erschreckte, so gab Bonaventura so lang nicht nach, bis er die Haushaltung seiner Seele in Ordnung gebracht hatte. Wenn er den Unseligen mit Worten nicht bekehren konnte, so trachtete er, ihn mit seinen Seufzern, mit Tränen zu erweichen. Er ging ihm nicht von der Seite, bis seine Seele gesund war. Dann freute sich der Arzt.

Bonaventura trug immer ein Fläschchen Öl, welches er aus der Ampel, die vor dem Bildnis des hl. Antonius brannte, geschöpft hat, bei sich. Mit diesem Öl hat er große Wunderkuren gemacht. Die Verherrlichung des Namen Gottes war dabei seine einzige Absicht.

Wie die Prozessakte seiner Seligsprechung bekennt, so hat er sich während dieses seines Aufenthaltes in Neapel in den größten Werken der Liebe und Andacht geübt. Da stieg der Geist Gottes öfters über ihn herab, beraubte ihn seiner Sinne und erhob ihn von der Erde. Da war er beständig in dem Feuer der tiefsinnigsten Betrachtungen. Wenn er redete, so waren seine Gespräche nichts als Salbung und Geist.

Der Vater Nikolaus Sirletti kam von dem Konvent in Assisi, welches das Heilige genannt wird, weil es die Gebeine des hl. Vaters Franziskus aufbewahrt. Kaum hörte Bonaventura, dass sich ein Gast von Assisi im Kloster befindet, so wallte sein Herz. Er suchte den Fremden in aller Eile auf. Er bittet ihn, er möge ihm doch etwas von dem Heiligtum in Assisi erzählen. Kaum fängt dieser an, kaum hört Bonaventura von seinem hl. Vater reden, so erblasst er. Dann wird er rot wie ein Feuer. Der Schweiß dringt häufig hervor. Er wird entzückt. Er erholt sich wieder und bricht in Tränen, in Seufzer aus, so dass Sirletti selbst sich der Tränen nicht enthalten kann. Kaum hatten die Bewohner von Ischia vernommen, dass ihr Geliebter, der ihnen ins Herz gewachsene Bonaventura in Neapel wohnt, so eilten sie dahin. Sie suchten ihn sehnsüchtig auf, warfen sich wie Kinder in seine Arme. Er war der Arzt, der ihnen aufgeholfen hatte, dem sie ihr ganzes Zutrauen schenkten. Für ihn hatten sie kein Geheimnis. Herz und Mund redeten, und schon der Anblick seines Angesichtes war ihnen eine Arznei.

Unter anderem kam Michael Garafalo, ein Geistlicher, zu ihm. Sie gingen miteinander durch die Stadt. Ein Armer nahte sich und sprach den Geistlichen im Namen Gottes um ein Almosen an. Bonaventura hat der Anblick dieses Armen, der ihm ärmer schien als er selber, die Tränen aus den Augen getrieben. Sein Begleiter aber gab dem Armen einen derben Stoß. Bonaventura war verdattert. Er zitterte am ganzen Leib. Es brach ihm der Angstschweiß aus, seine Brust hob sich gewaltig. Der ganze Körper schwoll an. Ja es kam so weit, dass es schien, seine mitleidige Seele wolle ihre Hütte verlassen und in eine bessere Welt ziehen. Als dies der Geistliche sah, ruft er den Armen, welcher sich mit Tränen in den Augen entfernt hatte, zurück und gab ihm ein Almosen. Jetzt erholte sich Bonaventura. Die Geschwulst nahm ab, die Heiterkeit kehrte in sein Angesicht zurück. Es war ihm wieder wohl, nachdem dem Armen geholfen worden ist So heftig war die Liebe, welche er gegen die Armen trug, gegen diese Familie des armen Jesu.

Der Obere gab ihm Geld, welches er dem Klosterökonom aushändigen sollte. Jetzt stellte sich Bonaventura wieder alle Betrügereien, List, Eidschwüre und Ungerechtigkeiten vor, welche die Geldsucht jemals veranlasst hat. Die Verräterei des Judas marterte sein Herz. Er glaubte, an der Münze eine Natter zu erblicken, welche das ganze Menschengschlecht mit ihrem Gift ansteckt. Die Geldgierigsten sehnen sich nicht so, neue Schätze zu erlangen, als sich Bonaventura sehnte, sein Geld los zu werden. Die Zeit, welche ihm sonst immer zu schnell verflog, schien ihm jetzt eine Ewigkeit; denn Bicilliere, der Ökonom, war ausgegangen. Als er diesen endlich von der Ferne kommen sieht, ruft er schon: O Gott, wann kommt ihr doch auch! Der gute Ökonom meint Wunders, was ihm begegnet sei. Er eilt zu ihm hin und empfängt von ihm die Münze.

Stehe still und bete an diesem Ort, bis ich dir etwas zu tun bringe, sagte der Abt Antonius zu seinem Schüler Paulus. Acht Tage lang hat sich der Gehorsame nicht vom Platz bewegt. Er blieb stehen, ohne zu essen und zu trinken, unter der brennenden Sonne. Scheint dieses eine Torheit, wem es wolle, dem hl. Antonius schienen es ein Schauspiel des Gehorsams, der Abtötung, der Verwunderung zu sein. Es ist wahr, Paulus hat das Gesetz der einfachen Tugend übertreten, aber eine Tugend von einer ganz anderen Ordnung ausgeübt, welche um so erhabener und göttlicher ist, als sie sich von der einfachen unterscheidet. Dergleichen Schauspiele konnte man Bonaventura öfters erleben. Er begleitete seinen Oberen in Neapel. Da aber dieser mit einem Freund allein zu sprechen hatte, befahl er dem Seligen, zurückzubleiben und ihn dort zu erwarten. Bonaventura stand wie Paulus still, bewegte sich den ganzen Tag nicht vom Platz. Der Obere vergaß ihn und kam alleine nach Haus. Erst am Abend erinnerte er sich des Abwesenden. Er schickte zu dem Ort, und da findet man den Diener Gottes wie ein Denkmal des Gehorsams stehen.

Bonaventura eiferte jenen Büßern nach, von welchen Johannes Klimacus schreibt, dass sie ihren Leib nicht so viel abgetötet als abgemartert, dass sie diesen nicht so sehr gegeißelt als zerrissen haben. Er eiferte jenen Büßern nach, von welchen Gregorius von Nazianz erzählt, dass sie sich mit eisernen Ketten beschwerten, durch anhaltendes Fasten abzehrten und sich in so strengen Bußwerken übten, welche uns unglaublich erscheinen würden, wenn wir sie nicht von einem Gregorius erzählen hörten. Bonaventura, sage ich, eiferte diesen nach und schien sich bei allem seinem Eifer noch kalt. Alle Bußwerke kamen ihm zu gering vor. Er würde von Tag zu Tag in der Schärfe gegen sich selbst weiter gegangen sein, wenn der Obere nicht eingegriffen hätte. Mein Sohn, sagte ihm dieser, mäßige deine Strenge. Wann du dich aber peinigen willst, so peinige dich so, dass du dich noch länger peinigen kannst. Übertriebene Bußwerke würden dir das Leben samt der Buße abkürzen. Du weißt, dass der Gehorsam dem Opfer vorgeht. Lasse somit nach und opfere deinen heiligen Eifer dem Gehorsam auf, der dir noch größere Verdienste bringen wird. In der Tat, was wollte sich Bonaventura noch länger quälen. Die Wunden hatten ohnehin an seinem Körper überhand genommen. Die Geschwulst, der ihn schon so lange an dem Knie belästigte, war so fürchterlich angewachsen, dass man besorgt war, er könnte den Fuß verlieren. Alle jammerten seinetwegen. Er aber gab kein Zeichen des Schmerzes von sich. Er schwieg wie ein Lamm, trug die Last seines Kreuzes, ohne den Mund zu einer Klage zu öffnen. Er kroch einfachen Hausarbeiten nach, verrichtete diese solange, bis er nicht mehr konnte. Die Entzündung an seinem Fuß und andere Gebrechen hielten ihn endlich im Bett. Der Arzt wurde gerufen. Bonaventura übergab ihm seinen Leib, nach Belieben mit ihm zu verfahren. Heldenmütig übergab er sich dem Willen seines lieben Gottes und küsste ihm die väterliche Hand für die große Gnade, mit Jesus leben zu können. Sein Trost, seine Freude nahmen mit den Schmerzen zu. Je mehr Bonaventura aus dem Leidensbecher trinken konnte, umso glücklicher hat er sich geschätzt Jetzt, sagte er, jetzt tut mir mein Gott Gutes. Er streckt Seine väterliche Hand gegen mich aus und reinigt mich… O Sein Name, der sei gebenedeit, tausendmal gebenedeit.

 

XII. Kapitel

Seine schmerzhafte Krankheit,
sein Tun und Verhalten nach der Genesung.

 

Gleichwie die Liebe gegen den Diener Gottes allgemein war, so herrscht auch eine allgemeine Bekümmernis in den Gemütern wegen der Gefahr, die ihm drohte. Franz Navaretta, ein königlicher Rat zu Neapel, der sich des Bonaventura zum Seelenführer bediente und in dem Konvent zum Heiligen Geist seine Wohnung hatte, nahm sich des Kranken besonders an. Er schickte für ihn nach einen Wundarzt, Franz Boglione, den geschicktesten Mann. Er Arzt kommt. Er findet, dass die äußerste Gefahr die äußersten Mittel erfordert. Feuer und Eisen werden zubereitet. Allerlei Stech- und Schneidzeug liegen um dem Bett des Kranken herum. Niemand konnte dieses ohne Rührung ansehen. Jedermann erhob die gefalteten Hände zum Himmel und fleht um die Gnade der Geduld für diesen Märtyrer. Alle hatten den Mut verloren, nur Bonaventura nicht, so dass es schien, dass der Leib, welcher geschnitten und gebrannt werden sollte. nicht ihm gehört. Der Wundarzt macht auch wirklich den Anfang durch einen Hauptschnitt an dem aufgeschwollenen, vom Krebs angefressenen Knie. Es folgten viele Nebenschnitte. Das Knie wurde bis auf das Bein aufgeschnitten. Es wurden danach gleichsam feurige Pflaster aufgelegt. Bonaventura, dieses Lamm auf der Schlachtbank, rührte sich so wenig, dass man nicht wissen konnte, ob ihn die Heftigkeit des Schmerzes unempfindlich gemacht hat oder ob er in einer süßen Ohnmacht da liegt. Jesu – Maria – dieses waren die heiligsten Namen, die er zeitweise hören ließ, aber so gelassen und anmutig aussprach, dass jedermann merkte, nicht der Schmerz habe ihm diese abgerungen, sondern sie seien Früchte seiner Andacht. Die bei der Operation anesend waren, gingen mit Erstaunen aus seiner Zelle. Wer hätte sich nicht entsetzt?, sagten sie untereinander. Feuer und Eisen waren da, und sein Gesicht ist nicht einmal erbleicht? Wo nahm er doch den Heldenmut her? O Gott, was kann doch ein Herz, welches aus Liebe zu Dir leidet? Wie süß ist einem Menschen das Leiden, der sich Dir ergibt? Jetzt verstehen wir, wie wenig Feuer und Schwert, wie wenig alle Peinigungen im Stande sind, jene von Gott zu trennen, die Gott von ganzem Herzen lieben. O dass auch wir so liebten, so brennten!

Bereitwillig, wie Isaak von dem Arm seines Vaters, erwartet Bonaventura den letzten Streich von seiner Krankheit. Aber Gott will ihn noch länger als ein lebendiges Opfer haben. Er nimmt daher die Gefahr hinweg und lässt ihm die Schmerzen bis an das Ende des Lebens. Denn der Fuß war von den Wunden immerfort durchlöchert und von den Beulen aufgeschwollen.

Bonaventura lebt nunmehr wieder für seinen Mitmenschen. Sein voriger Eifer beseelt ihn wieder und trägt gleichsam den Schwachen zu den Bettstätte der Kranken hin. Diese stärkt er gegen die Versuchungen. Er festigt sie in der Geduld. Er bereitet sie zum letzten bedenklichsten Augenblick. Er schickt ihre Seelen in die Ewigkeit. Er nimmt die Sünder auf ein Neues in seine väterlichen Arme auf. Er führt sie in das Innerste ihres Gewissens, beichtet sozusagen für diese, reinigt sie mit dem Blut des Lammes, bewaffnet sie gegen das Gräuel des Rückfalls in die Sünde. Die Unwissenden haben an ihm wieder einen Lehrmeister. Er bricht ihnen das Brot der christlichen Lehre und macht aus den rohesten Mensche die besten Christen.

Barttholomäus Persiko, ein Arzt, fragte ihn einst, wie er sich befinde. Gut, gab ihm Bonaventura zur Antwort, es könnte nicht besser mit mir stehen, nur eines aber, ich kann die Stiege nicht steigen. Als Persiko fort war, fiel es dem Seligen ein, er habe nicht recht gesagt. Er ruft den Arzt zurück und sagt, er habe ihm zwar gesagt, er könne die Stiege nicht steigen. Es sei dem aber nicht so, er könne sie schon steigen, aber mit harter Mühe. So hat er den Schatten einer Sünde gescheut.

Sebastian de alteris, ein Wundarzt, der ihm auf seinem Krankenlager viel gedient hatte, befahl sich in sein Gebet. Bonaventura versprach, Zeit seines Lebens für ihn zu beten. Aber auch dieses hat ihn etwas ängstlich gemacht. Er sagte daher zu seinem Wohltäter, er wolle zwar Zeit seines Lebens für ihn beten, aber nur so viel er könne und wann er könne. Ob er damit zufrieden sei. Welche Grundsätze doch die Heiligen nicht haben? Dort, sagte der große Gregorius, suchen sie Sünden, wo keine sind. Unerdessen will der Weichling noch mit Gott rechten, ob er sich Seinem Gesetze unterwerfen solle.

Hat man ihm wegen seiner Liebesdienste, die er den Kranken erwiesen hat, gelobt, so sagte er, dass er den Kranken wenig tue. Unter dem Kranken aber verstand Bonaventura seinen Körper, den er wahrhaftig einen Kranken nennen konnte, welchen er gleichsam dreizehn Jahre hindurch auf dem Rücken nachgeschleift hat.

Einem Ordensgeistlichen gab er den Rat, mit den äußerlichen Bußwerken mäßig und bescheiden zu sein. Gott verlange durch seinen Apostel ein lebendiges und kein geschlachtetes Opfer von uns. Man solle vielmehr wachen und sorgen, die innerlichen Neigungen zu überwinden. In der Überwindung seiner selbst, nicht in den Geißeln und Bußgürteln bestehe die Vollkommenheit. Es sei zwar wahr, dass die äußerlichen Bußübungen vieles zum Besten des Geistes beitragen, die Heiligkeit aber sei die Tochter einer vollkommenen Meisterschaft über die Leidenschaften. Auch er habe sich in der Jugend der äußerlichen Strenge bedient, aber jetzt, da er bei Jahren sei, mache er einen geringen Gebrauch von dieser. Dieses war sein Urteil, welches er über die Bußwerke des Leibes gefällt hat. Man weiß von ihm, dass er seinen Leib als seinen größten Feind angesehen hat, dass er diesen mit Wasser und Brot in sieben Novenen und drei Tagen jeder Woche ausgemergelt hat, dass er seine Lenden in ein Cilicium eingehüllt hat, dass er seinen Rücken alle Nächte mit der Geißel durchfurcht hat, dass er gewacht hat, dass er alles getan hat, was ihm nur immer beschwerliche ankam. Wenn er in seinem Alter (denn obschon er damals seine Strenge gemäßigt hat, so war er sich doch noch immer der strenge Bonaventura), wenn er in seinem Alter dergleichen Abtötungen für nichts gehalten hat, welche Strenge lässt sich dann von seiner Jugend vermuten?

Ein Blutsfreund hatte, um ihn zu besuchen, einen weiten Weg gemacht. Er wird dem Seligen angemeldet, aber dieser will gleich seinem göttlichen Lehrer von keiner Blutsfreundschaft wissen. Er will Gott allein angehören. Er ist nicht zu bereden, den Vetter vor zu lassen, aus Furcht, er könne dem Blut zu viel geben und doch mehr von dem Geist verlieren. Sein Oberer aber will es, und jetzt findet der Gehorsame keine Entschuldigung mehr. Er erscheint bei seinem Vetter, aber ohne Sprache, gleichsam ohne Augen, ohne Leben, so dass man nicht sagen konnte, ob das Blut mehr durch ihn sei beschämt worden oder ob Bonaventura seiner Sinne beraubt in einer Entzückung da gestanden sei. So war Adam in ihm gestorben, und so lebte Christus in ihm.

 

XIII. Kapitel

Eine besondere Entzückung,
Weissagung,
und der Aufenthalt des Dieners Gottes in Ravello.

 

Dreißig Jahre waren verflossen, seitdem Vater Dominikus a muro, der Geistlehrer des Bonaventura, das Zeitliche verlassen hat. Ravello war der Ort, welchen dieser Diener Gottes im Geist als den Ort vorhergesehen und vorhergesagt hat, wo ihm sein Schüler Bonaventura in die Ewigkeit nachfolgen sollte. Von diesem Augenblick an hat sich dieser nach Ravello wie die Israeliten nach dem gelobten Land gesehnt, und seinen Aufenthalt in allen anderen Konventen hat er nicht anders betrachtet als wie die Israeliten ihren Umzug in der Einöde. In dem Jahr 1710 ist seine Begierde endlich befriedigt worden. Joseph Maria Perimezzi aus dem Orden der Mindesten Brüder, ein besonderer Freund der Konventualen, war damals Vorsteher der Kirche Ravello. Dieser samt seiner untergebenen Herde hielt um Bonaventura an. Der Vater Cennamo, Kommissarius des Generals, zu welchem Amt er laut der Vorhersagung des Bonaventura erwählt worden ist, erinnert sich, wie der Diener des Herrn auf Ischia, in Nocera und Neapel öfters gesagt hat, Ravello werde der Ort seines Hinscheidens sein. Er schickt ihn so an diesen Ort. Kaum hat Bonaventura seinen Befehl vernommen, so frohlockt sein Herz. Von seinem Angesicht gehen Strahlen aus. Ich gehe, sagte er, ich gehe, aber – o es soll nicht zu meiner Ehre gereichen! Ich würde beten, eher zu sterben, als dorthin zu gelangen. Als er dieses gesagt hatte, wurde er über eine Spanne (ca. 20 cm) erhoben. Kaum aber hörte er das Wort gehorsam aus dem Mund des Oberen, so kehrte er zu sich zurück. Der Obere sagte, er wolle ihn zum Stifter des Konvents in Ravello machen. Bonaventura erschrickt darüber. Er wird bleich, zittert, er seufzt und sagt, er sei der ungeschickteste Mensch. Wie er andere werde leiten können, da er sich selbst nicht zu leiten wisse. Gott solle nur ihn erleuchten, dass er mit sich selbst zurecht komme. Daraufhin hat man ihm einen anderen Oberen gegeben.

Am 4. Januar 1710 ist Bonaventura in Ravello angekommen. Das ganze Volk frohlockte und nahm unter Jauchzen dieses Kleinod in seine Ringmauern auf. Der Prälat des Ortes befahl sich und sein Volk dem Diener Gottes mit den rührendsten Ausdrücken an. Zwei vornehme Frauenklöster haben ihn alsbald zum geistlichen Vater verlangt. Auch Kotillo, der Bischof von Minori, welches eine Meile von Ravello entlegen ist, ernennt ihn zu seinem Beichtvater. Alle umliegenden Orte, alle, welche den Fluss hinab liegen, wie Scala, Amalphi, Atrani, Majore, Minore ect. vertrauten sich seinen apostolischen Arbeiten an, und sie fanden auch, dass sein Herz gegen jedermann geöffnet ist. Die Sünder machten sich seine väterlichen Ermahnungen zu Nutze und kehrten mit Freuden auf die Wege des Heils zurück. Die tugendhaften aber zugleich lauen Seelen zog er aus ihrem Schlummer und führte sie zu der Vollkommenheit des Evangeliums. Bonaventura war das Orakle, bei welchem sich die ganze Gegend beratschlagte, in den Zweifeln, um sich zu entschließen, in den Drangsalen, um sich zu trösten, in den Streitigkeiten, um sich auszusöhnen. Allzeit aber hat er die Tröstungen mit einer geistlichen Weisheit verbunden, um der fleischlichen Sicherheit und Trägheit keine Nahrung zu geben. Auf sich selbst aber hat er bei allen ein gänzliches Misstrauen gesetzt. Gott eignet er alles zu. Der Himmel ermangelte nicht, die unermüdliche Dienstwilligkeit seines getreuen Dieners durch verschiedene Zeichen zu belohnen. Auf sein Gebet hin vertreibt er die hartnäckigsten Krankheiten, gibt erstarrten Gliedern die vorherige Stärke und Bewegung zurück und lehrt durch dergleichen Zeichen die Menschen, wie nachdrücklich die Fürbitte des Seligen bei dem göttlichen Gnadenstuhl ist.

Als er einst von Ravello nach Atrani ging, traf er auf dem Weg einen Siechen. Er ging an diesem vorbei, wie der Priester und Levit bei dem verwundeten Wandersmann, ohne ihm einen Liebesdienst zu erweisen. Gleich aber kehrte er zurück, eiferte jetzt mit dem barmherzigen Samariter. Er fällt dem Siechen um den Hals, drückt ihn liebreich an seine Brust, küsst die vom blutigen Eiter triefenden Wangen. Gott belohnte hier dieses heldenmütige Liebeswerk mit der augenblicklichen Genesung des Kranken. In den Armen des Seligen hat er sich wie ein Adler verjüngt. Das größte Wunderwerk aber war Bonaventura selbst. Jedermann wusste, wie er seinen Leib unter einem groben Kleid mit härenen Bußhemden mehr einhüllte als bekleidete, wie er seine Lenden mit eisernem Cilicienband und sich mit Streichen peinigte und mit blutigen Geißeln zerfleischte. Es war bekannt, wie er durch die immerwährenden Reisen erschöpft und durch die schmerzhaftesten Kuren entkräftet worden ist. Nach all diesen Armseligkeiten aber fangen seine Kräfte wieder an aufzuleben. Sein Angesicht wird sozusagen jugendlich. Im Herbst seines Alters von 60 Jahren kehrt er in den Frühling zurück, der ihm ein neues Leben gibt.

Weil du Gott angenehm warst, so ist es notwendig gewesen, dich zu prüfen, sagte der Engel zu dem alten Tobias. Bonaventura musste sich einer harten Prüfung unterwerfen. Gott ließ zu, dass ihn sein Oberer in Ravello für einen schauspielerischen Pharisäer hielt und seine Frömmigkeit für die Frömmigkeit eines Heuchlers, für eine doppelte Bosheit ansah. Ein heimlicher Hass hielt dem Oberen gegen seinen Untergebenen gleichsam ein gefärbtes Glas vor die Augen, dass er nichts in seiner natürlichen Beschaffenheit, alles anders sah. Daher kam es, dass er die heiligsten Werke für Laster erklärte und den guten Bonaventura mit den schwersten Strafen belegte. Wie ein Lämmlein hat sich der Geduldige allen Strafen unterzogen, ja er bittet seinen Oberen noch ab. Er nennt sich den Ungeschicktesten und bekennt, weit härtere Bußen verdient zu haben. Seine Mitbrüder werden gerührt. Sie tadeln die Unbescheidenheit ihres Oberen. Da sie glauben, Recht zu haben, fällt auch ihnen Bonaventura zu Füßen, bittet, alles ihm zuzuschreiben. Er, er sei allein an allem Schuld. So ist er niemals bei einer mittelmäßigen Tugend stehen geblieben. Immer hat er diese in einem höheren Grad ausgeübt.

Im Konvent in Ravello hat die äußerste Armut geherrscht. Die Sakristei war so arm, dass aus Mangel an priesterlichen Gewändern und Liturgiegeräten ein Priester auf den anderen warten musste. In dem Speisesaal mangelte es am Tischrat, an allem mangelte es. Die Väter haben sich daher an ihre Oberen gewendet und verlangten, abgerufen zu werden, nur Bonaventura nicht. Er blieb mit einem Laienbruder und dachte an die Worte des hl. Bonaventura: Die Brüder können sich an keiner Sache mehr als an der Armut erfreuen, weil sie diese zu Brüdern Jesu Christi macht. In diesem armen Konvent schwebte so Bonaventura immer wie ein Adler in der Höhe, beschäftigte sich mit himmlischen Dingen, und nur dann ließ er sich herab, wenn ihn die Not trieb. Er setze seine Liebesdienste fort und lebte nur für den Nächsten, in welchem er Gott liebte. Als ihn einst der Bischof fragte, ob ihm nichts fehle, so gab er zur Antwort: Es fehle ihm nichts, was notwendig sei, ja, er habe mehr, als er verdiene.

 

XIV. Kapitel

Seine Liebe gegen die Armen,
sein Eifer, seine Entzückungen,
die Zeit seines Todes.

 

Seine Freude war umso größer an diesem elenden Ort, je größer seine Liebe zur Armut gewesen ist. Er ging mit seinem Laienbruder aus, das heilige Almosen zu sammeln, aber nicht so für sich, als für die Armen. Kaum hat er etwas zusammen gebracht, so teilte er dasselbe gleich wieder unter die Gemeinde des Herrn, den Armen aus, wie die Sonne die Dünste, welche sie in die Höhe gezogen hat, bald durch einen fruchtbaren Regen der Erde zurückgibt. Ein so himmlisches Gemüt besaß dieser irdische Engel! Nicht nur einmal hat er bei der Austeilung der Almosen den Ärmsten, sich selbst nämlich, so vergessen, dass er nicht das Mindeste übrig hatte. Dann dachte er an das Wort des Herrn, dass der Mensch nicht allein vom Brot lebt, sondern von einem jeden Wort, welches aus dem Mund Gottes kommt. Er speiste seinen Geist mit demselben. In der Tat wurde auch sein Leib durch das Vertrauen auf den Herrn mehr als durch irdische Nahrung gestärkt.

Einst hatte Bonaventura zwei Priester bei sich am Tische, aber sie fanden nichts zu essen, nicht einmal trockenes Brot; denn Bonaventura hatte alles den Armen gegeben. Die guten Priester hatten Hunger. Sie warteten umsonst auf eine Mahlzeit. Sie wurden ungeduldig, sie klagten. Bonaventura öffnete den Mund und redete mit einer solchen Kraft von der Armut, dass seine Gäste das Essen gänzlich vergaßen, sich in jene Rede vertieften und voll des süßesten Trostes vom Tisch aufstanden.

Ein anders Mal kam der Laienbruder in die Speisekammer, ohne die mindesten Brosamen zu finden. Er läuft zu Bonaventura hin. Er fragt ihn ganz ernstlich, wo er mit allem Brot hingekommen sei, und macht ein finsteres Gesicht dazu. Ich habe dieses den Armen gegeben, antwortet ihm der Diener Gottes, in der Frühe schon sind sie in einer Menge gekommen. Ihr redet von dem Morgen, murrte der sich übereilende Laienbruder fort, ihr redet von dem Morgen, ich aber rede von dem Abend. Bonaventura, der die Geduld, Sanftmut und Liebe selber war, lächelt den Bruder an und sagte ihm mit zärtlichster Gelassenheit: Seien wir mit Kräutern zufrieden! Und so siegte er über die Unfreundlichkeit des Bruders, der jetzt zufrieden hinging, etwas für die Nacht zu sammeln. Was ihn selbst betraf, so teilte er ohnehin, was er auf dem Teller hatte, den Armen mit, und begnügte sich unterdessen mit Bohnen und Kräutern. Einst hatte der gute Mann nichts als Kastanien. Es kam ein Armer, und Bonaventura bietet ihm seine Kastanien an. Der Arme aber, gleichsam beschämt, einen Mann, der ärmer als er selber ist, angebettelt zu haben, wollte einem Hungrigen den letzten Bissen nicht aus dem Mund nehmen. Er schlug die angebotenen Kastanien aus und ging mit Tränen in den Augen von Bonaventura, sah noch von der Ferne mitleidig auf ihn zurück. Wenn ein Priester, wenn ein Laienbruder zu Haus war, so kam der Seligste bei diesen mit demütigster Bitte an, um den Armen ein Almosen reichen zu dürfen. Öfters fiel er auf die Knie nieder und bot den Armen die Gabe dar, weil er in ihnen denjenigen verehrte, der gesagt hat: Was ihr den Geringsten von den Meinigen tut, das tut ihr Mir.

Bonaventura ist durch diese seine Freigebigkeit in der ganzen Gegend so berühmt wie Abraham geworden. Er war bei seiner äußersten Armut jener Reiche, zu welchem alle Armen flohen, dem ein jeder seine Not anvertraute, bei dem ein jeder Hilfe suchte. Selbst Perimezzi, der Bischof des Ortes, vergaß seine Würde, warf sich dem Seligen zu Füßen und verlangte, ihm die Hände zu küssen. Bonaventura stand beschämt da. Er zieht die Hand zurück, und er wird sie nicht hergeben, wenn er nicht zuvor die Füße seines Bischofs küssen darf. Was sich in jenem Kirchensprengel für Geschehnisse ereigneten: so war Bonaventura der Freund, der Vertraute, der Ratgeber des Bischofs. Dieser Hirte sah diesen frommen Ordensmann als die Zierde, als den Schild seiner Herde an, als einen Mann, der sich keinem Menschen aufdrang, der nicht sich selbst, sondern den bloß seine Tugend notwendig gemacht hat.

Stellen wir uns die unglückseligste Zeit vor, als der Feuer speiende Berg Vesuv die fruchtbarsten Täler verwüstet und das ganze Vorgebirge von Amalphi mit Asche überstreut hat. Die ganze Gegend trug das Zeichen des Verderbens. Der Bischof nahm bei dem allgemeinen Schrecken seine Zuflucht zum Gebet. Er sagte eine allgemeine Prozession an, und dem Bonaventura, welcher diese angeraten hatte, trug er dabei eine Bußpredigt auf. Dieser predigte, füllte alle Herzen mit ernstlicher Reue, mit reumütigsten Seufzern, und söhnte durch eine Tränenflut den Himmel mit der Erde aus. Er selbst warf sich auf das Angesicht nieder, bot sich der Gerechtigkeit zum Schlachtopfer an. Wie ein Mensch, der des Todes schuldig ist, wie schon einst Franziskus und wie Karl von Borromäo in Mailand in einer ansteckenden Krankheit getan haben, nahm Bonaventura den Strick um den Hals und wollte, dass man ihn wie ein Opfertier bei der Prozession nachschleift, welches aber das Volk durch sein Geschrei verwährt und der Bischof untersagt hat.

Bonaventura nahte sich nunmehr seinem Ende. Je näher er diesem kam, umso inbrünstiger wurden seine Betrachtungen, um so mehr nahmen die Entzückungen zu. Hörte er vom Tod reden, so hatte der Tod gar nichts Erschreckendes für ihn. Er freute sich vielmehr. Sein Herz erhob sich, es schwoll von den feurigsten Anmutungen an. Die Freude schmückte sogar sein Angesicht wie mit Rosen. Es war nicht so, als wenn der Tod den Bonaventura erwartete, sondern so, als wenn dieser dem Tod entgegen eilte. Franz d’asmato, Seelsorger des Ortes, welcher dem Seligen ganz ergeben war, brachte ihm einst einen Apfel mit den Worten, er möge nur an diesem riechen. Welcher Geruch! Bonaventura riecht, der Geruch eines irdischen Apfels erinnert ihn an die Süßigkeit seines Gottes. Sein Gemüt schwingt sich in den Himmel. Sein Leib folgt nach. Er wird weit über eine Spanne (ca. 20 cm) von der Erde erhöht und bleibt eine Zeit in der Luft. Hier ist keine steinerne Säule, welche ihm wie einstmals dem Styliten zur Stütze dient. Es ist die Hand des Allmächtigen. Als ihn diese wieder entlässt, so eilt er in seine Zelle.

Gott wollte die Freunde seines geliebten Dieners etwas von dessen Tod vorher wissen lassen. Bonaventura kündigte ihnen denselben selbst mit verschiedenen verhüllten Worten an. Ich werde abreisen, sagte er, in mein Vaterland werde ich abreisen. Ich sehne mich in die Ruhe, in eine Zelle, wo ein vollkommener Frieden herrscht. Diese Worte gaben Anlass zu glauben, er wohne nicht gern in Ravello. Der Ort sei gar zu arm. Er predigte öfters, nicht aus der bloßen Absicht, um zu predigen, nicht um eine Würde zu erschnappen, er predigte nur, um die Seelen zu gewinnen. Einst predigte er bei dem Altar des hl. Antonius. Da, sagte er in jener Predigt, da, wo jetzt meine Füße stehen, wird sich bald mein Haupt, mein Angesicht befinden. Im Monat Mai, sechs Monate nämlich vor seinem seligen Hinscheiden, fängt er an, Abschied von seinen Beichtkindern zu nehmen. Er sagt ihnen, seine Schwachheiten nähmen immer mehr zu, er sei gezwungen, seine Wohnung bald zu verändern. Anders könne es nicht mehr sein. Er müsse einmal dahin, wo er Gott allein lieben könne. Es sei ja nichts als Elend da. Bei dem Herrn aber sei nichts als Freude. Deutlicher hätte er seinen Tod in der Sprache eines Dieners Gottes nicht vorhersagen können. Dergleichen hat er auch verschiedenen Geistlichen gesagt. Sie konnten es aber nicht fassen, weil sie wussten, wie ihm sein Vaterland zuwider war, dass er sich nirgends einen Aufenthalt weniger als in Potenza wünschte. Sie fragten ihn dessen ungeachtet, wann er denn abreisen wolle, und er nannte den Oktober. Sie wollten seiner Abreise bei den Oberen zuvorkommen. Aber er sagte ihnen, da sei kein Mensch, keine Bitte, keine Stärke stark genug, ihn abzuhalten. Es sei notwendig abzureisen. Es sei unmöglich, da zu bleiben. Einige fanden solche Ausdrücke verhüllt. Sie suchten sich einen Mann, der den Worten die Hülle abnähme und ihnen die Sache an sich selbst zeigte. Sie befragten Joseph D’ippolyto, einen Wundarzt, wie sie doch die Rede des Bonaventura verstehen könnten, er wolle immerfort, immer in sein Vaterland. Gut, sagte ihnen Joseph, ich erinnere mich, dass sich auch der Vater Dominikus a Muro dergleichen Ausdrücke bedient hat. Der Lehrjünger wird halt jetzt die Sprache seines Lehrmeisters reden und Bonaventura wird sich in kein anderes Vaterland sehnen als in das himmlische, in welches Dominikus bald gegangen ist, nachdem er seinen Tod durch dergleichen Worte vorgesagt hat. Nicht Potenza, den Himmel will Bonaventura verstanden haben.

 

XV. Kapitel

Sein seliger Hintritt

 

Am Fest der hl. Theresia, dem 15. Oktober, hat er dem Bischof Perimezzo das letzte Mal Beichte gehört. Bonaventura wurde weichherzig. Erblickte seinen Beichtsohn wehmütig an und sagte, dass er ihm zwar noch etwas zu sagen habe, aber er wolle es ihm auf eine andere Zeit sagen, wenn er nicht mehr wegen des Beichtens kommen werde. Aber der Bischof mochte es gern jetzt wissen. Wenn Sie es doch wissen wollen, fährt Bonaventura fort, so hören sie: Wenn ich der ihrige Beichtvater nicht mehr sein werde, so wählen sie einen anderen, einen Mann, der mit apostolischer Freiheit, wie ich, ihnen die Wahrheit sagt. Er kehrte dann in seinen Konvent zurück, ging in den Beichtstuhl, gab seinen Beichtkindern die letzten Ermahnungen, als ein Vater, der seinen Tod vor Augen sah, und übte sich solange in den Liebesdiensten, als er konnte.

Seine Krankheit, welche zum Beispiel aller christlichen Tugenden geworden ist, äußerte sich am 15. Oktober noch durch den Anfall eines hitzigen Fiebers. Weil er von seinen Bekannten Abschied genommen hatte, als wolle er in sein Vaterland, und diese Aussage, wie ein Lauffeuer in der ganzen Gegend herumgekommen war, so sieht man am folgenden Tag einen allgemeinen Zulauf des Volkes. Einer möchte noch einmal mit dem Mann Gottes reden, ein anderer möchte ihn noch einmal sehen, der dritte möchte ein Andenken von ihm haben. Aber alle treffen ihn krank an. Jetzt drängen so viele, als nur können, in die Zelle des Kranken hinein. Jeder bietet seine Dienste an und wünscht, sein Krankenwärter zu sein.

Perimezzi, dieser würdige Vorsteher, war mehr als andere bekümmert. Er entfernte sich nicht von der Bettstatt des Kranken. Dieser sah sein Bett als den Ort der Strafe an. Alle anderen betrachteten dieses als eine Schule der Tugenden. Da konnte man sehen, mit welcher Freude der Gerechte aufgelöst wird… Wie er sich dem Tod entgegen sehnt… Wie er in der Welt so gar nicht eingewurzelt, sich in die Höhe schwingt, und sozusagen auf Erden mitten unter den Bitternissen des Todes einen Vorgeschmack himmlischer Freuden hat, alles dieses konnte man sehen und lernen. Wer gibt mir doch, dass ich den Tod des Gerechten sterbe!, konnte da der Sünder ausrufen, welcher sich nach einem bösen Leben einen guten Tod wünscht.

Am achten Tag nahm das Fieber heftig zu. Der Herr streckte Seine Hand nach Seinem Diener aus. Schon öffneten sich die ewigen Hütten, ihn aufzunehmen. Bonaventura hatte darum gebeten, ihm die letzte Gefahr nicht zu verbergen. Jetzt sagt ihm der Arzt, dass er an die äußersten Grenzen des Lebens gekommen sei. Er dankte zärtlich für die freundschaftliche Warnung, welche so vielen schrecklicher als der Tod selbst ist. Sein Angesicht glänzte wie von einem himmlischen Licht, seine Brust atmete die inbrünstigen Liebesseufzer. Jetzt verlangte er, sich durch die Heiligen Sakramente auf die Abreise in das Vaterland vorzubereiten. Er legte eine öffentliche Beichte ab. Er nennt sich das unnützlichste Geschöpf, den schändlichsten Sünder, welchen die Erde getragen hat, einen Sünder, der alle Weltmenschen mit seinen Lastern, alle Geistlichen mit seiner Lauigkeit geärgert hat, einen Sünder, dem es gut sei zu sterben, damit er zu sündigen aufhöre. Er seufzt wie aus einem Abgrund der Sünden zu dem Thron der Barmherzigkeit, zum Blut des Lammes, auf welches seine ganze Hoffnung gegründet ist. Jetzt wendet er sein Angesicht dem Oberen zu, welcher vor kurzem im Konvent angekommen war. Er bittet diesen um Gottes Willen um Verzeihung. Er bekennt, dass er unwürdig das Ordenskleid getragen habe, dass er im Orden und der Orden niemals in ihm gewesen sei, dass er den Namen eines Geistlichen missbraucht habe. Er wiederholt seine Bitte, ihm zu verzeihen, ehe er sterbe. Während er so wehmütig um Verzeihung bittet, richtet er sich in seinem Bett auf. Er will heraus. Er will sich seinem Oberen zu Füßen werfen, fußfällig abbitten, die Füße küssen und diese mit den Tränen einer kindlichen Reue benetzen. Aber die Anwesenden, welche alle in Tränen zerfließen, halten ihn zurück. Der Obere befiehlt ihm zu bleiben. Wenn er Füße küssen will, sagt er dem Kranken, so soll er die Füße des Gekreuzigten küssen. Bonaventura gehorcht. Er küsst die Füße des gekreuzigten Heilandes, mit solcher Anmutung küsst er diese, dass alle Herzen brechen.

Man bringt dem Kranken die Heiligste Wegzehrung. Seine Andacht bekommt neue Kräfte. Er empfängt diese Speise der Starken unter so lebendigen Tugendübungen, dass ihm, ungeachtet der Todeszeichen, ein göttliches Feuer aus dem Gesicht und den Augen hervorleuchtet. Die Macht des Allerhöchsten hat ihn umschattet. Nachdem er die Heilige Wegzehrung empfangen hat, liegt er in einem tiefen Stillschweigen, dankt und opfert, bittet und erwartet den Wink von dem Herrn, der über Leben und Tod zu befehlen hat. Seine Augen sind an das Kreuz Jesu, diesen Baum des Lebens, angeheftet. Da versenkt sich seine Seele ganz in die Seitenwunde. Das Bildnis Mariens an der Wand zieht ihn an sich und lockt ihm die zärtlichsten Seufzer ab. Dann stimmt er mit dem alten Simeon einen Dankgesang an. Bonaventura singt Obschon sein Schlund von der Hitze des Fiebers ganz ausgedorrt, seine Zunge ganz ausgetrocknet ist, so singt er doch mit heller, angenehmer Stimme über 24 Stunden fort. Die ihn hörten, glaubten einen Engel zu hören, so hat sein Gesang ihre Herzen durchdrungen. Eine Stunde vor dem Tod hat erst dieser jungfräuliche Schwan aufgehört, das Lob Gottes zu singen. Er grüßte Maria mit dem ihr so angenehmen Gruß des Engels zum dritten Mal, zog sich in seinem Bett zusammen, wie ein Mensch, der ruhig schlafen will, und gab in aller Ruhe seinen schönen Geist in die Hände des Schöpfers auf. O Tod, wo war damals dein Stachel, wo war deine Bitterkeit!

60 Jahre, 8 Monate, 26 Tage – dieses war die Lebenszeit des Seligen. 44 Jahre hat er in dem Orden der Konventualen des hl. Franziskus zugebracht. Er starb am 26. Oktober 1711 gegen Abend. Ravello war sein Sterbeort, wo er 22 Monate weniger 8 Tage gewohnt hat. Er hatte eine mittelmäßige Körpergröße. Seine Körper war robust, aber durch viele Reisen, Krankheiten und Arbeiten ganz entkräftet. Sein Temperament war hitzig, die Tugend aber gestaltete ein sanftmütiges Lamm aus ihm. Sein Tun und Lassen war ungezwungen, sein Reden angenehm und geistreich. Die Eingezogenheit beherrschte seinen ganzen Körper. In den philosophischen Wissenschaften hatte er keinen so großen Fortschritt gemacht, aber in der Gottesgelehrtheit und Geistlehre war er so stark, dass sie mehr eingegossen als erworben schienen. Die Unschuld, die Liebe, die Buße waren die Tugenden, in denen er sich bis an sein Ende geübt hat, doch besonders hat er sich durch den Gehorsam ausgezeichnet.

 

XVI. Kapitel

Der Zulauf des Volkes,
die Vorbereitung der Beerdigung und
wunderbare Begebenheiten

 

Als der Leichnam des Seligen nach der Vorschrift der Ordenssatzungen vorbereitet war, wurde er in der Kirche aufgebahrt. Kaum brach der Tag an, so zog das Volk schwarmweise von allen Wegen her, um den Leib des Seligen zu sehen. Die Menge, welche sich aus allen Ständen, aus allen Altersgruppen und Geschlechtern gesammelt hatte, war außerordentliche groß. Jeder trachtete, ein Andenken von dem Leichnam zu erhaschen. Die Andacht des Pöbels artete dabei in eine unbesonnene Grausamkeit aus, da sich einer der Haare, ein anderer eines Fetzens von dem Kleid zu bemächtigen suchte, und der Dritte gar mit einem Messer auf das Fleisch losging. Gewiss würden sie den Toten auf eine grausame Art misshandelt haben, wenn nicht der Bischof, die Geistlichen und der anwesende Adel andere Maßregeln ergriffen hätten. Das Volk wuchs indessen noch immer an, so dass die Oberen dadurch in einen neuen Schrecken gerieten. Sie umstellten die Leiche mit einer Wache von frommen und starken Männern. Das Volk wird durch diese Vorsicht aufgebracht. Es füllt den Ort mit kläglichem Geschrei an: Ob man ihnen diese unschuldige Freude entziehen wolle, ob sie den Leib des Dieners Gottes nicht sehen dürfen? Er sei doch ihr Vater, ihr Apostel gewesen, und doch jetzt der Schatz ihres Vaterlandes. Auch die zwei Klöster von Ravello und Scala kamen mit der Bitte an, ihre Augen an der Leiche des Toten zu weiden, der im Leben mit so vielem Eifer ihre Seelen geweidet hatte.

Der Bischof, welcher der Erklärung der Kirche nicht vorgreifen wollte, dachte nach, was zu tun sei, auf welche Weise er die allgemeine Begierde befriedigen könne, ohne eine Satzung der Kirche zu verletzen. Er entschloss sich endlich und sagte: In außerordentlichen Fällen darf man die ordentlichen Gewohnheiten außer Acht lassen. Er befahl, den Leichnam in einer Prozession durch die Gassen der Stadt herumzutragen. Als die Ordnung des feierlichen Umzugs festgelegt ist, so wird er durch ein neues Hindernis eingestellt. Die Wolken gießen einen stürmischen Regen herab. Das finstere Gewölk ist so gedrängt, dass man sich keine Aufheiterung verspricht. Die Oberen gingen zu Rat, und endlich brach einer voll Vertrauen auf den Seligen in die Worte aus: Lasst uns gehen, wir werden schon erfahren, was Bonaventura vermag! Lasst uns gehen, stimmte das ganze Volk ein. Auf diesen Ruf hin rückte die Prozession aus. Das Kreuz befand sich noch unter der Kirchentür, als die Wolken in der Mitte des Sturmes den Regen zurückhielten. Ein handgreiflicher Nebel lag noch auf der ganzen Gegend, wie eine Nacht. Niemanden aber hat dieser unfreundliche Nebel betrübter gemacht als die Klosterfrauen von St. Kataldo di Scala. Sie brannten vor Begierde, den Leichnam ihres geistlichen Wegweisers zu sehen. Jetzt schwand alle Hoffnung. Sie nahmen ihre Zuflucht zum Himmel. Sie sagten untereinander: Beten wir doch, wie uns der Selige gelehrt hat, dass wir beten sollen. Beten wir zu Maria den Engel des Herrn. Lasst uns beten! Nachdem sie von dem Gebete aufgestanden waren, so sahen sie das gleiche Wunder an dem Nebel, welchen die Kinder Israels an dem Roten Meer gesehen haben. Der Nebel zerteilte sich und ließ sie durch einen lichten Weg zu dem toten Körper ihres geliebten Vater hinsehen, dessen Gesicht mit Strahlen umgeben war. So zärtlich diese durch den feierlichen Anblick der Leiche gerührt worden sind, so groß war die Ungeduld der Klosterfrauen zu St. Klara. Weil sie dem Seligen nicht weniger als jene in St. Kataldo ans Herz gewachsen waren, so hofften sie nicht minder, durch seine Fürbitte begnadet zu werden. Die Leiche wurde an ihrem Kloster vorbei getragen, und siehe da, das Angesicht des Seligen fängt an, wie eine Rose zu blühen. Es wird sozusagen glühend. Es gibt Strahlen von sich, welches nicht nur die Klosterfrauen, sondern auch andere Geistliche und Weltliche beobachtet haben. Nachdem die Träger mit der Leiche am Kloster vorbeigegangen sind, so verliert sich auch der Schimmer wieder.

Nach diesen Wundern, durch welche Gott Seinen Diener nach dem Tod verherrlichte, der im Leben nach nichts weniger als nach Ehre, nach nichts mehr als nach Verachtung getrachtet hat, hat man Anstalten zum Begräbnis gemacht. Die Nacht war dunkler als die vorhergehende. Das Volk verlor sich daher. Es suchte sich eine Herberge, und die Wächter blieben allein. Doch schlich sich der einer und der andere hin, eine Reliquie zu erhaschen. Einer von diesen diebischen Andächtigen hatte kaum die Hand nach den Körper ausgestreckt, so zog er sie zitternd zurück. Es war ihm nicht anders, als hätte er die Hand in Wasser getaucht, so flüssig war der Leichnam. Die Sache kommt bis zu dem Generalvikar Karl Manzi. Man stellte eine Untersuchung an. Einige glaubten, die Nässe komme von dem vielfältig ausgesprengten Weihwasser. Andere sagten, der Nebel habe die Leiche so feucht geduftet. Andere nannten es ein Wunder. Man trocknete das Gesicht ab, auf welchem die hellen Tropfen stehen. Kaum ist es abgetrocknet, so schwitzt es wieder. Man greift durch die Kleider auf die Brust und man findet alles tropfnass. Es ist nicht anders, als wenn die Leiche in einem Bad liegt. Der Körper hatte noch Wärme, die Glieder waren gelenk. Die Lippen röteten und der Leib hauchte einen unvergleichlichen Geruch aus. Wenn der Herr die Leiber Seiner Diener bei aller ihrer Unempfindlichkeit so belohnt, mit welcher Freude wird er die Seelen in Seinem Reich überströmen?

Perimezzi, der Bischof, nahte sich dem Sarg, um die Füße des Seligen zu küssen. Bei dieser Gelegenheit wurden ihm Hände und Füße abgetrocknet. An der Hand sah man eine ganz angelaufene, warme Ader. Zugleich breitete sich der angenehmste Duft aus. Der Herr, sagte der erstaunte würdige Bischof, der Herr will Seinen Diener verherrlichen. Verschieben wir das Begräbnis noch. Er befiehlt, dass der Körper in das nächste Bethaus gebracht werde. Er lässt diesen als einen kostbaren, in seinem Kirchensprengel hinterlegten Schatz bewahren.

Die angelaufene, einen warmen Schweiß ausdünstende Ader gab Anlass zu verschiedenen Meinungen. Der Generalvikar entschließt sich, die Sache durch einen Aderlass zu entscheiden. Lassen wir ihm eine Ader schlagen, spricht er. Da muss es sich zeigen, ob das Blut noch durch die Adern rinnt. Da werden wir ein neues Wunderwerk sehen. Der Bischof willigt ein. Jetzt kommt der Generalvikar, welcher den Leibarzt Angelus Gambardella und den Wundarzt D’ippolyto mit sich bringt, in den Konvent zurück. Viele Kleriker und auch sonst angesehene Personen begleiten sie zu dem Toten. D’ippolyto bereitet den Aderlass vor. Der Generalvikar redet den Toten an, er möge den Arm selbst hergeben. Ich weiß, fährt er fort, wie gehorsam Bonaventura im Leben war. Er wird seinem Oberen auch nach dem Tode folgen. Befehlen Sie, P. Guardian! Jetzt gab dieser den Befehl. Kaum hat er das Wort Gehorsam ausgesprochen, so richtet sich Bonaventura auf. Er streckt den Arm so schnell aus, dass der Generalvikar zurückschauerte. Der Wundarzt ergreift den Arm. Er legt diesem die Binden an. Er verfährt wie bei einem Gesunden. Alle Anwesenden beben vor Schrecken. D’ippolyto öffnet die Ader mit seinem Eisen. Es springt das rauchende schönste Blut aus der Öffnung. Es werden mehrere Unzen aufgefangen, welche danach unter die Verehrer des Seligen aufgeteilt worden sind. Die verdatterten Zuschauer erholten sich und sangen die ganze Nacht hindurch das Lob Gottes um die verherrlichte Leiche Seines Dieners.

 

XVII. Kapitel

Fortsetzung des vorigen und das Begräbnis

 

Der dritte Tag brach an, und der Körper war noch nicht zu Grabe getragen. Der Zulauf, das Gedränge, das Geschrei des Volkes hatte noch nicht nachgelassen. Es ist vielmehr durch die Verbreitung der Wunder noch größer geworden. Kommt, sagte einer dem anderen, wir wollen unseren Heiligen verehren, wir wollen Gnaden von ihm verlangen.

Mitten in diesem Geschrei drängt sich Joseph D’ippolyto mit seiner Frau Candida Kapezza durch den ungestümen Haufen. Die Ärmste hatte eine harte, veraltete Geschwulst im Gesicht. Erhebe dein Herz in dem lebhaftesten Glauben an Gott, sagte der Gemahl zu ihr, setze dein ganzes Vertrauen auf die Fürbitte Seines Dieners. Nimm seine Hand, erhebe sie zu deinem Angesicht, rühre deine Geschwulst mit dieser an. Kaum hat sie dieses getan, so verschwindet die Geschwulst, auch die Härte verschwindet, und es bleibt nicht die geringste Spur zurück.

Auf den Abend gedachte man, die Leiche zu beerdigen. Es war ein grober Sarg dazu bestimmt. Jedermann sagte, es gezieme sich so gar nicht, einen so teuren Schatz in einem so elenden Sarg zu bewahren. Es böte jemand einen Stein dazu an, aber er sei zum Tragen viel zu schwer. Als sie so reden, kommt der Bischof dazu, weitere Vorbereitungen zu treffen. Der Konventsobere macht sich diesen Augenblick zu Nutze. Er führt den Joseph D’ippolyto auf die Seite und bittet diesen, ihm eine Reliquie des Heiligen zu beschaffen. Er möge ihm ein Stückchen Fleisch abschneiden. Der gute Mann erschrickt über dieses Ansinnen. Er kann sich nicht entschließen, den Leib, welcher im Leben gleichsam eine Wunde war, nach dem Tod noch eine Wunde zuzufügen. Aber der Guardian lässt nicht nach. Der Wundarzt geht endlich und schneidet auf der linken Seite der Brust ein Stückchen Fleisch ab. Die Wunde zerfließt vom Blut. Das abgeschnittene Fleisch blieb bis über den vierten Monat unversehrt. Als nach 25 Jahren der Leib auf eine feierliche Art besichtigt wurde, so triefte jene Wunde noch vom frischen Blut.

Unterdessen wurde der Grabstein herbeigebracht, um den Seligen auf der linken Seite des Altars des hl. Antonius zu begraben. Alles war in seiner Ordnung. Als man die Leiche bei dem Altar, auf welchen das Heiligste Sakrament aufbewahrt wurde, vorbei trug, da erhebt sich der Tote, seine Augen funkeln, er neigt das Haupt, als wollte er das Allerheiligste anbeten, und zwar so, dass es schien, Bonaventura wolle wieder anfangen zu leben. Alle Anwesenden zerschmolzen vor Zärtlichkeit, überzeugt von der möglichsten Hochschätzung, welche der Selige im Leben gegen den unter Brotsgestalten verborgenen Gott gehabt hat, den er auch nach dem Tod noch verehrt. Jetzt begleiten sie die Leiche mit brennenden Fackeln und frohlocken über die Güte Gottes, welche sich so reichlich an Seinem Diener gezeigt hat.

 

Zweiter Teil

Des Lebens des Seligen Bonaventura von Potenza

 

I. Kapitel

Seine Liebe zu Gott

 

Die reizendsten Schönheiten dieser Welt sind nichts als ein kleiner Strahl jener unerschaffenen Schönheit. Das vorzüglichste Gut, welches an den Geschöpfen gefunden wird, ist nur ein Tröpfchen von dem unermesslichen Meer der Güte Gottes. Wer Gott, dieses höchste Wesen, welches alle Vollkommenheiten in Sich birgt, einmal erkennt, der wird sich wie ein Adler empor schwingen. Er wird alles Irdische, Vergängliche verlassen und sich jener ewigen Sonne nahen, wo er seine Hütte aufschlagen, wo er eine ewige Ruhe finden kann. So hat es Bonaventura, der Diener Gottes, gemacht. Bei dem ersten Licht der Vernunft suchte er Gott auf, fand Ihn unendlich liebenswürdig und sehnte sich einzig nach Seiner unendlichen Schönheit. Von nur Gott dachte sein junges Herz, Gott stammelte sein Mund, zu Gott richtete er alle seine Handlungen, nach Gott gingen alle seine Begierden. Er hatte kein Herz, kein Gemüt, keine Kräfte, als nur allein Gott zu lieben. Die Gütigkeit, die Liebe Gottes war unter anderen Vollkommenheiten des höchsten Wesens der liebste Gegenstand, über welchen Bonaventura seine Betrachtungen anstellte. Er wünschte nichts inbrünstiger, als dass alle Menschen von der Liebe Gottes brannten. O, pflegte er zu sagen, wüssten die Menschen, wie aufrichtig, wie kräftig, wie zärtlich sie von Gott geliebt werden, wie Er Sich ihnen als nachgebender Vater zeigt, wenn sie auch an Ihm den strengsten Richter verdienen, so würden sie alle Gott lieben. Sie würden Ihn lieben, wie Er verdient, geliebt zu werden, aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, mit allen Kräften. Die Liebe würde sie außer sich selbst bringen, um Gott allein anzuhangen und Ihm eigen zu sein.

Man weiß schon, was die Liebe Gottes bei den Dienern Gottes vermag. Dem hl. Philipp Neri hat sie einige Rippen an der Brust zersprengt. Bonaventura brannte von dieser Liebe, dass er am ganzen Leib in Schweiß zerfloss. Es dünsteten Flammen von seinem Gesicht aus, und er rief laut: Lasst uns doch Gott lieben, Lasst uns Gott dienen. Gibt es denn eine größere Freude, als Gott zu lieben? Kann es eine größere Ehre, eine höhere Glückseligkeit geben, als Gott zu dienen? Dienen wir Ihm mit den Engeln, lieben wir Ihn wie Kinder! Diese Liebe zu Gott erweckte in seinem Herzen den äußersten Hass gegen die Sünde. Himmel und Erde, sagte er, sollen eher zu Grunde gehen, als dass Gott beleidigt wird. Wer ihn traurig, niedergeschlagen im Kummer gänzlich vertieft gesehen hat, musste ihm nur sagen, Gott sei von einer Seele durch die Übertretung Seines Gesetzes beleidigt worden. Ach, jammerte er, wie ist es doch möglich gewesen, Gott zu beleidigen? Was hat Er doch dem Menschen Leids getan? Wie hat der Erdenwurm sich erfrecht, die höchste Majestät zu misshandeln? Weinend sagte er dieses.

Als sich der eine und der andere vergessen hat und den Herrn vor dem Angesicht Seines Dieners beleidigte, so nahm sich der Diener Seines Herrn mit allem Eifer an. Bonaventura war der sanftmütige, leutselige, freundliche Bonaventura nicht mehr. Er brannte vielmehr vom Eifer. Er achtet weder Würde noch Personen, weil er nur mit Johannes dem Täufer auf die Ehre Gottes sieht. Er fährt die Beleidiger desselben mit den bittersten Ausdrücken an, seine Augen strahlen. Er kennt in dergleichen Umständen kein Mitleid. Er bringt die Feinde des Herrn zum Verstummen. Er zwingt sie, auf der Stelle Gott um Verzeihung zu bitten und ihre Bosheit zu bereuen.

Seine Seele war allzeit bei Gott. Mit Gott hat sie sich beschäftigt, mit Ihm hat sie sich unterredet, an Ihm hat sie sich einzig erfreut, Ihm wollte sie allein gefallen. An den Festtagen des Herrn wuchs seine Andacht,. Seine Inbrunst nahm mit den Feierlichkeiten zu.

Durch die Andacht zum Heiligsten Altarssakrament hat er sich besonders hervorgetan. Er betrachtete an Ihm das Übermaß der Liebe, mit welcher Jesus, der die Seinigen bis an das Ende geliebt hat, dieses Heiligste Abendmahl eingesetzt hat. Er betrachtete unter den Gestalten des Brotes Seine unendliche Weisheit, die an nichts als an Wohltaten denkt. Jene unendliche Macht, die nichts als Wohltaten wirkt. Jene unendliche Herrlichkeit, die ihre Größe durch nichts als durch Wohltaten zeigt, und das bis zum Ende der Welt. Es ist kein Tag, es ist keine Nacht vergangen, wo nicht dieser Samuel einige Stunden vor dem Heiligtum gewacht hätte. War er vor dem Tabernakel nicht gänzlich entzückt, so schmachtete er doch in süßen Liebesohnmachten. In Ravello hatte er sich sozusagen eine Hütte an dem Tabernakel angebaut, da seine Zelle ein Fenster in die Kirche hatte. Da wohnte er unter den feurigsten Anmutungen dem großen Opfer bei. Da drückte er die Pfeile seiner Liebe gegen den göttlichen Bräutigam ohne Unterlass ab und konnte sein Herz durch den Schwall der Seufzer nicht sättigen, von welchen öfters die Kirche ertönte. Da weinte er und zerschmolz in Liebestränen. Hat er sich selbst den geheiligten Staffeln des Altars genähert, so öffnete sich der Himmel sozusagen über seinem Haupt. Er schickte einen besonderen Glanz über dieses herab, umstrahlte es mit seinen Lichtern, erhob den Diener Gottes von der Erde und füllte sein Herz mit allen Tröstungen, die Er nur immer seinem Liebling vorbehält.

Des bittersten Leidens und Sterbens Jesu Christi hat sich Bonaventura nicht ohne die äußerste Wehmut erinnert. Er konnte das durchstochene Haupt, die durchbohrten Hände und Füße, die geöffnete Seite, den ganzen verwundeten Leib seines Erlösers nicht sehen, ohne die Geisel zu ergreifen und vor einem Kreuz auch seinen Leib zu zerfleischen. Seine Augen hat er in den Betrachtungen über das Leiden Jesu ganz rot geweint. Es war nicht mehr nötig, als das Wort Passion, Leiden zu sprechen, um alle seine Geister in Bewegung zu bringen, sein Herz zärtlich zu machen und ihn in Entzückungen zu sehen. Dieses war der Zins, welchen er dem Herrn, der unsere Schuld am Kreuz getilgt hat, für Sein schmerzliches Leiden zahlte. Die drei ersten Tage der Karwoche hat er einem tiefen Stillschweigen, einem stillen Schmerz und heimlichen Wehklagen gewidmet. Am Gründdonnerstag, wo das hochwürdige Gut in eine Nebenkapelle zurückgesetzt wird, wachte er bis zum Karfreitag vor diesem, ohne Ruhe, ohne Schlaf, ohne Speise, wie unbeweglich.

Drei mit Asche bestreute Stückchen Brot waren die Wochen hindurch seine und seiner Brüder Nahrung. Am Karsamstag, an dem die Kirche den freudigen Gesang, des Herrn Alleluja, wieder hören lässt, war auch Bonaventura voll Freude. Sein ganzes Gemüt frohlockte dem Herrn.

Hörte oder las er die Geschichten jener Glaubenshelden, die aus Liebe Gottes das Leben ließen und den Glauben mit ihrem Blut unterzeichneten, so brach er auf einmal ab, geriet in Bewegung des Geistes, glühte im Angesicht und rief laut: Der Glaube – die Marter – die Blutzeugen!, und wurde von der Erde erhoben. Er pflegte öfters zu sagen, ein Christ müsse ein Märtyrer sein. Ein Christ müsse immer bereit sein, Leib und Leben, Gut und Blut für den Glauben zu lassen. Wenn er in Versuchung geriet, sich zu ergötzen und an sich selbst Gefallen zu finden, so stellte er sich einen Tyrannen vor, vor dem er seinen Glauben verteidigen musste. Er stellte sich vor, wie jetzt das Todesurteil über ihn gefällt wird. Er sah sich bald auf einem feurigen Rost liegen, bald im siedenden Öl kochen. Bald sah er sich an dem schmerzvollen Streckrahmen, bald an einem Kreuz hängen. Bei diesen Vorstellungen, dass er ein Schlachtopfer des Glaubens sei, frohlockte seine ganze Seele. Daher sagte er einst auf Ischia: Wie, wenn die Türken, die blutdürstigen Feinde der Christen, an dieser Insel landeten! Sei es, gaben ihm seine Mitbrüder zur Antwort, was würden sie denn machen, Bonaventura! O, fuhr er voll Freude fort, welche Gelegenheit, das Leben für Jesus zu lassen, Händen zu unterliegen, welche sich nur deshalb bewaffnen, damit sie Christen ermorden können.

Diese Liebe war so heftig, dass Bonaventura sogar mitten im Winter in Schweiß zerfloss. Er trug daher immer ein Tuch in den Händen, um den Schweiß abtrocknen zu können. Diese Liebe hat seine Augen bei jeder Gelegenheit in Tränen aufgelöst. Sie schwächte seinen Körper, sie entriss ihn sich selbst, sie erhob ihn von der Erde, um ihn seinem einzigen Gegenstand zu nähern. Die Liebe legte ihm jene vertrauensvollen Worte auf die Zunge: Was ist es anders, in den Himmel zu gehen, als ein einziger Flug? So sagte er, heftete seine Augen an das Vaterland der Seligen und fügte hinzu: O die unaussprechliche Barmherzigkeit Gottes!

Diese Liebe war eine starke Liebe, die Liebe des Apostels, welcher alle Marterinstrumente, Feuer und Schwert, aufforderte, seine Liebe zu prüfen. Bonaventura ging allen Hindernissen, allen Beschwerlichkeiten und Widerwärtigkeiten mit heiterem Angesicht entgegen. Er hatte in vielen Zeiten vieles zu leiden, vieles von der Welt, vieles von der Armut des Klosters, vieles von den Krankheiten, vieles von seinen Reisen. Die Liebe aber gab ihm Flügel, dass er sich über alle Anliegen erhob. Wer einen festen Glauben hat, sagte er, der wird von Gott alles erhalten, was er will, alles! War er mit Widerwärtigkeiten wie ein Felsen auf dem Meer mit Wellen umgeben, so wurde er eben so wenig durch die Trübsal, wie die Felsen von den Wellen erschüttert. Hoffen wir auf Gott, lauteten seine Worte. Wenn Gott für uns ist, wer wird gegen uns sein? Niemand hat auf Ihn gebaut und ist zu Schanden geworden. Aus diesem und aus dem ganzen Leben scheint die feurigste Liebe des Seligen. So ist es kein Wunder, wenn der Geliebte den Liebenden, Gott Seinen Diener mit den größten Gnaden und Gaben bereichert hat.

 

II. Kapitel

Seine Nächstenliebe

 

Seinen Nächsten lieben, weil er ein Geschöpf Gottes ist, welches die Weisheit entworfen, die Allmacht erschaffen und die Güte mit Gnaden überhäuft hat, - den Nächsten lieben, weil er ein Ebenbild Gottes ist, ein Ebenbild, in welchem die Vollkommenheiten Gottes wie in einem kurzen Begriff gesehen werden, - ihn lieben, weil er ein Gegenstand der Liebe Gottes ist, weil Gott in ihm wohnt und Sich an ihm erfreut, aus diesen Beweggründen den Nächsten lieben, heißt Gott selbst lieben. Auf solche Art hat Bonaventura Gott in seinem Nächsten geliebt. Er hat sich auf das Genaueste mit diesem verbunden, um sich auf das Engste mit Gott zu vereinigen. Sein ganzes Leben ist ein Beweis von dem Gesagten.

Es hatte den Anschein, als wäre das Gesetz, sich des Nächsten anzunehmen, nur für ihn allein gegeben worden. So war ihm sowohl das geistliche als auch das zeitliche Heil des Mitmenschen angelegen. Wegen des Nächsten wachte sein Herz, seinetwegen redete sein Mund, seinetwegen hat er die Hände zum Himmel erhoben, seinetwegen hat er die beschwerlichsten Reisen unternommen, keine Mühe gescheut, den Leib erschöpft, und gern hätte er für seinen Mitmenschen das Leben selbst gelassen. Er sprang allen gleich bei, er machte keinen Unterschied unter den Personen, wohl aber unter den Nöten. Die Heiligung der Seelen war seine erste Sorge bei jeder Gelegenheit. Diese Liebe stärkte ihn auf den mühseligsten Reisen. Sie ermunterte ihn bei den Gefahren des stürmenden Meeres. Sie hielt ihn aufrecht auf den Wegen. Sie tröstete ihn in den Widerwärtigkeiten und Unbilden. Sie nahm ihm sozusagen alles Menschliche und machte ihn unempfindlich gegen alle Beleidigungen. Sie versüßte ihm den Mangel am Nötigsten, verschaffte ihm einen so herrlichen Sieg, dass sie selbst seine Ruhe, seine Nahrung geworden, wie er selbst mit dem Apostel allen alles geworden ist.

An den Festtagen versammelte Bonaventura die Kinder um sich, wie eine Glucke ihre Junge sammelt. Er wurde zu einem Kind, um die Kinder zu guten Christen zu machen. Die Geduld, welche bei Unterweisung des ersten Alters so notwendig ist, verließ ihn niemals. Er brannte vielmehr von Liebe gegen die Kinder. Er entzündete ihre jungen Herzen mit dem Feuer der Liebe Gottes, flößte ihnen einen kräftigen Abscheu vor der Sünde ein und erweckte in ihren Herzen die stärkste Begierde zur Tugend. Glückliche Kinder, die einen solchen Seeleneiferer zum Lehrmeister hatten! Den Erwachsenen predigte er mit solchem Geist, dass sie der Kraft seiner Worte nicht widerstehen konnten. Er mochte nun öffentlich oder im kleinen Kreis reden, so war kein Herz so verstockt, welches er nicht erweicht hätte. Auch die Verwegensten ergaben sich den Tugenden des Geistes, in welchem sie Bonaventura reden hörten. Alle Zuhörer insgesamt wurden von der Ehrerbietigkeit, Hochachtung und Bewunderung Gottes durchdrungen, von Freude entzückt, vom Verlangen entzündet, vor Mitleid zerschmolzen und vom Schrecken erschüttert. Die Waffen aber, mit welchen er die Sünder überwunden, ihre Herzen besiegt hat, waren keine anderen als jene, von welchen der Apostel spricht: nämlich die Liebe, die Sanftmut, die Zärtlichkeit des Herzens, die Freundlichkeit der Stimme. Diese machten den Charakter des Seligen aus, bildeten ihn zum vollkommenen Menschenfreund, gewannen ihm die Gemüter, durch welche er die Seelen, diese unschätzbaren Perlen, dem Herrn gewann.

Sein Beichtstuhl war nicht anders als ein Schlachtfeld anzusehen, wo er einen Sieg um den anderen erhielt. Da arbeitete er mit einer himmlischen Salbung und vermischte seine mütterliche Güte mit einer väterlichen Strenge, goss Wein und Öl in die Wunden, verwundete selbst und heilte wieder, durchdrang alle Seelen mit dem Schwert des Wortes Gottes und hatte an seiner Liebe gleichsam einen Magnet, durch welchen er auch eiserne Herzen an sich zog und sie den ausgespannten Armen des Erlösers zurückgab. War es nötig, so verstand er auch die Kunst, seiner Sanftmut eine Ernsthaftigkeit zu geben. So hat sich seinem Oberen, wie einst Paulus dem Petrus, widersetzt, welcher sich in dem, was unsere erste Sorge sein sollte, in der Feier des Gottesdienstes etwas nachlässig zeigte. Niemals aber ist sein Eifer heftiger entbrannt, wie uns die Prozessakten erzählen, als wann er jemanden fluchen hörte. Er suchte diesen auf, er fiel ihn mit den heftigsten Verweisen an, er brachte ihn zum Zittern und ließ nicht nach, bis er auf den Knien Abbitte leistete.

Die Liebe, schreibt Paulus an die Korinther, die Liebe ist gelassen, freundlich, höflich und wohltätig. Die Liebe ist geduldig, sie ist gütig. Sie legt alles auf das Beste aus. Sie entschuldigt alles, sie verteidigt alles, sie fällt über niemanden ein arges Urteil. Sie denkt nichts Böses. Sie erträgt fremde Mängel und hat Mitleid damit. Sie leidet die Ungemächlichkeiten, welche man ihr verursacht, ohne darüber zu klagen. Sie äußert nicht einmal mitten unter den Beschimpfungen eine Ahndung. Sie erträgt alles. So war die Liebe des Seligen Bonaventura beschaffen. Unbilden, Beleidigungen, die bittersten Verfolgungen selbst, nichts konnte seine Seele in Unordnung bringen. Er betrachtete seine Feinde als Menschen, in welchen Gott wohnt, und er liebte sie. Freilich kam es ihm zu Zeiten schwer an, sich zu überwinden. Er gestand nach dem Bericht seiner Prozessakte seinen Beichtvätern, dass er in dergleichen Gelegenheiten mit aller Gewalt zu kämpfen habe, dass ihm die Adern anschwellen, dass ihm das Blut in Wallung gerate. Aber er schweige und zwinge sich, keine Antwort zu sagen, um sich auf diese Art zu besiegen. Ein junger Mensch raste vor Zorn gegen den Diener Gottes. Er hatte durch seine Zusprüche diesem ungehaltenen Sichem seine Dina aus den Händen gewunden, um sie durch ihre ernsthafte Reue ihrer Fehltritte gegen alle Nachstellungen ihres Verführers bewaffnet. Dieser sucht seinen vermeintlichen Feind, den Bonaventura, auf. Er fällt ihn mit den entsetzlichsten Schmähungen an. Ferner droht er ihm. Was tut Bonaventura? Er wirft sich auf die Knie. Er hört geduldig alle Schmähungen an. Nachdem sein Beleidiger seine Raserei beendet hat, sagt er mit aller Sanftmut die wenigen Worte zu ihm: Was habe ich dir Leids getan? Der junge Bösewicht wollte schon weiter gehen, von den Worten zu den Schlägen kommen. Aber durch eine solche Sanftmut beschämt hält er ein und geht fort, obwohl mit der Lästerung im Mund.

Als er noch auf Ischia wohnte, hat ein Missetäter, welchen man wegen seines Verbrechens des Todes würdig hielt, sich in den Konvent geflüchtet. Frech beschuldigte er den armen Bonaventura eines Kirchenraubes. Du, sagt er zu dem Seligen, du Schauspieler, du bist der Dieb, welcher die Borden vom Altar gestohlen hat. Du bist der Mann des Todes! Wen würde wohl solche Beschuldigung nicht aufbringen? Nur ein Bonaventura konnte gelassen bleiben. Dieser sanftmütige, liebe Mann schwieg nicht nur zu der schrecklichen Beschuldigung, er trug diese nicht nur mit Geduld, sondern übergab seinem Beleidiger auch sein bisschen Essen und Trinken und verspricht ihm, solches so lang zu tun, wie er im Konvent bleiben würde. Welche Liebe?

Bonaventura, dieser rechtschaffene Arbeiter im Weingarten des Herrn, suchte diese Tugend auch in die Herzen seiner geistlichen Kinder zu pflanzen. Einst kam M. Angela vom Kreuz zum Beichten. Bonaventura fragte sie, was sie machen würde, wenn sie derbe Schläge auszuhalten hätte? Die fromme Schülerin verstand ihren prophetischen Lehrmeister nicht und sagte zu ihm: Wer wird mich schon schlagen, wenn ich mich hüte, jemanden zu beleidigen? Wenn es aber Gott zulässt, was wirst du tun? Ich würde es mit Geduld von Seiner Hand annehmen, gab sie zur Antwort. Nach zwei Tagen hat sie erfahren, dass ihr geistlicher Vater sie das nicht ohne Grund gefragt hat. Sie fiel von ungefähr einem Bösewicht in die Hände, der ihr die Faust so hart gezeigt, dass sie die Streiche am vierten Tag noch fühlte. Auf eine gleiche Weise hat Bonaventura die Laura von Montesusco zu Geduld und Leiden erzogen.

So sorgfältig nahm sich der Selige um das Heil der Seelen an, für welche Jesus Sein Blut bis auf den letzten Tropfen vergossen hat. Aber auch die Leiber der Menschen, diese Meisterstücke des göttlichen Baumeisters, verdienten seine Wachsamkeit. Er suchte die Kranken auf, verschaffte ihnen die notwendige Pflege, schleppte selbst den Unterhalt bei, sorgte für Arzt und für Arzneien. Es war ihm niemals der Ort zu entlegen, niemals das Wetter zu ungestüm, niemals der Weg zu wild, die Stunde zu unbequem. Er sah nicht auf seine eigenen Schwachheiten. Nur auf die Mittel, dem Nächsten zu helfen, war sein ganzes Herz bedacht. Diese Liebe war mit einer außerordentlichen Demut verbunden. Bonaventura lässt sich zu den geringsten Diensten herab. Er betätigt sich selbst als Krankenpfleger. Er reinigt das Geschirr. Er löst die Binden auf und verbindet die Wunden wieder, nachdem er sie gesäubert hat, ja er küsst die von stinkendem Eiter triefenden Wunden. Capri, Ischia, Neapel, Amalsi, Atrani, Scala, Ravello, diese Orte können uns sagen, mit welchem Eifer sich der Selige dem Dienst der Kranken ergeben hat. Selbst sein Leben hat er der Gefahr ausgesetzt, um das Leben seiner Mitmenschen zu bewahren.

Als er auf Ischia wohnte, vernahm er, dass ein armer Mann durch einen Schlaganfall umgesunken war. Bonaventura eilt mit der ihm gewöhnlichen Geschwindigkeit an den Ort. Er findet den Unglücklichen, er ruft ihm als einem Halbtoten zu, er legt sich auf ihn hin, Angesicht auf Angesicht, Hände auf Hände, Brust auf Brust. Er versucht, ihm den Atem einzuhauchen. Da er nichts ausrichtet, besinnt er sich nicht lange. Er lädt seinen toten Bruder wie Tobias auf die Schulter. Er eilt mit diesen in das nächste Gasthaus, ruft andere herbei und tut alles, was ihm die Liebe eingibt.

Eine solche Liebe hat der liebe Gott mit einer besonderen Gnade, mit der Gabe der Gesundmachung belohnt. Die Prozessakten erzählen viele Heilungen der Kranken, welche Bonaventura durch sein Gebet, durch Auflegung seiner Hände, durch die Berührung mit seinem Gürtel, durch das Öl aus der Ampel des hl. Antonius zuwege gebracht hat. Joseph Manso von Ravello lag in einem Zustand nieder, bei welchem er durch Erhärtung der Nerven eine vollkommene Lähmung erlitten hatte. Schon konnte er sich nicht mehr regen. Mit höchster Not kommt er mit Hilfe seines Sohnes an zwei Krücken in den Konvent. Kaum erblickt ihn Bonaventura, so sagt er ihm, er werde sich zurückziehen. Darauf begibt er sich in seine Zelle. Der Wundarzt Joseph D’ippolyto kam von ungefähr dazu und wurde begierig zu sehen, was hier geschehen werde. Er hielt sich verborgen, um den Diener Gottes durch seine Gegenwart nicht scheu zu machen. Bonaventura kommt bald zurück. Er sagt zu dem Elenden: Mein lieber Joseph, wie geht es dir? Seufzer aus dem Innersten des Herzens, Worte, die der Schmerz verschlungen hat, waren die Antwort. Ach, ächzte er endlich, mein Vater, ich bin so gut als tot. Sei wohl auf, spricht ihm der Selige zu, bei Gott ist ja alles möglich. Der Allmächtige kann dir helfen. Hast du ein starkes Vertrauen auf Ihn? Glaubst du? Ich glaube, sagt der arme Tropf. Nun dann, fährt Bonaventura fort, so knie nieder. Er hilft ihm, er hält ihn mit der Hand, während er niederkniet. Er bereitet ihn zur Erweckung eines lebhaften Glaubens vor, sagt ihm die heiligsten Anmutungen vor, lässt ihn nachsprechen, befiehlt ihm, das Apostolische Glaubensbekenntnis und endlich das Gebet des Herrn, das Vater unser zu beten. In dieser Stellung lässt auf einmal Joseph ein großes Geschrei los. Er springt mit neuen Kräften ausgestattet auf. Trunken von Trost sagt er: O mein Vater, was ist dieses? Du hast mich geheilt. Ich bin nicht mehr ich! Mit gelassener Stimme antwortet ihm der Heilige: Der dich geheilt hat, Sohn, ist der Herr, die Barmherzigkeit des Herrn, die Allmacht Gottes. Sei du dankbar und schweige. Danach hat sich der Selige Gottes in seine Zelle eingesperrt. Den ganzen Tag hat er sich nicht mehr sehen lassen.

Joanna Cippolla lag zu Bett. Schwarzes Blut floss aus einem Auge und sie war augenscheinlichen in Gefahr, auch das andere zu verlieren. Bonaventura kommt zu ihr, muntert sie zur Geduld und Ergebung in den göttlichen Willen auf. Er sagt ihr, sie möge die Binde von den Augen hinweg nehmen. Unterdessen wirft er sich auf die Knie nieder, ruft den hl. Antonius in seinem Responsorium an. Er nimmt seinen Gürtel, macht mit dem Ende des Gürtels ein Kreuz über beide Augen, und in dem Augenblick sind beide Augen gesund und sind das ganze Leben hindurch gesund geblieben.

In den Prozessakten sind mehrere ähnliche wunderbare Heilungen zu lesen, durch welche Gott die Liebe des Heiligen gekrönt hat.

 

III. Kapitel

Seine Andacht zu Maria, der seligsten Jungfrau,
und sein beständiges Gebet.

 

Gleichwie derjenige, der nur die Person des Königs und nicht auch seine Hofherren ehrt, dem König kein Genüge leistet, so wird auch derjenige den ganzen Tribut der Liebe dem höchsten Gott nicht bezahlen, der nicht zugleich auf die Geschöpfe seine Augen richtet, welche mit Gott in enger Verbindung stehen. Diese Geschöpfe sind die Heiligen, diese besonderen Freunde, diese Kinder Gottes. Nach der hochheiligen Menschheit, welche das Wort Gottes angenommen hat, ist kein vornehmeres Geschöpf aus den Händen des Allmächtigen hervorgegangen als Maria, die Mutter Gottes. Gott allein steht über sie. Unter ihr steht alles, was nicht Gott ist, wie sich der Heilige Anselm, ihr besonderer Verehrer, ausdrückt.

Bonaventura hat sich von Kindsbeinen an dem Dienst Mariä hingegeben. Glückselige Kinder, die sich so bald dem Schutz einer solchen Mutter anvertrauen! Diese Andacht aber war bei Bonaventura keiner kindischen Unbeständigkeit unterworfen. Er hat vielmehr diese bis an das Ende seines Lebens fortgesetzt und in dem Dienst Mariä sein größtes Vergnügen gefunden. Die Vorabende der Festtage dieser großen Frau, die Samstage, welche besonders ihrer Ehre gewidmet sind, hat er bei Wasser und Brot zugebracht. Täglich hat er Maria durch die kleinen Tagzeiten und Litaneien verehrt. In allen Handlungen, besonders in wichtigen Unternehmungen, hat er die Himmelskönigin um ihren Beistand angefleht, zur Ehre ihrer mehr denn engelhaften Reinheit drei Mal den Engel des Herrn gebetet. Er konnte den Namen Mariä nicht nennen, er konnte von den Gaben, mit welchen sie von Gott zu dem größten Werk der Menschwerdung vorbereitet worden ist, nicht reden, ohne im Angesicht zu glänzen.

Besonders hat Bonaventura die Seligste Jungfrau in Hinsicht auf ihre Unbefleckte Empfängnis verehrt. Diese Andacht, welche dem Franziskanerorden gleichsam eigen ist und in diesem Orden eine Erbandacht genannt werden kann, beseelte sein ganzes Herz. Maria ist ohne Makel, sie ist ganz schön, sie ist ganz rein. Dergleichen Lobsprüche sprach er mit einer Art aus, dass man sah, sie kamen aus seinem Innersten. Er hörte nicht auf, jenen Augenblick zu preisen, welcher Maria zu der Glückseligsten, Heiligsten und Schönsten aller Geschöpfe gemacht hat, der sie auf die erhabenste Weise zu allen Vortrefflichkeiten bereitet hat, mit denen sie einmal erfüllt werden sollte, der ihr von Anfang an die Gunst des Himmels zugezogen hat, dass sie der Himmlische Vater für Seine vielgeliebte Tochter, das Ewige Wort als Seine Mutter und der Heiligen Geist als Seine Braut ansah. Für jenen unvergleichlichen Augenblick hatte der Selige die trefflichsten Ausdrücke, die erhabensten Lobsprüche. Wäre ich nur ein anderer Scotus!, pflegte er zu sagen. O dass ich nur eine Gelegenheit hätte, Maria, die Unbefleckt Empfangene, gegen ihre Feinde zu verteidigen!

Auf Ischia hat er sich mit anderen Geistlichen in ein Gespräch über die Bedeutung der Himmelskönigin eingelassen. Vom Eifer entflammt, fortgerissen vom Trieb seiner Andacht, ruft er aus: Maria ist unbegreiflich schön aus den Händen Gottes gekommen. Der Mächtige hat an ihr getan, was Er gekonnt hat. Er sparte an dem Tempel, welchen Er selbst bewohnen wollte, nicht das Mindeste. Es fragte ihn einer, wie er seine Aussage erproben wolle. Mit meinem Hals, gab er zur Antwort, und streckte diesen wie zum Schwertstreich hin. Alle staunten über den Eifer des Seligen. Es ist aber nicht verwunderlich, dass er sich so sehr der Ehre Mariä angenommen hat. Er zeigte sich wie ein Kind. Maria hat sich aber auch allzeit als eine Mutter gegen ihn gezeigt. Er rief sie in allen Nöten an, und sie hat ihm aus allen Nöten geholfen. Er flehte zu ihr in den Versuchungen, und durch ihre Fürbitte hat er diese überwunden. Er nannte in den größten Schmerzen den Namen Mariä, und sein Gemüt wurde aufgeheitert. Er hat Maria, diese Königin, allzeit auf der Seite ihres Sohnes stehend gefunden, bereit, denen beizuspringen, von welchen sie angerufen wird.

War die Andacht des Seligen groß zur göttlichen Mutter, so war sie noch größer zum Göttlichen Kind. Bald stellte sich Bonaventura das Jesuskind in der Krippe zu Bethlehem vor, bald auf den Armen Mariä. Bald fühlte er eine heilige Eifersucht, da er dieses Kind in den Armen seines heiligen Mitbruders von Padua erblickte.

Nach diesen Andachten zu Jesus und Maria teilte er seine übrige Andacht, wenn man so reden darf, nach dem Rang der Heiligen. Aber diese seine Andacht zu den Heiligen war keine trockene Andacht, welche nur in Worten, in einigen Gebeten besteht. Bonaventura trat in die Fußstapfen der Heiligen. Er ahmte ihre Tugenden nach. Er sah sie als ein Vorbild an, welches die Liebe Gottes zum Besten der schwachen Menschen herausgestellt hatte, damit sie den Knechten nacheiferten, wenn ihnen das Beispiel des Herrn, des göttlichen Lehrmeisters, über ihr Vermögen erschien. Besonders hat Bonaventura seinen heiligen Vater Franziskus verehrt. Er brachte einen guten Teil der Nacht bei seinem Altar zu, hält zu seiner Ehre die strengsten Fasten und wird entzückt, wenn er nur ein Wort von seinem Grab in Assisi hört.

Bonaventura war nicht nur ein großer Verehrer des großen Wundertäters von Padua, des hl. Antonius, sondern er suchte auch eine gleiche Andacht zu diesem Heiligen in anderen Herzen zu erwecken und brachte es so weit, dass man von ihm sagte: Bonaventura könne von dem hl. Antonius haben, was er wolle. Wer ein Anliegen hatte, kam zu ihm und sprach ihn um sein Gebet zum hl. Antonius an.

Durch diese verschiedenen Andachten, mit welchen er niemals ausgesetzt hat, ist das Leben des Seligen eine immerwährende Andacht geworden, und er erfüllte den Befehl des Herrn: Betet ohne Unterlass. Bald lag er in der Zelle auf den Knien, bald streckte er sich auf die Erde hin und goss die Seufzer seiner inbrünstigen Seele aus. Im Chor erbaute er alle Anwesenden durch seine Eingezogenheit. Ganze Nächte wachte er bei den Altären, zerschmolz da in Tränen und erhob sich von der Erde. Durch was anderes als durch sein immerwährendes Gebet hat er den Arm Gottes, welcher den Willen derjenigen tut, die Ihn fürchten, zu Seinen Wundern gewonnen?

 

IV. Kapitel

Seine unbefleckte Reinheit

 

Dieses ist der Wille Gottes, unsere Heiligkeit, spricht der Apostel. Damit er aber alle Zweifel auflöste, was er für eine Heiligkeit meine, ob er auf die Gerechtigkeit, auf die Liebe, auf die Demut oder sonst auf eine Tugend abziele, durch welche wir geheiligt werden können, so fährt er fort und nennt die Keuschheit. Dieses ist der Wille Gottes, eure Heiligkeit, damit ihr abstehet von aller Unreinheit, damit ein jeder wisse, seine Glieder in Heiligkeit und Ehre zu besitzen, nicht in der Leidenschaft des Verlangens, wie die Völker, welche von Gott nichts wissen. Der Apostel hat die Reinheit für nichts anderes als den kostbarsten Schatz angesehen. Wer aber diesen Schatz erhalten will, der muss wachen und streiten. Benediktus hat sich in den Dornen gewälzt, seinen Leib zerrissen, um diesen Schatz nicht zu verlieren. Franziskus vergrub sich aus gleichem Grund unter dem kältesten Schnee. Bernardus versenkte sich bis an den Hals in eiskaltes Wasser. Es stellen diesem Schatz nicht nur äußerliche Feinde nach, die innerlichen sind für ihn allzeit die gefährlichsten. Der selige Bonaventura wusste es wohl und setzte daher vor allem ein Misstrauen auf sich, rief mit dem hl. Augustinus zu Gott und sagte: Der Du Enthaltung befiehlst, gib mir, was Du befiehlst und befehle, was Du willst. Er wusste von dem weisen Mann, dass er ohne die Gnade des Herrn nicht keusch sein könne. Er bat daher demütig um diese Gnade.

Nach diesem demütigen Gebet zu Gott kasteite der Diener Gottes nach dem Beispiel des Völkerlehrers seinen Leib und suchte diesen der Botmäßigkeit des Geistes zu unterwerfen. Den Schlaf hat er durch die Wachsamkeit, den Fraß durch die Mäßigkeit, die Weichlichkeit durch die rauesten Arbeiten bekämpf. Man konnte von ihm sagen, was der hl. Hieronymus von dem hl. Hilarion schrieb: Er zürnte über sich selbst, zerschlug die Brust mit Fäusten, als wenn er die Gedanken durch die Streiche der Hand verjagen könnte. Ich will schon machen, sprach der zu seinem Leib, ich will schon machen, du unbändiges Tier, dass du nicht ausschlagen sollst. Ich will dir den Hafer entziehen und dich mit Hülsen ernähren. Ich will dich mit Hunger und Durst ausmergeln, und du wirst zahm werden.

Drei Jahre lang hat dem Bonaventura der Satan nachgestellt. Da gab es keinen Waffenstillstand. Der Streit dauerte immerfort. Das Fleisch focht den Geist an. Die Schwachheit reizte. Bonaventura befand sich auf einer Klippe, in Gefahr, jeden Augenblick hinabgestürzt zu werden. Die Gnade aber hat ihn erhalten. Er blieb eine unverletzte Lilie. Er hat sich mit den Dornen der Buße umzäunt, dass ihm die Feinde nicht nahe kommen konnten. Obschon er in anderen Dingen mit vielen Skrupeln geängstigt worden ist, so war er doch hier ganz ruhig. Wie er einem Vertrauten bekannte, so hat sich der Teufel zwar viel Mühe gegeben, aber nur Mücken gefangen.

Alle seine Worte hat er auf der Waagschale der Bescheidenheit abgewogen, um nur kein Wort zu reden, welches ein Engel aus Fleisch und Blut nicht reden dürfte. Die Augen, jene Fenster, durch welche der Tod bei so vielen hinein gestiegen ist, verschloss er sorgfältig. Er wollte keine sterblichen Schönheiten sehen, um zu der unsterblichen und unveränderlichen Schönheit des schönsten Gottes zu gelangen. Er mochte sich nicht einen Augenblick belustigen, um ewig zu brennen. Wie seine Prozessakten sagen, so war Bonaventura nicht nur keusch in seinen Augen, keusch in seinen Reden, sondern er hat durch seine Reinheit auch in anderen Herzen keusche Gedanken und heilige Begierden erweckt.

Gleich wie nun die Reinheit eine Gott höchst gefällige Tugend ist, von welcher Jesus selbst sagt: Selig sind, die eines reinen Herzens sind; denn sie werden Gott anschauen. Also fängt der Herr schon auf Erden an, diese Reinheit zu belohnen. Einige Seiner unbefleckten Diener hat Er mit der Gabe beschenkt, die reinen Tauben von den schwarzen Raben, die Unkeuschen von den Keuschen zu unterscheiden. Sie nahten sich nicht ohne Ekel dergleichen Sündenböcken. Nichts anderes als wenn ein unerträglicher Gestank von ihnen ausging, entfernten sie sich von jenen Plätzen. Einer von denen, welche diese Gnade von dem Liebhaber reiner Seelen, vom höchsten Gott empfangen haben, ist Bonaventura gewesen.

Das andere Geschlecht, in dessen Gegenwart die Begierlichkeit wie ein Feuer aufbrennt, hat der Selige auf alle Art und Weise geflohen, weil hier der Sieg nicht anders als durch die Flucht erhalten werden kann. Samson, schreibt der hl. Hieronymus, war stärker als ein Löwe, härter als ein Felsen. Dieser Mann, der allein tausend Bewaffnete verfolgt hat, erweichte in den Armen einer Dalila. David, jener Mann nach dem Herzen Gottes, sah die Bethsabea in einem Bad, und brannte. Salomon, der weise Salomon ist von dem Herrn abgewichen, sobald er ein Liebhaber der Frauen geworden ist. Bonaventura wollte daher fliehen, um sich durch die Absonderung von dem anderen Geschlecht den Streit leichter und den Sieg gewisser zu machen. Nachdem er sich aber auf die Leitung der Seelen verlegt hat und gleichsam gezwungen worden ist, sich jenes Geschlechtes anzunehmen, welches das andächtige genannt wird, so verdoppelte er seine Wachsamkeit, seine Strenge, und tötete sozusagen seinen Leib, um wie ein Geist ohne Anfechtung erscheinen zu dürfen. M. Angela, welche zwölf Jahre hindurch seine geistliche Tochter war, gibt ihm das Zeugnis, dass, obschon sie vielmals zu ihm gekommen ist und viel wegen der Besorgung der Kranken und der Armen mit ihm zu tun hatte, sie doch niemals eine menschliche Schwachheit an ihm entdeckt habe. Sie habe sich vielmehr eingebildet, mit einem Engel aus dem Himmel zu reden.

Welches Wunder ist es also, wenn diese Lilie, die niemals von einer bösen Lust angehaucht worden ist, die immer rein, unbefleckt blieb, den angenehmsten Geruch aushauchte. Der Wundarzt, welcher die Wunden des Seligen verband, legt davon mit den zärtlichsten Worten Zeugnis ab. Einen solchen Geruch, sagt er, hat die Erde nicht. Er kann mit keinem irdischen verglichen werden. Das nämlich bekennt die Schwester M. Angela, welche glaubte, in das Paradies versetzt zu sein, als sie die Luft um den Seligen mit einem solchen Geruch vermischt fand. Sie beichtete einst, und auf einmal brach sie die Beichte ab. Bonaventura fragte sie, was sie treibe, warum sie auf ein Mal abbreche. Ich weiß, hat sie geantwortet, dass Sie keine riechenden Wasser bei sich führen, und doch merke ich einen Geruch, der mich außer mich selbst bringt, der mich in die Gegenden des Paradieses versetzt. Bonaventura aber sagte: Der gute Geruch, von dem du redest, ist ein Gestank. Weißt du denn nicht, dass mein Körper schon in die Verwesung geht, fault und die Luft mit Gestank ansteckt? So redete der Demütige, da unterdessen nicht nur sein Leib den angenehmsten Duft von sich gab, sondern auch seine Kleider und, was er immer berührte, nach dieser Lilie roch, besonders der Kelch, dessen er sich bei der Heiligen Messe bedient hat. Er ward dem kostbaren Balsamgeschirr gleich gehalten. Dieses war das Zeugnis des Himmels, welches er der Reinheit des Dieners Gottes abgelegt hat. Der unvergleichliche Geruch nach seinem Tod, die Unverwestheit seines Körpers, was sind sie anderes als lebendige Stimmen, welche seine engelhafte Reinheit bezeugen?

 

V. Kapitel

Von seinen Bußwerken und seiner Armut

 

Die Heiligkeit besteht in dem Sieg, welchen der Mensch durch die göttlichen Beispiele über sich selbst erkämpft. Dieser Sieg aber kostet viel Mühe, viel Kampf. Unser Seliger hat sich in diesem Krieg besonders hervorgetan. Er hat sich selbst als seinen ärgsten Feind angesehen, sich bekämpft und glücklich überwunden. Er war noch ein Kind, und schon ein Feind des alten Adams, der in den Neigungen aufwachte. Er fing an, diesen durch Bußwerke zu bezähmen. Wie sein Körper zunahm, so nahmen auch die Peinzeuge und Bußzeuge zu. Nichts konnte ihn von diesen abhalten. Mäßigen konnten diese gefährliche Krankheiten, welche ihn ohnehin genug quälten, oder der Befehl der Oberen oder das eigene Gewissen oder der Kampf selbst, weil er minder gefährlich war. Wir wissen, welchen und wie vielen leiblichen Schwachheiten der Diener Gottes unterworfen gewesen war, kaum dass sein Körper lebte, und er hasste diesen noch. Die grimmigsten Schmerzen durchtobten sein Knie, und er schonte dieses nicht. Seine Lenden sind durchfressen, seine Brust erschöpft, und er rennt mit apostolischem Eifer den Seelen nach. Hat er die Last des Tages getragen, so ist es nicht genug, sich vor Gott einen unnützen Knecht zu nennen. Er züchtigt sich als einen solchen mit blutiger Geisel. Diese Verbitterung gegen sich selbst war ihm nicht genug. Er entzog sich auch dasjenige, was ihm notwendig war.

Der Gebrauch des Ciliciums ist in der göttlichen Schrift sehr bekannt. Judit trug eines auf den Lenden. Wenn die Feinde dem David beschwerlich waren, so legte er ein Cilicium an. Wenn die Pest in sein Land einreißt, so tut er das gleiche. Als Joram von einer Mutter hört, dass sie im Hunger ihr Kind umgebracht, gekocht und gegessen habe, so zerreißt er seine Kleider, und das ganze Volk sah das Cilicium, welches er auf dem Fleisch trug. So war es immer der heilsame Gebrauch bei den Israeliten, sich durch Anlegen des Ciliciums vor dem Angesicht des Herrn zu verdemütigen. Bonaventura trug ein Cilicium auf seinen Lenden, auf seiner Brust eine stachlige Tierhaut, auf dem ganzen Leib nichts als raues Zeug. Alle seine Glieder waren in Cilicium eingewickelt, schier wie der Leib des hl. Johannes des Täufers, der sich einer Kamelhaut statt des Rocks bedient hat.

Das Abbrechen des Schlafes ist ein Bußwerk, welches den Dienern Gottes in den ersten Zeiten sehr bekannt war, und auch in den letzteren noch hat es Heilige gegeben, welche sich in diesem Bußwerk geübt haben. Der hl. Petrus von Alkantera bediente sich einer Zeit von anderthalb Stunden zum Schlaf, und dieses 40 Jahre lang, wie uns die Bulle seiner Heiligsprechung erzählt. Der hl. Karl von Borromäo wachte eine längere Zeit der Nacht, als er schlief. Doch verlängerte er hernach die Nachtruhe, weil er sah, dass er tagsüber bei seinen öffentlichen Tätigkeiten vom Schlaf überfallen wurde. Bonaventura ahmte in diesem Stück den Heiligen nach und gönnte seinem Leib auf seinen harten Brettern keine längere Zeit als zwei Stunden zur Nachtruhe. Bei diesem Bußwerk muss die Bescheidenheit besonders herrschen, damit man nicht mit einem Raub, wie sich der heilige Hieronymus ausdrückt, Gott ein Opfer macht, indem man seine Gesundheit schwächt und das Leben abkürzt.

Durch Fasten kasteie ich meinen Leib, sagt der Apostel. Bonaventura eiferte ihm nach. Wir haben schon gehört, wie streng er im Fasten gegen sich war. Sein Gaumen kannte die menschlichen Speisen nicht, so wenig hat er sich dieser bedient, um sie zu genießen, weil er in der Tat nur gegessen hat, um zu leben.

Weil ihm bekannt war, dass ein jeder Mensch von seiner Begierlichkeit angefochten wird, dass diese wie eine Last in die Sünde hinabzieht, so wünschte der Diener Gottes, dass alle wie er ihr Fleisch kreuzigen und dieses durch den Geist der Abtötung der Herrschaft der Seele unterwerfen. Er predigte daher die Buße, die Werke der Buße. Er predigte diese mit einer so anziehenden Art, dass sich auch die zartesten Personen diesen mit Freuden unterwarfen. Er setzte den ganzen Menschen in Brand, ohne ein wildes Feuer daraus werden zu lassen, welches ohne Leitung um sich greift und sich in der Regel zuletzt bald genug in sich selbst verzehrt. Bonaventura bremste vielmehr jene, die anfangs zu hitzig mit sich selbst verfuhren. Er trieb aber auch andere an, welche zuviel Mitleid mit sich selbst hatten. Die Bescheidenheit legte ihm immer die Worte auf die Lippen.

Einst hatte der Selige seiner geistlichen Tochter M. Angela ein Bußwerk auferlegt, welches sie in der Nacht zum Trost der Armen Seelen verrichten sollte. Sie fühlte Widerwillen, und beinahe wäre sie der Versuchung, das Bußwerk zu unterlassen, unterlegen, als ihr der Selige erscheint, sie mit drohender Stimme anredet und zur Vollziehung der Buße aufmuntert. Ist dieses dein Gehorsam, dein Eifer, sagt er zu der Nachlässigen. Auf, überwinde und geißle dich. Sie besinnt sich nicht lang und vollzieht den Befehl. Es stiegen ihr hernach verschiedene Gedanken auf, ob es eine wahre Erscheinung oder ob es nur ein Traum gewesen sei. An dem ersten Morgen eilt sie zur Kirche. Der Beichtvater kommt ihr entgegen. Ehe sie ein Wort sagt, redet er sie mit der gleichen ernsthaften Stimme an, ob sie nicht wisse, dass die Armen Seelen an dem Montag eine Steuer von ihr verlangen? Warum hast du gezaudert und nicht gleich gehorcht? Jetzt legt sie ihren Zweifel ab und erkennt das Wunder. Beschämt verspricht sie, künftig besser zu gehorchen.

Gleichwie aber Bonaventura durch die Strenge der Abtötung die Begierlichkeit des Fleisches überwunden hat, so überwand er durch sie auch die Begierlichkeit der Augen. Er war arm, ganz arm, und schätzte sich als den Reichsten. Auch weil er der Begierde abgestorben war, konnte man ihn er für einen himmlischen Menschen ansehen. Gekleidet war er armselig, und seine Kleidung war mehr dazu gedacht, ihn zu quälen, als ihn zu bedecken, weil er sich durch die Kleidung der Sünde erinnerte, wegen der die Kleider eingeführt worden sind. Die Einrichtung seiner Zelle bestand aus einem ungeformten kleinen Tisch, einem hölzernen Kruzifixbild, einigen Papierbildchen und drei Brettern mit einem Sack, auf welchem ein alter Fetzen von einer Decke lag. Geschah es, dass er eine bessere Decke erhielt, so vertauschte er sie mit einem Kranken. Fand sich ein gutes Herz, welches Mitleid mit ihm hatte und schickten ihm gute Freunde Speise und etwas Kleidung, so konnte er nicht bewegt werden, dieses anzunehmen. Er hatte ein besondere Abscheu, von den Beichtkindern nur das Mindeste anzunehmen; denn er wollte ein freies Herz und eine freie Zunge haben. Das Geld war ihm immer zuwider. Wenn er ohne Begleiter reisen musste und ihn die Oberen zwangen, ein Reisegeld anzunehmen, so wurde er solange im Geiste geängstigt, bis er dieses entweder den Armen ausgeteilt oder in die Hände eines Oberen zurückgegeben hatte.

Einst sah ihn ein Geistlicher etwas zahlen, und er stellte sich, als ob er sich darüber ärgere. Was, sagte er, der Pater Bonaventura hat Geld? Der Diener Gottes erschrak darauf und zitterte, wie ein Mensch zittert, der bei einem großen Laster erwischt worden ist. Er antwortete zwar dem Geistlichen, sagte aber nicht, dass dieses ja erlaubt sei, sondern dass er von seinem Oberen die Erlaubnis dazu bekommen habe.

Ein anderes Mal hat er Geld von seinem Oberen empfangen, um dieses einem Handwerker einzuhändigen. Bonaventura wartet lang auf diesen. Da er aber nicht kommt, bringt er das Geld in seine Zelle. Er geht abends zu Tisch und denkt nicht mehr an das Geld. Es bleibt über Nacht in seiner Zelle liegen. Am Morgen erblickt er es und erschrickt. Die kurze Zeit, der geringe Wert des Geldes selbst und die Vergesslichkeit sagten ihn von aller Schuld los. Doch hatte er keine Ruhe, er geht und beichtet.

 

VI. Kapitel

Seine tiefe Demut

 

Gedenkst du, ein großes Gebäude der christlichen Vollkommenheit aufzurichten, so denke zuerst an das Fundament der Demut, so spricht der hl. Augustinus. Dort ist keine Tugend, sagt der hl. Chrysostomus, wo die Demut nicht ist. Wer durch diese einen rechten Grund gelegt hat, wird das Gebäude nach seinem Gefallen zur Höhe aufrichten können. Die Demut unterscheidet die Gerechten von den Sündern wie die Morgenröte den Tag von der Nacht. Wie die Sonne das Licht anderer Planeten, so ersetzt die Demut den Mangel an anderen Tugenden. Sie zeichnet den eigentlichen Charakter der Jünger Jesu aus, der gesagt hat: Ich bin sanftmütig und demütig von Herzen. Dem Demütigen ist die Gnade versprochen, in ihrem Schoß will der Geist des Herrn ruhen.

Unser Seliger hat sich durch die Demut in der Wahrheit den Namen eines Jüngers Jesu verdient. Sein ganzer Lebenslauf war nichts anderes als eine beständige Verleugnung und Herabsetzung seiner selbst. Ein Weltkind, ganz von der Eitelkeit betört, trachtet nicht mit solcher Begierde nach einer glänzenden Ehrenstelle, als sich Bonaventura vor aller Augen zu verbergen suchte. Wenn er auch seine Werke sehen lassen musste, so suchte er doch, seine Meinung verborgen zu halten. Er aß kein Fleisch oder nur selten und gab vor, dass er das Fleisch nicht vertragen könne. Er stand öfters hungrig vom Tisch auf und tat, als wenn er sich noch so satt gegessen hätte. Er schläft auf einem rauen Sack, öfters auf dem bloßen Boden. Durch heiligen Betrug schützt er sich gegen die Neugier. Aber er glückte ihm nicht immer, sich und seine Tugenden zu verbergen. Das Licht, welches ihn öfters umglänzte, der Geruch, welcher sich aus seinem verwundeten Leib in die Luft ergoss, die Entzückungen am Altar und auf dem Heiligen Rednerstuhl, die Liebe, mit welcher er zum Besten des Mitmenschen die beschwerlichen Dinge unternahm, verrieten die Heiligkeit seines Herzens. Sein Licht leuchtete vor den Menschen. Die Menschen aber, welche gewohnt sind, nicht immer auf den Ursprung des Lichts zurückzugehen, um den Vater zu benedeien, der im Himmel ist, erhoben hier und dort den Diener Gottes und lobten ihn in das Angesicht. Er verwies seinen Lobsprechern ihre Eitelkeit, gab ihnen solche Antworten, durch welche er in der Demut noch mehr gefestigt worden ist, und floh in seine Zelle, um sich dort als den größten Sünder zu züchtigen.

Wie sich doch der Demütige zu allem gebrauchen lässt. So traf man einst den Diener Gottes früh in der Küche an, wo er etwas zum Essen zubereitete. Es schicke sich gar nicht, sagt man ihm, dass ein Priester solches tut . Dies sei die Arbeit der Laienbrüder, welche deswegen aufgenommen werden, damit sie die Arbeit verrichten und die Priester bedienen. Bonaventura antwortet seinen Mitbrüdern, sie sollten sich nur zufrieden geben. Es sei ja besser, wenn die Sache durch priesterliche Hände gehe.

Maria Angela beobachtete an ihrem Seelenhirten, dass er im Winter bei der größten Kälte immer schwitzte und tropfnass war. Das ist nichts Natürliches, sagte sie zu ihm. Dies ist ein Wunder, und dieses Wunder wird sich auch nach Ihrem Tod an der Leiche noch zeigen. Meinst du, ich werde vor dir sterben?, gab ihr der Selige zur Antwort, und lenkte das Gespräch auf eine andere Sache.

Wenn er seinem Lob nicht anders ausweichen konnte, so nahm er seine Zuflucht zu seinem geringen Herkommen. Mein, sagte er, wie könnt ihr doch etwas Gutes von mir denken, etwas Großes an mir suchen? Ihr könnt mich gar nicht kennen. Ich stamme von den geringsten Eltern ab. Meine Freunde sind alle arm, und die Kinder meiner Geschwister sind durch das Almosen ausgesteuert worden.

Wenn sich jemand dem Diener Gottes in das Gebet befiehlt oder, um seine Hochachtung zu bezeugen, ihn besucht, so nennt er sich einen Sünder. So hatte sich schon sein hl. Vater Franziskus gedemütigt und sich den sündhaftesten Menschen genannt. Als ihn sein Begleiter fragte, wie er sich doch mit Wahrheit den größten Sünder nennen könne, da er sich doch von allen Lastern enthalte, in welche sich so viele andere stürzen, gab er zur Antwort, er glaube sicher, dass der ärgste Bösewicht Gott weit inbrünstiger lieben würde, wenn er von Gott mit den Gnaden unterstützt würde, welche ihm zukommen. Ferner sagte er, ich würde in Laster stürzen, welche sich noch kein Mensch getraut hat zu begehen, wenn mir Gott einen Augenblick diese Gnaden entziehen würde. Bonaventura, dieser würdige Sohn, ahmte dem Beispiel seines heiligen Vaters auf das Genaueste nach, ja, er kam durch die Demut so weit, dass ihm Zweifel aufstiegen, ob er nicht die Flamme der Liebe in seiner Brust unterdrücken müsse, wie er die Sache einem Freunde anvertraut hat und die Prozessakte berichtet. Wenn das Volk zu mir kommt, um etwas zu begehren, was ein Werk der göttlichen Barmherzigkeit oder eine Frucht des Glaubens bei den Kranken ist, sagte er, so nennen sie mich einen Heiligen. Doch bin ich der größte Sünder, unwürdig, dass mich die Erde trägt. So ist der Gerechte ein Ankläger seiner selbst, wie die Sprichwörter Salomons sagen.

Der Selige hat aber nicht nur durch Worte, sondern auch durch Werke gezeigt, wie weit er sich selbst allen anderen hintan setzte. Die geringsten Arbeiten waren ihm die angenehmsten Arbeiten. Er trug Wasser herbei, schleppte das Holz heran, säuberte das Geschirr, reinigte die Gänge, sammelte das Almosen, kurz, er tat alles mit einer munteren Geschwindigkeit, was sonst das Amt der Laienbrüder ist, was Pflicht und Beruf von diesen fordert.

Es ist keine besondere Demut, schreibt der hl. Chrysostomus, sich den Höheren zu unterwerfen. Dieses fordert die Pflicht. Dann aber ist es eine wahre Demut, wenn wir denen hintan setzen, welche uns geringer erscheinen, und diejenigen ehren, welche der Ehre weniger als wir würdig zu sein scheinen. Wenn wir gemäß dem Herrn klug sind, so werden wir niemanden für geringer halten, sondern denken, dass wir von allen Menschen übertroffen werden. Ich sage dieses nicht nur von uns, die wir mit unzählbaren Sünden überhäuft sind, sondern auch von denen, welche sich einer Menge verdienstreicher Werke rühmen können. Wenn sich diese nicht demütigen, die Letzten und Geringsten zu sein, so werden sie von dem ganzen Schatz ihrer Verdienste keinen Nutzen haben. Bonaventura hat sich keinen Menschen vorgezogen, auch dem geringsten Laienbruder nicht. Wenn er mit solch einem allein einen Konvent bewohnt hat, so würdigte er diesen aller Achtung. Ja, er unterwarf sich ihm, machte aus seinem Untergebenen einen Oberen. Er geht nicht ohne seine Erlaubnis aus. Er gibt ohne seine Bewilligung kein Almosen. Er hängt gleichsam ganz von dem Bruder ab, wie in Ravello geschehen ist.

Schlecht gekleidet, vom Alter, von vielen Krankheiten und von Leibschmerzen geschwächt, hatte der gute Mann viele unter der Kälte zu leiden. Einstmals zittere er an allen Gliedern, ging in die Küche, um sich zu wärmen, fand aber kein Feuer. Er will eines anzünden. Der Laienbruder kommt dazu, murrt und sagt ihm, es sei noch keine Zeit, Feuer anzuzünden. Er wisse ja, dass sie Mangel an Holz haben. Bonaventura geht, ohne ein Wort zu sagen, wie ein armer abgewiesener Bettler aus der Küche. Er reibt die zitternden Hände und haucht in diese. Als ihn Octavian Deliani fragt, warum er nicht zum Feuer gehe, so gibt er voll Demut zur Antwort, der liebe Bruder habe ihm gesagt, es sei noch nicht Zeit, Feuer anzumachen, weil sie schlecht mit Holz versehen wären.

Diese Grundtugend der Heiligkeit ist von dem Seligen auf herrlichste Weise bezeugt worden. Perimezzi sagte: Ich habe die große Vollkommenheit des Dieners Gottes in Hinsicht auf seine Demut bewundert, wenn er mir die Armut seiner Freunde, die Niedrigkeit seiner Geburt und sogar die schlimmen Neigungen seiner Natur, die Versuchungen, unter welchen er zu leiden hatte, die Unvollkommenheiten, welche er nach seiner Aussage an sich fand, mit der beredsamsten Aufrichtigkeit erzählte. Er floh allen menschlichen Beifall und er würde niemals zugelassen haben, dass ich seine Hände küsste, wenn ich ihm nicht zuvor zugelassen hätte, meine Füße zu küssen. Der berühmte P. Simeone gibt dieses Zeugnis: Der Diener Gottes hat die Tugend der Demut in einem hohen Grad besessen. Er verachtete alles, was ihm die Hochschätzung der Menschen gewinnen und zu seiner Ehre gereichen konnte. Hingegen hat er alles gewählt, alles aufgesucht und erzählt, was ihn verächtlich gemacht hat. Aus diesem Grund hat er öfters von der Armut seiner Freunde gesprochen und sich den größten Sünder genannt. Er floh allen Ruhm und gehorchte denen, welchen er vorgesetzt war.

 

VII. Kapitel

Sein unvergleichlicher Gehorsam

 

Der gütige Gott hat uns mit verschiedenen Gütern bereichert in diese Welt gesetzt. Die Güter des Leibes und die des Glücks stehen doch immer weit unter den Gütern des Geistes, weil diese dem Menschen mehr zu eigen sind. Der freie Wille ist als ein vorzügliches Geschenk an die Seele zu betrachten, welcher wie eine Königin in dem Körper dieser kleinen Welt herrscht und regiert. Durch den Gehorsam aber beraubt sich der Mensch des vornehmsten Gutes, welches er besitzt, seines eigenen Willens, und unterwirft wegen Gott seinen Willen einem anderen. Er vernichtet sich sozusagen selbst, will nicht mehr, was er will, ehrt in einem anderen den obersten Gesetzgeber und lebt nach seinen Winken. Etwas Vornehmeres, sagt der hl. Thomas von Aquin, etwas Vornehmeres kann der Mensch Gott nicht opfern, als wenn er Ihm seinen eigenen Willen opfert. In diesem Opfer hat sich besonders der selige Bonaventura hervorgetan. Der Gehorsam machte gleichsam seinen ganzen geistlichen Charakter aus, wie Seine Heiligkeit Pius VI. in dem Seligsprechungsbrief bekennt. Einer von den Heiligen verlegte sich besonders auf die Liebeswerke, jener hat sich in der Buße hervorgetan, einer hat sich in dieser, ein anderer in einer anderen Tugend besonders geübt. Bonaventura zeichnet sich durch den Gehorsam aus. Was ihm der Obere nur immer befahl, hat er nicht anders angesehen, als wenn es ihm vom Himmel anbefohlen worden wäre. Er forschte niemals der Absicht, dem Ziel und Ende nach, sondern ging gleich zur Sache. Sein Gehorsam war der Gehorsam der Apostel. Jesus sah den Petrus und Andreas, als sie ihr Netz ins Meer warfen, und sagte ihnen: Kommt, folgt Mir nach, und Ich will euch zu Menschenfischern machen. Welche Einwendungen hätten die zwei Fischer machen können? Herr, konnten sie sagen, wir sind arm und Du bist noch ärmer. Wovon werden wir leben, wenn wir unsere Netze verlassen? Wir sind unwissende, rohe, ungebildete, einfache Leute, die bloß zum Netz geboren sind. Aber, sagt der hl. Bernardus, sie zögerten nicht, sie kümmerten sich nicht um die Nahrung. Ohne allen Verzug verlassen sie ihre Schiffe und die Fischernetze und folgen der Stimme nach, welche sie berufen hat. Dieser geschwinde, schnelle Gehorsam war das Vorbild, nach welchem der Gehorsam unseres Seligen entworfen ist. Es ist nicht mehr nötig, als diesen Gehorsam zu zeigen, um sein ganzes Leben zu beschreiben, welches ein Wunder des Gehorsams von seinen Kindesjahren an bis zu seinem Ende genannt zu werden verdient.

Ich will nichts sagen von dem freudigen Gehorsam, mit welchem er dem Willen seiner Eltern gefolgt ist, nichts von dem munteren Gehorsam, mit dem er die Befehle seiner Lehrmeister ausführte, nichts von dem geschwinden Gehorsam, mit dem er sogar den Winken seiner Oberen begegnet ist. Ich will schweigen und den Diener Gottes selbst zu Wort kommen lassen, weil ich überzeugt bin, dass ihn niemand so gut schildern kann wie er sich selbst, wie er dem Gehorsam ergeben gewesen war. Ich bin bereit, sagte er, wenn es der Gehorsam will, die ganze Welt zu umreisen. Seine Taten stimmten mit den Worten überein. Wir haben schon gehört, wie er ganze Tage stehen geblieben ist, als wenn ihn der Gehorsam angenagelt hätte, dass er selbst das Leben nicht geachtet hat, um den Gehorsam nicht zu verlieren, vertieft in das Beispiel Jesu, welcher bis zum Kreuztod gehorsam war.

Er ist so stark von dieser Tugend eingenommen gewesen, dass der bloße Name des Gehorsams seine Lebensgeister in Bewegung brachte. Niemals hat man ihn trauriger gesehen, als wenn er den gegebenen Befehl nicht in dem Augenblick erfüllen konnte. Er gehorchte nicht nur denen, welche ihm vorgesetzt waren, sondern auch den Brüdern, die nur zum Dienste der Priester, zur Verrichtung der häuslichen Tätigkeiten aufgenommen werden. Den Laienbrüdern gehorchte Bonaventura. Er stellt nicht nur seine Hände für ihre Tätigkeiten zur Verfügung, sondern lässt sich von ihnen befehlen, was er verrichten soll, und ist gleichsam einer aus ihnen. Wie lieb musste ihnen ein solcher Mann sein!

Wenn er einem Oberen nur ein Zeichen abgelauert hatte, wenn er nur merkte, dass der Obere etwas gern sähe, so war es ihm schon genug, zu gehorchen. Amalsi hat ein besonders Beispiel gesehen. Der Weg, welcher in das Kloster führt, war mit gekrümmten Rinden überstreut. Der Obere redet mit sich selbst, dass sich dieser Unrat dort nicht schicke. Wenn er nur im Meer läge. Bonaventura hörte dieses, und er reinigte den Weg noch in der Nacht.

Wenn ihm der Gehorsam Ruhe ließ, wenn er nichts auf Befehl seiner Oberen zu tun hatte, so schien er sich einer abgelaufenen Uhr gleich zu sein, und es war ihm nirgends wohl. Der Gehorsam allein gab ihm Freude und Leben zurück. Ohne Gehorsam traute er sich kein Bußwerk zu. Mit dem Gehorsam will er sich in die Marter der Hölle selbst begeben. Ohne Gehorsam traut er sich nicht, dem Nächsten beizuspringen. Mit dem Gehorsam fliegt er zu den Liebesdiensten und setzt sein eigenes Leben der Gefahr aus. Ohne den Gehorsam traut er sich nicht, den Armen das Geringste auszuteilen. Mit dem Gehorsam entzieht er sich selbst die Nahrung, leidet Hunger, um die Armen zu speisen. Wird er zu einem Kranken gerufen, so eilt er zuvor zu dem Oberen. Er sucht ihn auf. Wenn er diesen nicht findet, so geht er zu einem Priester. Kann er zu keinem Priester kommen, so meldet er sich bei einem Laienbruder, um nur nicht ohne Gehorsam aus dem Kloster zu gehen. Er gehorcht immer mit gleicher Einfalt, mit gleicher Ehrerbietung, mit gleicher Geschwindigkeit, mit gleicher Freude. Diese Freude ist nur umso größer, je geringer derjenige ist, dem er zu gehorchen hat. O, bei ihm hat man niemals die dem Gehorsam so abträglichen Worte gehört, dass er älter sei als sein Guardian. Er glaubte, durch nichts weniger als durch das Alter von dem Gehorsam entbunden zu werden, weil die Tugend wachsen, niemals abnehmen soll, weil man bei einem Alten die Vollkommenheit sucht, welcher die Jugend erst entgegen geht. Aus dieser Ursache hat der Selige alle Grade, alle Würden verabscheut. Er verlangte, einem jeden untertänig zu sein, und zitterte, wenn er nur hörte, dass er das Amt eines Oberen erhalte solle, weil er fürchtete, die Verdienste des Gehorsams zu verlieren. Er wusste wohl, was der hl. Hieronymus sagt, es gäbe keinen schlimmeren Führer als den eigenen Willen. Auch die Aussage des hl. Bernhards war ihm bekannt: die Hölle würde aufhören, wenn der eigene Wille aufhörte, dieser Verführer der menschlichen Herzen!

Nach diesen Grundsätzen hat er als ein Seelenführer auch andere Seelen geleitet. Er gab nicht nach, bis er das Gebäude des eigenen Willens in denjenigen, die sich seiner Anweisung anvertrauten, gänzlich niedergerissen hatte. Unter anderen Mitteln hat er sich besonders der besonderen Nachforschung über die Lieblingsneigung bedient, damit diese vollkommen ausgerottet würde, und wenn sie auch noch so unschuldig schien. Eben das hat er befohlen, was dem Willen zuwider war. Die Schwester M. Angela, welche unter der Leitung dieses Führers, so weit im Geist vorankommen ist, diese kann davon berichten. Einst befahl er ihr, bei Wasser und Brot zu fasten. Sie gehorchte. Nichts desto weniger ist sie stark versucht worden, einen Kuchen zu essen. Als sie wieder beichtete, ausgeredet und doch kein Wort von der Versuchung gesagt hatte, fragt sie der Diener Gottes, welcher die Gnad hatte, die Herzen zu durchdringen, ob sie nicht auch eine Versuchung zu einer gewissen Speise empfunden habe? Mein Gott, sagte die Erstaunte, er weiß alle meine Gedanken, und bekennt ihm, wie sie versucht worden sei, außer dem Brot etwas anderes zu genießen. Gut, sagte der Selige, welcher verlangte, sich auch in gleichgültigen Sachen zu verleugnen, ich befehle dir, dich sechs Monate lang vom Kuchen zu enthalten. Angela hat es versprochen und gehalten.

Ein gehorsamer Mann wird von Siegen reden, sagt die Heilige Schrift; denn der Gehorsam überwindet alles, sogar den Allmächtigen, der den Willen derjenigen vollzieht, die Ihn fürchten. Daher hat die Kraft der Wunder den Gehorsam des Dieners Gottes begleitet. Angela kam einst zu ihm und erzählte das besondere Vergnügen, welches sie an dem Gesang eines Vogels empfunden hatte. Die unschuldigen Seelen finden an mancher Sache Freude, welche von den Sündern nicht gefunden wird. Verspreche mir eine vollkommene Verleugnung deiner selbst, sagte der Selige zu seiner geistlichen Tochter, verspreche mir einen vollkommenen Gehorsam, und ich verspreche dir, einen noch vollkommeneren Gehorsam zu zeigen. Angela verspricht alles. Wenn du nach Hause zurückkehrst, fährt jetzt der Selige fort, so wirst du auf dem selben Baum, auf dem selben Ast den selben Vogel erblicken. Er wird singen, wie er zuvor gesungen hat. Nähere dich sodann dem Baum, strecke die Hand aus und sage: Geschöpf Gottes, ich befehle dir durch den heiligen Gehorsam, dass du ohne alle Furcht zu mir fliegst und dich auf meine Hand setzt. Wenn du, meine Tochter, vollkommen gehorchen wirst, so wirst du Wunder sehen. Voll Freude kehrt M. Angela in Gesellschaft einiger frommer Frauen zurück. Sie kommt an den Ort, und schon sieht, schon hört sie den Vogel. Sie nähert sich diesem, sie ruft ihn Kraft des Gehorsams vom Baum herab. Nicht anders, als wenn er eine menschliche Vernunft hätte, kommt er dem Befehl nach, fliegt auf die Hand, so zahm wie im Paradies, ehe die Sünde das Band zwischen Menschen und Tieren gelöst hatte. Angela staunte über das Wunder, über die Kraft des heiligen Gehorsams, eilt von ihren Begleiterinnen, die sich ihre Gedanken darüber gegenseitig mitteilen, weg und verliert sich in den heiligsten Betrachtungen über die Tugend des Gehorsams. Am folgenden Tag eilt sie in aller Frühe zu ihrem geistlichen Vater. Ehe sie den Mund öffnet, sagt er ihr schon: Erkenne, meine Tochter, die große Kraft des Gehorsams. Auch die Vögel erkennen ihn und kommen ohne Furcht. Der Gehorsam ist die Tugend, welche uns in das Paradies zurückführt, aus welchem uns der Ungehorsam verstoßen hat. Es lässt sich daraus schließen, wie tief der Meister selbst in dieser Tugend gefestigt gewesen sein muss, in welcher er es so weit mit den Schülen gebracht hat.

 

VIII. Kapitel

Seine Entzückungen und Wissenschaft

 

Nachdem sich der Diener Gottes durch die strengste Verleugnung seiner selbst gleichsam in sich verloren hatte, konnte er sich nirgends anders als in Gott wieder finden. Er hat sich sozusagen ausgeleert, sich vernichtet. Sein Körper ist zum Geist geworden, seine Sinne hörten auf zu wirken. Er kam außer sich. Dieses ist, was wir eine Entzückung nennen. Der Heilige gab sich zwar alle Mühe, diesen Schatz himmlischer Gaben zu verbergen, aber die Liebe war zu stark. Sein Herz eilte zu seinem Geliebten und zog durch heilige Gewalttätigkeit den Körper nach sich. Da schwebte der Engel in der Luft und zeigte, dass er einer von jenen war, deren die Welt nicht würdig war. Alle seine Gebete, er mochte sie nun öffentlich oder geheim verrichten, waren Entzückungen der Liebe. Besonders traf man ihn entzückt in der Nacht vor dem Heiligsten Altarssakrament an. In Ravello ist er einst durch eine Entzückung so dahin gerissen worden, dass er weder durch Rufen, noch durch Bewegung zu sich selbst zurückgebracht werden konnte. Wenn er vom Liebesmahl des Herrn, von jener Engelspeise, oder vom bittersten Leiden Jesu Christi reden hört, so heftet er seine Augen an den Himmel, steht unbeweglich, wie eine Bildsäule außer sich, da, in seinem Gott versenkt. So geschah es ihm auch, da er von Antonius, dem großen, jenem heiligen Einsiedler, redete.

Einer seiner Novizen legt im Seligsprechungsprozess folgendes Zeugnis ab: Bonaventura hatte die Gabe der Entzückungen, von denen er zu sagen pflegte, dass es Zerstreuungen seien. Nachdem ich aber die Sache mit ihren Umständen genauer beobachtet habe, habe ich herausgefunden, dass es keine Zerstreuungen, sondern Entzückungen waren. Ich habe ihn nicht nur einmal so entzückt gesehen, vertieft in Betrachtung der Größe Gottes, besonders aber wenn er am Altar das große Opfer verrichtet hat. Die sichersten Anzeichen dieser Art himmlischer Wirkungen waren plötzliches Aufleuchten des Angesichtes, ein ungewöhnliches Licht seiner Augen, ein Glanz um das Haupt, ein häufig hervordringender Schweiß. Diese Anzeichen äußersten sich meist in der Heiligen Messe nach der Wandlung. Ihnen folgte die Entzückung. Die Entzückung ist nicht nur einmal mit einer Levitation einhergegangen. Erhoben über eine Spanne (ca. 20 cm) von der Erde blieb er manchmal eine halbe Stunde und noch länger als ein Schauspiel der Engel und Menschen in der Luft.

Geistliche und weltliche Personen zeugen von dieser Tatsache. Unter anderem sagte einer: Ich weiß, dass er entzückt worden ist. Ich habe ihm öfters am Altar gedient, und da sah ich ihn nach der Wandlung über vier Finger über der Erde erhoben schweben. Sein Angesicht war gerötet, glänzte und schwitzte. In dieser Stellung ist er etwa dreiviertel Stunde gerblieben. Meist geschah dieses an Werktagen, an denen er die Messe verzögerte, weil weniger Messbesucher anwesend waren. Ich hielt diese Entzückungen immer für übernatürlich. Furcht und Freude teilten mein Herz. Wenn er entzückt war, hörte man keinen Atem. Es war keine Bewegung an ihm. Er sah einer Statue gleich. Außerhalb der Messe werden zwei Levitationen gezählt, von welchen die in Ravello wegen ihrer ganz besonderen Umstände bemerkenswert ist.

Dergleichen Seelen schwingen sich durch die Hilfe der Betrachtung zur Erkenntnis vieler himmlischer Dinge empor. Gott, welcher mit den Einfältigen spricht, offenbart sich ihnen und erfüllt sie mit einer Wissenschaft, in Hinsicht derer alle irdische Weisheit nichts als blendende Eitelkeit und Torheit ist. Bonaventura war einer von den Kleinen und Geringen, dem der Herr die erhabensten Geheimnisse anvertraut hat. Die Philosophie, welche seinen Geist trocken ließ, hat er aufgegeben, und verlangte, weiter nichts zu wissen oder besser zu reden. Wenn er noch etwas zu wissen verlangte, so war es allein Jesus Christus, der Gekreuzigte. Er verlegte sich auf die Demut des Herzens, auf die Abtötung und auf einen apostolischen Seeleneifer. Es kamen Personen von allen Ständen zu ihm. Sie legten ihm ihre Zweifel vor. Sie forderten Unterrichtung. Sie brachten die verworrensten Sachen und begehrten Erläuterung. Bonaventura hat ihre Finsternis erleuchtet, die Zweifel zerstreut, und dieses alles durch jene Weisheit, welche Gott von der Wohnung Seiner Herrlichkeit herab sendet und Seinen Dienern mitteilt.

Perimetzi, welcher Bonaventura zum Seelenführer hatte, konnte sich nicht genug wundern, wie dieser Mann, der sonst so wenig zu reden pflegte, aus dem Stehgreif mit unglaublicher Salbung dem Volk die geheimsten Lehren vortrug, wie er mit einem unerschöpflichen Reichtum der Worte, mit den tiefsinnigsten Gedanken, mit den ausgesuchtesten Beweisen und eindringlichsten Beweggründen die Wahrheiten der Religion mit solcher Leichtigkeit abhandelte, als wenn er der geübteste Redner wäre. Wie die Prozessakten sagen, beschämte er durch seine Reden die Ungläubigen, stärkte die Gläubigen, demütigte den Hochmut, erweichte den Geizigen, entzündete die Lauen mit neuem Eifer, erbaute, unterrichtete, pflanzte, riss aus, war wie ein Strom, der alles mit sich fort reißt, voll des Geistes des Herrn, und zeigte, dass der Heilige Geist durch ihn redet. Denn, wie seine Oberen bezeugten, so hatte er keine Bücher in seiner Zelle. Das Kreuz machte seine ganze Bibliothek aus, gleichwie es die Bibliothek seines hl. Ordensbruders war, von dem er den Namen hatte. Von jener Wissenschaft, welche man, wie der hl. Cyprian anmerkt, nicht durch viele Betrachtungen, noch mit der Zeit erlangt, sondern deren Ursprung die Gnade ist, welche man eher empfindet, als dass man sie erkennt, war er angefüllt.

Ich will das Zeugnis des P. Simeone nicht umgehen, eines Mannes von gründlicher Gelehrtheit, von großer Vernunft und von einem erbaulichen Lebenswandel. Im Jahr 1708, sagte er, hatte ich Gelegenheit, im Konvent zum Heiligen Geist in Neapel mit dem Diener Gottes Umgang zu pflegen. Ich machte mir öfters das Vergnügen, ihm die schwersten theologischen Fragen zu stellen. Er löste diese zu meinem Erstaunen mit unglaublicher Geschwindigkeit. Ich brachte die stärksten Einwürfe, und sagte, jetzt würde er nicht antworten können. Mit der Hilfe Gottes werde ich antworten, gab er mir zur Antwort. Schon war er mit der geschicktesten Antwort fertig. Auf diese Art stärkte er mich in meinen Gedanken, dass seine Wissenschaft keine menschliche Wissenschaft ist, sondern dass sie von oben kommt, dass er diese nicht durch Mühe erworben hat, sondern dass ihm diese eingegossen worden ist.

 

IX. Kapitel

Sein prophetischer Geist und Erkenntnis der Herzen

 

Das Herz des Menschen ist unerforschlich. Nur dem Auge des höchsten Gottes steht es offen. Sonst niemand weiß um seine Geheimnisse. Einigen von Seinen Auserwählten hat Gott die Gabe verliehen, diese Geheimnisse zu durchdringen, doch in gewissen Grenzen. Gegenüber dem seligen Bonaventura aber ist Er weit freigiebiger gewesen. Er breitete ihm gleichsam die Herzen vor den Augen aus. Maria Angela kann es sagen, welche ihn zwölf Jahre hindurch zum Beichtvater hatte. Er ist von meinem Inneren derart unterrichtet, bekennt diese fromme Büßerin, dass er alle meine Gedanken weiß, dass er mir alle meine Begierden vorhält und meiner Anklage mit seiner eigenen Entdeckung zuvorkommt. Viele von denen, welche sich zu seinen Füßen von ihren Sünden befreit haben, bekennen das Gleiche. Nachdem sie sich ihrer Fehltritte angeklagt hatten und glaubten, das ganze Herz ausgeschüttet zu haben, so erzählte er ihnen ihre Lebensgeschichte weit genauer. Er erinnerte sie an Dinge, welche schon lange ihrem Gedächtnis entfallen waren. Er zeigte ihnen die Zeit an, wann die Sache geschehen ist. Er fügte die Umstände hinzu, welche die Sache begleitet haben, und setzte alles in ein solches Licht, dass den Büßenden nichts mehr übrig blieb, als ihre Schuld mit aufrichtigen Herzen zu bekennen und Gott zu danken, dass Er dem Haus Israel einen solchen Arzt gegeben hat.

Einst saß dieser Engel an dem Schwemmteich der Buße, um die Kranken hineinzulassen und zu reinigen. Nächst an dem Beichtstuhl kniete Angela Dimesa, eine edle Frau von Ischia. Sie hatte einen spanischen Ritter bei sich. Bonaventura naht sich der Frau, ohne jemanden ein Wort zu fragen, wer dieser fremde Herr sein möge, und fragte sie ganz leise, was dieses für ein Engel sei, den sie an diesem Morgen mit sich bringe. Betroffen dachte die gute Frau, welcher Diener Gottes ist doch dieser Geistliche! Sie sagt es dem edlen Spanier, welcher zu Bonaventura hingeht, sich mit ihm in ein Gespräch einlässt und von ihm die unerwartete Neuigkeit vernimmt, er werde in einen Ordensstand gehen. Die Weissagung des Seligen ist eingetroffen. In Neapel ließ sich dieser Herr später als ein Franziskaner von der Reform Peters von Alkantera einkleiden, legte die feierlichen Gelübde ab und lebte im Ruf der Heiligkeit.

Laura von Montefusco hat mit ihrer Schwester die Andacht verrichtet. Beide überfiel eine Schwermut. Arm, wie sie waren, hatten sie schon lange kein Brot über den Mund gebracht. Sie fühlten die ganze Last der Armut. Der Selige hatte sich unterdessen in die Süßigkeit himmlischer Dinge versenkt. Er kommt aber in dem Augenblick zu sich, verlässt Gott auf eine Zeit wegen der Mitmenschen, eilt zu den Traurigen hin und sagt ihnen, sie sollen die Schwermut ablegen und getröstet hingehen. Der Herr, welcher den jungen Raben im Nest ernährt, den Spatzen auf dem Dach speist, werde sie nicht vergessen. Er werde Vorsehung treffen. Ganz getröstet, voll Vertrauen auf die göttliche Vorsehung, gehen jetzt beide frommen Schwestern aus der Kirche. Kaum sind sie einige Schritte weit gekommen, so finden sie eine Silbermünze, welche für sie genug war, einige Zeit zu leben. Jetzt dankten sie dem Herrn, dessen Auge über alle Menschen wacht.

Einst hat der Diener Gottes, bei dem es den Anschein hatte, als hätte ihm Gott die Schlüssel der Zukunft anvertraut, Joanna von Sasso auf folgende Art angeredet: Frau, es war eine Zeit, wo du nichts mehr gesucht hast, als der Welt zu gefallen, dich einen Engel, eine irdische Göttin nennen zu lassen. Dadurch hast du deinem höchsten Schöpfer unendlich missfallen. Aber wisse, Er will dich auf dieser Welt von deinen Sünden reinigen. Er wird dich durch das strafen, durch was du gesündigt hast. In deinen letzten Jahren wird dein Gesicht, durch welches du dir das Wohlgefallen der Welt zuzogst, von einem abscheulichen unheilbaren Krebs zerfressen werden. Das Lebensende der armseligen Joanna hat diese Aussage bestätigt.

Bonaventura unterredet sich mit der bekannten M. Angela über geistliche Dinge. Ein Knabe von neun Jahren läuft in die Kirche. Bonaventura bricht auf einmal das Gespräch ab. Er fragt die Angela, ob sie diesen Knaben kenne, ob er nicht ihr Freund sei. Aber sie kennt den Knaben nicht, noch weniger kann sie diesen unter ihre Freunde zählen. So wisse dann, fährt der Selige fort, dieser Knabe wird in der Zeit des Jammers dein Trost, in der Verlassenheit dein Vater, deine Stütze sein. Nachdem der Diener Gottes in ein glückseligeres Leben übergegangen war, wurde Angela von allen Freunden verlassen. Sie irrte wie ein Schäflein herum, das seinen Hirten verloren hat. Ihr Leib ist von Fieber, von Gliederschmerzen, vom Schlaganfall ans Bett geheftet. Da lag die Ärmste, verlassen von allen, und hatte keinen Trost, als das Vertrauen auf Gott. Ihre Armseligkeit nahm von Tag zu Tag zu. Seht, da kommt auf einmal Blasius Tirabella, ein Priester, zu ihr. Sie wundert sich über den unerwarteten Besuch. Er bietet ihr bald alle Hilfe an. Er hält auch sein Versprechen und sorgt die acht Jahre hindurch, welche sie noch zu leben hatte, wie ein Bruder, wie ein Vater für sie.

Unter den fünf Novizen, welchen Bonaventura in Nocera den Tod geweissagt hatte, befand sich Bonaventura Cassela, welcher nach den Worten des Seligen noch vor Empfang der Heiligen Weihen sterben sollte. Im Jahr 1710 wohnte er in Montela, war gesund und ging wirklich mit einigen Begleitern, um die Weihe des Subdiakonats zu empfangen. Jetzt, sagt er, geschieht einmal etwas, was Bonaventura nicht erraten hat. Nach seiner Aussage sollte ich vor Empfang der Heiligen Weihen noch sterben. Aber ich bin gesund, und morgen werde ich ein Subdiakon sein. So sagte er abends, konnte aber morgens nicht aufstehen. Ein unheilbares Fieber hielt ihn im Bett zurück und führte zum Tod. Er ging, ohne die Weihe zu haben, in die Ewigkeit.

Mit Tränen übergossen, seufzend und die Hände ringend wirft sich die Mutter eines gewissen Andreas Chiaramonte dem Seligen zu Füßen. Ihr Sohn lag lange in Ketten und Fesseln, und jetzt, wie sie hört, ist er zum Tod verdammt. Es lässt sich leicht denken, welcher Worte sich eine Mutter bei dieser Gelegenheit bedient haben wird, um das Gebet des Heiligen für ihren Sohn, der an der Schwelle des schändlichsten Todes stand, zu erbitten. Fürchte dich nicht, meine Tochter!, sagte Bonaventura zu der Untröstlichen. Gehe nur gleich nach Neapel. Ich sage dir, durch die Fürbitte des hl. Antonius wird dein Sohn frei sein. Sie eilt nach Neapel. Dort kommt ihr der geliebte Sohn, für unschuldig erklärt, aus dem Kerker entgegen.

Der Theresia Garafalo hat der Selige nicht nur einmal die Lehre des Apostels vorgepredigt, dass es besser sei, nicht zu heiraten und den Engeln im unsterblichen Leib nachzueifern. Dieser Paulus wünschte, dass sie wäre, wie er war, und in dem Stand verharrte, wo das Herz unzerteilt in den Händen Gottes bleibt. Aber sie hatte keine Ohren zu hören. Bonaventura drohte der törichten Jungfrau und sagte ihr: Du wirst deinen irdischen Bräutigam dem Himmlischen vorziehen, aber wisse, der Himmlische wird sich rächen, und du wirst Zeit deines Lebens unter dem schwersten Kreuz seufzen. Dennoch hat die Unselige einen Mann genommen. Kurz danach kränkelt sie, und kränkelte drei Jahre lang. Endlich hat ihr Gott die Wohltat der Fruchtbarkeit in eine Strafe verwandelt. Sie musste zwölf lebendige Kinder haben und diese Last, diese zu erziehen, bis ans Ende ihres Lebens schleppen.

Anton Greco hatte sich durch einen Aufruhr unter den französischen Truppen die Fessel, den Kerker und die Gefahr des Todes zugezogen. Seine Schwester, voll Angst, er würde sein Leben im Kerker oder am Galgen lassen müssen, kam heulend zu dem Seligen. Bonaventura aber ging zum Heiligen der Wunder. Er betete mit einigen Mitbrüdern das Responsorium des hl. Antonius. Dann kommt er zu der Weinenden zurück, sagt ihr, sie solle guten Mutes sein. Ihrem Bruder werde keines von dem vermeintlichen Übeln zustoßen. Am nächsten Fest des hl. Antonius, bis zu dem noch ein Monat war, werde sie diesen in ihrem Haus frei und gesund sehen. Dieses ist auch geschehen.

 

X. Kapitel

Seine prophetischen Zeichen in der Stadt Ravello

 

Von der Stadt Amalphi kam Octavius Deliani in den Konvent. Bonaventura eilt ihm entgegen und sagt: Du bist derjenige nicht mehr, der du vorgestern gewesen bist. Octavius leugnet es. Bonaventura aber fährt fort und sagt: Nein, dass du es leugnest! Ich weiß wohl, in welchen Streit du gestern mit deinem Freund geraten bist. Wenn du ihm nicht ausgewichen wärest, so würde er dich ermordet haben. Octavius staunte, weil sich diese Begebenheit im Haus ganz geheim zugetragen hatte. Aber noch mehr staunte er, als ihm der Selige sagen konnte, wie er mit dem Vorsatz, sich zu rächen, seinen Freund niederzustrecken, nach Ravello gekommen sei. Er gab sich schuldig und versprach, seinen Vorsatz zu ändern, welches er auch getan hat. So hat auch der Selige einen anderen an der Klosterpforte gewarnt, sich nicht auf dem gewöhnlichen Weg nach Haus zu begeben, weil ihm dort sein Feind mit blutgierigen Dolchen auflauerte.

Die Schwester Catharina Bonito, eine edle Jungfrau im Kloster St. Klara wünschte, nur Oberin über sich selbst, über ihre Neigungen zu sein, und wollte sonst kein Wort von einer obrigkeitlichen Würde hören. Bonaventura sagt ihr voraus, sie werde Äbtissin sein müssen. Sie werde diese lange bleiben und in dieser Würde sterben. Sechs Jahre später ist diese Vorhersage eingetroffen.

In dem selben Kloster war eine vornehme Kostjungfrau Anna d’Afflitto, von Ravello. Sie war den guten Klosterfrauen gar zu lustig, immer aufgeweckt und hatte den lebhaftesten Geist. Die Klosterfrauen waren betrübt, dass sie sich so gar nicht der klösterlichen Ordnung fügen wolle. Vor allem betrübten sich ihre Blutsfreundinnen. Eine von diesen klagte es dem Diener Gottes und befiehlt ihm ihre Base in das Gebet. Sei getrost, gibt der Selige zur Antwort, diese Jungfrau wird nicht weltlich bleiben, wie sie den Anschein gibt und ihr befürchtet. Ehe ein Jahr vergeht, wird sie das Ordenskleid anlegen, das Noviziat anfangen und beenden und als eine erbauliche Jungfrau im Kloster leben. Seine Worte sind eingetroffen.

Im Jahr 1711, im letzten Lebensjahr des Seligen kam ein edler Jüngling, Emmanuel d’Afflitto von Scala nach Ravello. Er war gesonnen, dem P. Bonaventura seine Beichte abzulegen. Weil er aber mit einer gewissen Jungfrau, die in Ravello im Kloster war, Bekanntschaft hatte, so suchte er, dem Bonaventura auszuweichen, und beichtete einem anderen. Nachmittags begegnete er dem Diener Gottes. Dieser redete ihn sogleich mit den Worten an: O, warum bist du nicht gekommen. Ich habe dich in der Frühe begierig erwartet. Der gute Jüngling entschuldigte sich. Er habe bei einem anderen gebeichtet. Bonaventura führte ihn beiseite und sagte ihm, er solle sich nur keine Mühe um das Frauenzimmer geben, welches sein Herz gefesselt habe. Gott verlange ihn zum Priester. Eine Neuigkeit, die er nicht zu wissen verlangt hat und von welcher er noch weniger erwartete, dass sie eintreffen würde, und doch ist sie nach drei Jahren, nach dem Tod des Dieners Gottes wahr geworden.

 

XI. Kapitel

Seine Wunderwerke,
Erscheinungen, Unverwesenheit und
Wunder bei Öffnung seines Grabes

 

Nachdem wir in möglichster Kürze das Leben des Seligen Dieners Gottes erzählt haben, so wollen wir noch einige von den Wundern hinzufügen, welche der Gebieter der Natur im Hinblick auf seinen getreuesten Dieners gewirkt hat.

Auf der Insel Ischia hat einst Bonaventura eine elende Kranke, Luceretia di pietro, besucht. Er munterte sie zur Geduld auf, sprach ihr zu, sich in den heiligsten Willen des höchsten Gottes zu ergeben. Nachdem er ihre Seele erfrischt hatte, war er auch darauf bedacht, ihrem Leib zu helfen. Er schickte ihr etwas Geld und ein Brot von vier Pfund. Ein Almosen, welches zwar gering war im Hinblick auf die vielen Armseligkeiten, mit denen die Kranke umgeben war, aber groß im Hinblick auf den Armen, der es gegeben hat, gleichwie die kleine Münze, welche die Witwe in den Opferkasten warf, im Hinblick auf ihren guten Willen die Goldstücke der Pharisäer überwog. Es waren außer der Kranken noch fünf weitere Personen im Haus. Alle diese, welche sonst nichts hatten als das geschickte Brot von 4 Pfund, aßen sechs Tage an diesem, wurden alle Tage satt und hatten allzeit übrig. Da sehen wir das Wunder des Elias zu Sarephta erneuert.

Der Konvent in Ravello war sehr arm und benötigte das tägliche Almosen. Doch hat Bonaventura bei alle dieser Armut alle Armen erhalten. Es befand sich einst ein ganzer Schwarm vor der Pforte. Bonaventura sagt es dem Laienbruder, dieser aber gibt ganz mürrisch zur Antwort, was er den geben könne. Sie haben ja selbst nichts. Das Brot sei gestern aufgegessen worden, und heute habe er noch nichts gesammelt. Bonaventura will ungeachtet all dessen, dass man den Armen Brot gebe. Dem lieben Bruder stieg die Galle hoch. Er murrte den guten Bonaventura an und sagte ihm, so soll er denn selbst gehen und die Speisekammer durchsuchen. Wenn er ein Brot fände, könne er es ja den Armen geben. Der Wundarzt Joseph D’ippolyta kam dazu, und sie gingen alle drei in die Speisekammer. Der höhnisch lächelnde Bruder sagt zu Bonaventura, er möge sich recht umschauen, wo Brot sei. Da ist ja Brot, sagte Bonaventura ganz fröhlich. Schon hatte er den vollen Korb in den Händen. Der Bruder schämt sich. Er ruft aus: O Pater Bonaventura, dieses Brot ist gestern noch nicht da gewesen. Es ist ein Wunder der Vorsehung, ein Wunder eurer Liebe. Der Selige aber eilte in Begleitung des D’ippolyto mit dem Brotkorb zur der Pforte und ließ den Bruder in seiner Verwunderung staunen. Aus dergleichen Gründen nahmen die Kranken und die Armen auch nach dem Tod des Dieners Gottes ihre Zuflucht zu ihm, empfahlen sich seiner Fürbitte an und erfuhren, dass der alte Gott noch für ihre Notdurft lebe.

Getreu und kurz wollen wir auch einige Erscheinungen des Seligen erzählen, wie sie in der Prozessakte nach ihrer genauesten Prüfung enthalten sind. Die Schwester M. Angela berichtet: Ein fürchterlicher Schlaganfall hat mir die Zunge so unbrauchbar gemacht, dass ich auch die Beichte nicht anders als durch Zeichen ablegen konnte. Auch das Heilige Abendmahl habe ich nicht mehr empfangen können. Nachdem es keine Hoffnung auf Besserung gab, hat man mir die letzte Ölung erteilt. Schon hat mich der hochwürdige Herr Blasius Tirabella für den letzten Augenblick vorbereitet. Er stand mir bei, gut zu sterben. Ich empfahl mich dem Diener Gottes an und stritt bis zum Aufgang der Morgenröte des dritten Tages, gleichsam in Zügen. Schon hatte ich die Sterbekerze in meinen Händen. Auf einmal erschien mir der Diener des Herrn und sagte diese Worte: Schwester M. Angela, sei guten Mutes! Es ist noch nicht Zeit! Und er verschwand wieder. Kaum hatte die Sterbende diese Erscheinung gesehen, so redet sie wieder, und die ersten Worte, in welche sie ausbricht, bestanden in dem Geschrei: Pater Bonaventura, Pater Bonaventura. Von dem Augenblick an war sie gesund. Alle Umstehenden haben den Hergang der Sache mit ihren Zeugnissen bestätigt.

Joseph Messina sagt Folgendes: Es sind 23 Jahre her, dass mich der Herr mit einer heftigen Krankheit heimgesucht hat. Schon war es mit mir auf das Äußerste gekommen. In diesen elenden Umständen kam in aller Frühe M. Angela zu mir, welche ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Zugleich kam der Chorherr Andreas Morgione mit ihr. Sie nahte sich meinem Bett, warf sich auf die Knie nieder und bat mich, niemandem zu sagen, was sie mir sagen wollte. Dann sagte sie zu mir: Ich weiß nicht, ob ich im Traum oder ob ich wachend den Diener Gottes, P. Bonaventura, gesehen habe. Er sagte mir, Sie seien gefährlich krank. Ich solle Sie besuchen und Ihnen sagen, dass Sie guten Mutes sein und sich nicht fürchten sollen. Sie werden gesund werden und zu einer geistlichen Würde gelangen, welche Ihnen der Herr geben wird, um andere Seelen zu Ihm zu führen. Jetzt stand der Kranke gesund vom Bett auf, wurde Chorherr in der Kathedrale und Beichtvater der Klosterfrauen von St. Klara.

Ludwig Tramutoli von Potenza, den ein hartnäckiges Fieber schon 14 Tage gepeinigt hatte, der von den Ärzten verlassen, sich schon wirklich am Rande des Lebens befand, bezeugt eine andere Erscheinung, von welcher seine Genesung die Frucht war. In der Nacht, so lautet seine Aussage, wäre ich schier den Schmerzen meiner Krankheit erlegen gewesen. Aber außer mir bin ich nicht gekommen. Ich sah, wie mir ein Konventual-Minorit erschien, seinen Gürtel ablöst, sich meinem Bett nähert, mich aufhebt und meine Lenden mit seinem Gürtel umgibt. Zugleich hörte ich ihn sagen: Wohlauf, sei gesund, und dann verschwand er. In dem Augenblick waren Fieber und Schmerzen weg und ich habe das Bett verlassen.

Die Schwester M. Joanna wurde 20 Jahre lang von den entsetzlichsten Schmerzen gemartert. An der Brust hatte sie eine Wunde und spie immer Blut. Vom ständigen Fiebern war sie ganz ausgemergelt, und überdies war sie schwere gefallen. Sie konnte kein Glied mehr bewegen. Diese bekennt, dass sie auf den seligen Bonaventura ihr Vertrauen gesetzt und dass er ihr mit einem ehrwürdigen, glänzenden, himmlischen Gesicht und paradiesischem Geruch erschienen sei. Er sagte ihr: Vertraue auf Gott, meine Tochter, und wisse, dass du durch diese Schmerzen in die ewige Freude eingehen wirst. Finde dich, sei guten Mutes! Nachdem er dieses gesagt hatte, verschwand er. Am Morgen stand Joanna ohne alle Hilfe allein auf, eilte zu den Hausgeschäften und verrichtete diese mit großer Munterkeit. Felix Cappola, ein Arzneiverständiger, und Antonia di Amato, ihre Mutter, sind die Zeugen dieses Wunders.

M. Fortunata di Afflitti, ein adeliges Fräulein, hatte an der Nase ein Geschwür, welches ihr ganzes Gesicht verunstaltete. Der Arzt, zu welchem sie ihre Zuflucht nahm, gab alle Hoffnung auf. Sie nahm daher ihre Zuflucht zum Himmel, setzte ihr Vertrauen auf den seligen Bonaventura, lässt sich zu seinem Grab hinbringen, legt sich auf ihr Angesicht nieder, benetzt das Grab mit ihren Tränen, erhebt sich auf einmal, und ihr Gesicht ist ganz gereinigt, ohne Wunden, ohne Narben. Dieses Wunder ist öffentlich verkündet worden.

Eine Mutter brachte voll Betrübnis ihr zweijähriges Knäblein, Joachim Guerrasio, das schon drei Monate von einer sehr hartnäckigen Krankheit gemartert worden ist und kaum noch Atem schöpfte, zum Grab des Dieners Gottes. Sie legte den Knaben auf dieses nieder. Kaum hat er dieses berührt, so richtet er sich auf, scherzt und eilt in die Arme seiner Mutter, welche das Wunder zur Ehre des Seligen verkündet.

In Ravello stürzte der Laienbruder Angelus Amandola vom Glockenturm herab, verletzte sich äußerst empfindlich den Arm und lag halbtot auf dem Boden. Man eilt ihm zu Hilfe und bringt ihn zum Grab des Bonaventura, legt ihn auf dieses nieder, und bald steht der Bruder frisch und gesund auf.

Dominikus Coppala unf Candida Gascone sind auf dem Grab des Seligen von ihren sehr beschwerlichen Leibsschäden befreit worden. Andere erfuhren bei ehrerbietigem Gebrauch der Reliquien des Diener Gottes die gleiche Hilfe. Cesare Carola war selbst ein Arzt, aber er konnte sich nicht helfen. Drei Jahre hatte er ein abscheuliches Geschwür im Mund. Da keine irdische Arznei helfen will, so erhebt er seine Augen zum Himmel, wo jene Ärzte wohnen, denen der Herr des Lebens Seine Kraft mitteilt. Er ruft den seligen Bonaventura an, berührt mit lebhaften Vertrauen den schadhaften Teil mit einem Zahn des Seligen, und im Augenblick ist das Geschwür fort. Brigida Lombardo, welche von einer toten Leibesfrucht nicht entbunden werden konnte, nähert sich einem sehr schmerzvollen Tod und dem Grab, da sie schon selbst das Grab eines Toten war, der in die Verwesung überging und die Lebendige mit der gleichen Fäulnis anzustecken drohte. Die Umstehenden sind vom zärtlichen Mitleid gerührt. Sie rufen für die schon in den letzten Zügen liegende Brigida den Seligen Bonaventura an. Sie sprechen auch ihr ein lebhaftes Vertrauen ein und lassen sie eine Reliquie vom Diener Gottes berühren. Seht! Im Augenblick wird sie entbunden. Sie kehrt gleichsam verjüngt, mit vollen Kräften aus dem Rachen des Todes zurück, gesünder, als sie jemals gewesen war. Dieses Wunder gab Anlass zur Hoffnung auf ein weiteres Wunder. Die Anwesenden sahen in dem Kind einen jungen Lazarus, der schon drei Tage tot ist und stinkt. Die Mutter schreit mit allen, die zugegen sind, zum seligen Bonaventura; sie seufzt, sie weint, und das Kind fängt an zu leben und wächst.

Die zwei folgenden Wunder sind diejenigen, welche Klemens XIV., dieser große Papst, dessen Ruf immer weiter wächst, je mehr er dem Tode naht - die folgenden Wunder, sage ich, sind diejenigen, welche Klemens XIV. seligsten Angedächtnis, nachdem er in einem feierlichen Dekret vom 4. Juni 1770 die Tugenden des Seligen als heroische Tugenden anerkennt, in einem anderen Dekret vom 8. November 1774 als hervorleuchtende und bestätigte Wunder verkündet hat.

Andreas Dipino, ein Kind von 40 Tagen, ist wegen Mangel an Muttermilch einer Amme übergeben worden. Als die Mutter, eine ehrbare Frau von Ravello, einst das Kind aus den Windeln nahm, so hat sie an allen Gliedern zitternd mit größtem Mitleid sehen müssen, wie das Kind mit dem abscheulichsten Aussatz überzogen ist. Man hat alle Mittel angewendet, aber alles umsonst. Das Kind hatte keinen Schlaf, der für Kindern so notwendig ist. Das Fleisch wurde vom Eiter durchfressen, so dass das Kind anfangs wie ein Ecce-Homo-Bild, später aber wie ein noch atmendes Gerippe ausgesehen hat. Der Tod war unvermeidlich. Die bestürzte Mutter und die mitgerührte Amme weinen zum Himmel auf. Sie nehmen das Kind, tragen es unter heißen Tränen und seufzenden Gebeten in die Kirche und legen das arme Würmchen auf das Grab des seligen Bonaventura. Kaum hat das Kind das Grab berührt, so fängt es an zu lächeln. Es spielt mit der Amme. Man trägt es nach Haus, öffnet die Windeln und findet keinerlei Spur von einem Geschwür, obwohl zuvor am ganzen Leib kein gesunder Fleck mehr war.

Andreas Russo, ein Chorherr von Ravello, ist über vier oder mehr Monate mit einer so heftigen Krankheit geplagt worden, dass sie ihm die Gebeine aus dem Gewebe trieb und die eindringende Feuchtigkeit das Übel noch weiter verschlimmerte. Die Ärzte erklärten seinen Zustand für unheilbar. Von den Menschen verlassen jammerte er bei seinen unerträglichen Schmerzen untröstlich. Wende dich zu einem von den Heiligen, diesen Rat gibt Job den Not leidenden Menschen. Andreas hat sich zum seligen Bonaventura gewendet und sich mit einer Reliquie des Dieners Gottes berührt. Hier war Berühren und Keine-Schmerzen-mehr-Fühlen eines. Die Gebeine suchten ihre Fügung. Der gesunde Priester eilt aus seinem Bett, rennt zur Kirche und dankte Gott, der ihm durch Seinen Heiligen geholfen hat. Von da geht er zu seinem Bischof Perimezzi und erzählt ihm das Heil, welches ihm durch die Fürbitte des Heiligen widerfahren ist.

Am 9. April 1740 bekam der Herr Augustin Gianini, Bischof di Lettere, den apostolischen Auftrag, den Leichnam des Dieners Gottes zu besichtigen, zusammen mit den Bischöfen Anton Maria Santero von Ravello, und Anton Maria Lucci von Bovino. Auch dieser Letztere, den der Orden der Väter Konventualen erzogen und gebildet hat, ist voller Verdienste im Ruf der Heiligkeit gestorben. Sein Lebenswandel war ohne Tadel, sein Tod kostbar und die wunderbaren Zeichen, mit denen er geleuchtet hat, bezeugten die Tugenden seines Lebens. Diese Bischöfe nun öffneten das Grab des seligen Bonaventura. Sie fanden den Leib wie den Leib eines lebenden Menschen vor, noch ganz unversehrt, beweglich, vom süßesten Geruch umgeben. Augustin Gianini gibt uns folgendes Zeugnis. Ich habe im Beisein anderer Bischöfe und Assistenten während der Besichtigung des Leibs des Dieners Gottes seinen Leib in einem mit zartester Leinwand ausgefütterten Sarg gefunden. Man nahm den Leib aus dem Sarg heraus. Als man den Leichnam in diesen zurücklegen wollte, war der Sarg zu eng. Die Breite der Schultern übertraf die Breite des Sarges um vieles. Bei diesen Umständen spürte ich einen Antrieb, der von oben kam. Durch diesen aufgemuntert, sagte ich laut folgende Worte, welche alle Umstehenden hörten: Auf, Pater Bonaventura, schickt euch in den Sarg. Wir wissen ja nicht, was wir tun sollen. Kaum hatte ich diese Worte gesagt, so sah ich, und alle Umstehenden haben es auch gesehen, wie sich der Körper zusammenrüttelte und sich in den Sarg fügte. Nur der Kopf lag zu hoch. Mit dem gleichen Vertrauen streckte ich die Hände aus, fasste das Haupt an, um dieses aufzuheben, und sagte zugleich: Pater Bonaventura, habt ihr das Größte getan, vollzieht auch das Geringere. Nachdem ich auch dieses gesagt hatte, so legte Bonaventura ordentlich sein Haupt auf das Kissen nieder. Noch immer leben Augenzeugen von diesen Wundern, die sich bei der feierlichen Besichtigung des Leichnams zugetragen haben.

Nachdem am 2. Mai 1775 in einer allgemeinen Kongregation von den Hochheiligen Gebräuchen sämtliche Stimmen für die Seligsprechung des Dieners Gottes ausgefallen sind, gefiel es Seiner Heiligkeit, Pius VI., die Sache noch zu verschieben, um den Herrn um Sein göttliches Licht in dieser wichtigen Entscheidung zu bitten. Am 29. Juni aber, am Tag der Apostelfürsten Peter und Paul, hat sich Seine Heiligkeit entschlossen, die Erklärung für den Diener Gottes in der Form eines Briefes abzufassen und diesen am 26. November, als das ganze Volk noch von den freudigen Gedanken des Jubiläums eingenommen war, unter feierlichem Gepränge vorlesen zu lassen. So hat die Kirche einen neuen Heiligen, die Christen ein neues Beispiel, die Notleidenden einen neuen Fürbitter empfangen.

 

Gebete der Kirche zum seligen Bonaventura von Potenza

 

O Gott, der du uns im seligen Bonaventura, Deinem Beichtvater, ein besonderes Vorbild des Gehorsams geschenkt hast: Verleihe uns, dass wir durch die Nachahmung desselben unserem Willen ableugnen und Deinen Geboten allzeit folgen mögen, durch Jesus Christus, Deinen Sohn, unseren Herrn. Amen.

 

Gebet

Zum seligen Bonaventura von Potenza

 

Allmächtiger, ewiger Gott! Du bist die Quelle und der Urheber der Heiligkeit! Du hast Deinen Diener Bonaventura schon in der ersten Jugend mit der zartesten Andacht erfüllt, seinem Herzen einen Ekel an allem Irdischen eingegossen und ihn ganz an Dich gezogen. O ziehe auch uns an Dich, dass wir nur Dich allein suchen, dass wir Dich allein lieben, Dir allein anhangen, dass wir von Dir als unserem letzten Ziel und Ende niemals abweichen, dass wir unser ganzes Leben in Deinem Dienst zubringen und endlich zu Deiner Anschauung gelangen mögen.

Jesus Christus, o Du Bräutigam der reinen Seelen, Du hast den seligen Bonaventura im schwachen Fleisch als einen Engel in der reinsten Unschuld erhalten. Du hast seinen Leib noch auf Erden mit einem himmlischen Geruch begeistert. Ach erbarme Dich durch die Fürbitte Deines getreuen Dieners über die Schwachheit unseres Fleisches. Du unbeflecktes Lamm, lass nicht zu, dass wir uns durch die geringste Unreinheit Deines Reiches unwürdig machen, in welches nichts Beflecktes eingehen kann. Die Reinheit ist eine Gabe von Dir. Um diese bitten wir Dich durch die Unbefleckte Reinheit Deiner jungfräulichen Mutter, von welcher der selige Bonaventura der eifrigste Verehrer war.

Gütigster Jesu, Du hast Deinem geliebten Diener Bonaventura die Gnade verliehen, Dein bitterstes Leiden und Sterben immerdar unter den zärtlichsten Tränen des Mitleids zu betrachten und Dir durch eine beständige Abtötung des Fleisches im Leiden nachzufolgen. O rühr auch unsere Herzen, damit wir das Werk unserer Erlösung, Dein heiligstes Leiden nicht ohne Tränen betrachten, damit wir durch eine immerwährende Kreuzigung des Fleisches Deine Nachfolge an unserem Leib herumtragen und endlich die Früchte Deines Leidens selbst erlangen mögen.

Süßester Jesus, der Du den Glanz Deines göttlichen Angesichts unter dem reinen Schleier der Brotsgestalten verbirgst, du hast Deinen Diener Bonaventura mit einer wunderbaren Liebe, Andacht und Sorgfalt zum Heiligsten Geheimnis des Altares beschenkt. Entzünde auch unsere Herzen mit einer gleichen Andacht! O dass wir gleich den Seraphinen brennen, so oft wir in die Kirche, in Deinen Palast vor dem Tabernakel erscheinen, in welchem Du Deinen Thorn aufgeschlagen hast!

O liebster Jesus, der Du lieber das Leben als den Gehorsam hast verlieren wollen, der Du Deine Diener wie die Sterne unterscheidest, einen mit einem vorzüglichen Glanz in der Reinheit, einen anderen mit helleren Strahlen in der Liebe umgibst, der Du den seligen Bonaventura besonders durch den Gehorsam ausgezeichnet hast, flöße uns den Geist des Gehorsams ein, damit wir nichts verlangen, als was das Gesetz will, damit wir niemals dem eigenen Willen folgen, welcher die Hölle mit Seelen füllt, damit wir vielmehr auf das Genaueste den Willen derjenigen vollziehen, die unsere Vorgesetzten sind und Dir wegen unserer Seelen werden Rechenschaft geben müssen. Gebe, o Jesu, dass wir den seligen Bonaventura nachahmen, gleichwie er Dein Nachfolger gewesen ist.

 

Gebet

in einem Anliegen zu dem seligen Bonaventura

 

Ich wende mich zu dir, seliger Bonaventura, um durch deine Fürbitte die Befreiung von meinem Anliegen NN. zu erlangen. Als du noch auf Erden wandertest, hat dich niemand zu Rate gezogen, ohne in seinen Zweifeln Erläuterung zu empfangen. Niemand hat in den Nöten seine Zuflucht zu dir genommen, ohne die verlangte Hilfe zu erlangen. Kein Mensch hat dir sein Betrübnis ohne Furcht offenbart, du hast seine Wunden geheilt.

Die Armen hatten an dir einen Vater, die Waisen einen Pfleger, die Kinder einen Lehrmeister, die Sterbenden den treuesten Freund. Du bist allen alles geworden. Um deinem Nächsten einen Liebesdienst zu erweisen, hast du weder Mühe noch Arbeit, weder Hitze noch Kälte, weder Gefahren noch Verdruss geachtet. Wenn du hier unten gegen jedermann so wohltätig gewesen bist, wenn du auf Erden so viele Gnaden und nicht selten scheinbare Wunderwerke zum Nutzen des Nächsten erbeten hast, was darf ich nicht von dir hoffen, da du im Himmel wohnst, wo deine Liebe weit inbrünstiger ist, wo du meine Mühseligkeiten weit besser erkennst, wo deine Fürsprache weit mächtiger und eindringlicher ist. Ich bekenne dir zwar aufrichtig, dass ich nichts weniger als die Befreiung von meinem Anliegen verlange, wenn mein Verlangen mit dem Willen Gottes nicht einstimmt.

Er ist der Herr. Er mache mit seinem Diener, was Er will. Wenn Er mich vernichtet, so ist Er doch ein Vater. Weil dieser liebenswürdigste Vater nichts anderes als mein Heil sucht, und dieses weit mehr, als ich es selbst suche, so will ich auch dann nicht erhört werden, wenn mein Anliegen mit meinem ewigen Heil verbunden wäre. Ist es ein Kreuz, durch welches mich Gott von den Sünden meines Lebens reinigen, meinen Tod heiligen will, so fahre Er nur fort. Er senge und brenne. Ich bin bereit, wenn Er nur in der Ewigkeit verschont.

Wenn es aber ein Kreuz sein sollte, welches zu meiner Prüfung dient, wenn es mir Gott nur darum aufgeladen hat, um mein Vertrauen auf Seine Güte, auf die Fürbitte Seiner Heiligen zu erwecken – so komme ich zu dir, seliger Bonaventura! Ich bitte, ich flehe, ich seufze zu dir, damit du mir deine Fürsprache beim Thron des Allmächtigen schenkst. Er wird dir nichts abschlagen. Deine Fürbitte wird vielmehr Seinem väterlichen Herzen eine süße Gewalt antun, teils wegen deiner Verdienste, teils wegen deiner inbrünstigen Liebe, mit welcher du Gott liebst und von Ihm wieder geliebt wirst.

Werfe so einen gnädigen Blick von der Höhe herab auf mich Armen. Höre mein Seufzen, sammle meine Wünsche und begleite sie beim Spender alles Guten mit deiner mächtigen Fürsprache. Weil du aber als ein Heiliger nicht minder ein Vorbild für meinen Lebenswandel als ein Fürsprecher in meinen Anliegen bist, so werde ich mich besonders bemühen, deine Tugenden in meinem Leben nachzuahmen, damit ich mich um so eher in meinem Anliegen deines Beistandes trösten kann. Amen.

 

Gesang

Auf den seligen Bonaventura

Fromme Lippen freudig singet

Bonaventurens Tugendkron,

Fromme Herzen, euch erschwinget

Schwingt euch hoch zum Himmelslohn.

Dass die Nachfolg an euch stalte

Bonventurens Ebenbild.

Das die Tugend in euch walte,

Und im Streiten sei der Schild!

 

Gott das ganze Herz zu schenken,

Ist des Menschen erste Pflicht,

An den Herrn allein gedenken

Übergießt die Seel mit Licht.

Gott den Herrn allein zu lieben

Bonventura sich befleißt,

In der Tugend sich zu üben

Sorgt allein sein frommer Geist.

 

Brenn, o Lieb, in unsern Herzen,

Bis wir eine Leiche sind!

Fülle uns mit Reu und Schmerzen,

Bis die Buße Gnade find!

Alle Laster wir verdammen,

Aus des Herzens tiefsten Grund:

Brenn, o Liebe, gleich den Flammen,

Ewig sei mit dir der Bund.

 

Bonventura in den Ketten

Schleppt den Körper wie ein Tier,

Durch die Bußzeug zu erretten,

Was so oft nicht achten wir.

Mit gespornten Geißelstreichen,

Treibt er an den Leib nur Scherz,

Weil er Jesu möchte gleiche,

Der am Kreuz selbst ist der Schmerz.

 

Wir, die voller schweren Schulden,

Voller Sünden ohne Zahl,

Wollen öfters nichts gedulden,

Jammern über jede Qual.

Ach, lasst uns in Tränen baden,

Weinet, Augen, weinet Blut,

Dass ihr durch des Himmels Gnaden,

Löschet aus der Hölle Glut!

 

Wenn er zum Altar hingehet,

O, brennend tritt er hin!

Wie ein Seraph er da stehet,

Mit entzücktem Herz und Sinn.

Wenn er jenes Brot erhebet,

Das nur Brot dem Schein nach ist,

In der Höh sein Körper schwebet,

Da die süße Träne fließt.

 

Mutter Jesu, schöne Rachel,

Schöne Nazarenerin,

Unbetast vom Sündenstachel,

Rein im Wort, im Werk, im Sinn.

Bonventur zu dir entbrennet

Von der zartsten Kindeslieb,

Seine Mutter er dich nennet,

Ganz entflammt vom Liebestrieb.

 

Wirst du Mutter uns verachten,

Uns – die kindlich lieben dich,

Die nach deiner Liebe trachten,

Nach dir, Mutter, sehnen sich?

Bitt für uns, für deine Kinder,

Jetzt, und in der letzten Not,

Bitt für uns, für arme Sünder,

Bitt im Leben, bitt im Tod.

 

Bonventura flößt den Kleinen,

Sanft die Milch der Tugend ein,

Harte Sünder vor ihm weinen,

Seufzen laut und werden rein.

Äußerst arm, gibt er den Armen

Seinen Bissen von dem Mund,

Als ein Mann, der voll Erbarmen,

Macht er Gottes Güte kund.

 

Wenn der Kranke sich bekümmert,

Da sich naht die letzte Zeit.

Wenn er traurig, ängstig wimmert,

An dem Rand der Ewigkeit.

Bonventura ihm beistehet,

Spricht ihm Mut und Hoffnung zu.

Vor dem End er nicht weggehet,

Unruh ist hier seine Ruh.

 

Bonventura, wenn wir sterben,

Wenn die Uhr zum Richter ruft,

Hilf uns, Gottes Gnad erwerben,

Eh’ wir sinken in die Gruft.

Hilf uns kämpfen, hilf uns streiten,

Stärke unsern schwachen Geist,

Stärke uns in allen Leiden,

Bis es bei uns Amen heißt.

 

Ende

Anmerkung:

 Cilicium ist die Bezeichnung für einen groben, aus Ziegenhaaren gewebten Stoff. Der Name leitet sich von der Herkunftsregion Kilikien in Anatolien ab. Aus diesem Stoff wurden Kleider hergestellt, die zur Buße getragen wurden.

 Spanne ist ein natürliches Längenmaß: Abstand zwischen Daumen und Mittelfingerspitze (kleine Spanne) bzw. zwischen Daumen und der Spitze des kleinen Fingers (große Spanne, ca. 22–29 cm).

 Adprobatio

Legi Vitam Beati Bonaventura a Potentia ex Italico Idiomate in Germanicum traductam; cumque ea fidei nostrae dogmatis respondeat, & ad bonos mores inducendos mirifice apprime faciat, dignissima est, quae lucem publicam aspiciat.

Constantiae 9. Maji 1776

Pro ordinario Censore

Antonius Faber

Poenitentiarius major

Herausgeber

Blaue Gebetsoase, Postfach 50 11 08, 50971 Köln

e-mail: herzmariens@netcologne.de


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